Wer war Lebschée?
Carl August Lebschée wurde am 27. Juli 1800 in
Schmiegel, damals preußischer Regierungsbezirk Posen, geboren. Im
Jahr 1807 siedelte seine Familie nach München über, wo er schon
frühzeitig durch sein großes Zeichentalent in der Schule auffiel.
Schon bald erhielt deshalb der begabte Junge Zeichenunterricht beim
Landschaftsmaler Wagner sowie in der Geometrieschule des
Landesvermessungsamtes in München. Seit seinem 14. Lebensjahr
besuchte Lebschée auf Wunsch des bayerischen Königs Max I. die
Akademie der Künste in München, wo er das von der königlichen
Kabinettskasse finanzierte Studium abschloss. Mit 25 Jahren nahm er
das schwere Schicksal eines nur von seiner Kunst lebenden Malers auf
sich.
Der Architektur-, Landschaftsmaler und Graphiker Lebschée machte
sich aber schon bald mit seinen naturgetreuen und malerischen
Ansichten einen hervorragenden Namen. Für seine detailgetreuen,
präzisen Dokumentationen im vorfotografischen Zeitalter galt er als
„Registratur des Gewesenen" und dafür gab es wohl kaum einen
Besseren als ihn in München.
Von Jugend auf hatte Lebschée eine poetische Liebe für alte
Ritterburgen, Ritterromane, Geschichte und glückliche Romantik im
Herzen. Diese Liebe erfrischte ihn ebenso wie sein feinfühliges
Verhältnis zu Blumen und Singvögeln, die er sich in seiner Wohnung
hielt. Eine Tageszugeherin betreute ihn, nachdem er zeitlebens
Junggeselle blieb. Nur selten war er krank; Wohlstandskrankheiten
gab es bei ihm infolge seines kargen Lebens nicht.
Lebschée war fast ständig in Geldnot und hatte oft nur ein Stück
Brot und ein Glas Milch am Tage zum Verzehren. Wegen seines großen
Schaffensdranges erlaubte er sich auch nur selten einen Spaziergang.
Am liebsten saß er zu Hause an seinem viel geliebten Arbeitsplatz:
„ .... Dieser umfasst mein ganzes Leben, meine ganze Liebe,
Alles, was ich habe und wünsche; das ist der alleinige Sorgenbrecher
und Beruhiger fürs halb gebrochene Herz, da vergesse ich des
Erdenlebens Pein und
Plage. ..,.." (diese Worte sind einem Brief vom 3. Februar 1868
entnommen). Qualvoll und halb blind nach einer Netzhautablösung
verbrachte er seine letzten Lebensjahre am Stock, unterstützt von
ein paar hilfreichen Menschen. Als er am 13. Juli 1877 in München
starb, hatte alle Plage für diesen einsamen und stolzen Künstler ihr
Ende.
Lebschée und die Thurnauer Grafschaft
Carl August Lebschée
zeichnete bereits in den Jahren 1832 bis 1835 im Thurnauer Gebiet.
Durch seinen Freund Joseph Heller aus Bamberg wurde er mit dem
geschichtsinteressierten Franz Friedrich Carl Graf von Giech
im Schloss Thurnau bekannt. Dieser hatte sein Amt als königlich
bayerischer Regierungspräsident von Mittelfranken in Ansbach im Jahr
1840 freiwillig niedergelegt, um sich fortan mit der uralten
Geschichte seiner Familie und seines Schlosses zu beschäftigen.
Am 12. September 1850 fuhr der Graf nach München und beauftragte
Lebschée
mit der Herstellung von Tonlithographien für das Gräflich Giechsche
Album Thurnau, in dem die einstigen und jetzigen Burgen und
Schlösser der Giechschen Familie mit allen Wappen abgebildet werden
sollten. Vom Grafen eingeladen, reiste Lebschée
schon zwei Tage später nach Thurnau. um mit seinen Naturzeichnungen
für das geplante Album zu beginnen.
Der Maler wohnte jeweils in den Herbstmonaten 1850, 1851 und 1855 im
ersten Stock des Hans-Georgen-Baues gegenüber der Wohnung der
gräflichen Familie, Bald war er bei Graf und Gräfin, des Grafen
Mutter und bei Frau von Thüngen, den Grafenkindern, dem
Hofmeister Dietzfelbinger, Oberförster Weiße, Schlossgärtner
Heinrich Günther, Domänen-Rentamts-Sekretär Roder und Diener Lederer
beliebt und geachtet. Auf seinen Lithographien wurden sie als Dank
für die herzliche Betreuung im Schloss Thurnau von Lebschée
verewigt. Folge dieser für Lebschée
so glücklichen Monate jener Jahre voll Anerkennung und Fürsorge war
dann auch die gegenseitige Zusendung von Weihnachtspaketen bis zum
Jahre 1859, wie zum Beispiel Tafelobst, Krippenfiguren, bemalte
Bleisoldaten, Puppengeschirr, Griffelkasten für die Grafenkinder
oder Textilien, Gothaer Cervelat-Würste und Lilienzwiebeln für den
Maler.
Im Jahr 1855 machte Lebschée
neben den Lithos für das Album Thurnau auch noch Wachs- und
Gipsabdrücke von alten Urkundensiegeln der Familie von Giech.
Außerdem kaufte Graf Giech von Lebschée
mehrere Tusche-Handzeichnungen, Original-
zeichnungen sowie aquarellierte Sepia-Zeichnungen für das Gräflich Giechsche Album,
dessen Titelseite der Künstler eigens für den Grafen gestaltet und
vergoldet hatte. In diesem Jahr erhielt Lebschée
auch den Auftrag, von den aus Thurnau mitgebrachten
Kupferstichplatten von Baptista Homann mit der Landkarte und der
Ansicht von Thurnau sowie der Kupferplatte mit dem Grabmal (Sarg),
50 bzw. 20 Abdrucke machen zu lassen. Graf Giech und der Maler
Lebschée
sahen sich am 20. Januar 1861 ein letztes Mal in München. Als Graf
Friedrich Carl von Giech am 2. Februar 1863 starb, wurde Lebschées
wirtschaftliche Lage immer schlechter.
Die Entstehung des Lithographie-Albums Thurnau
Mit der Fertigung der ersten sechs Lithographien mit Tonplatte
begann Lebschée in München bereits am 4. Februar 1851. Die ersten
Abdrucke aus der Druckerei J. B. Kühn - in Anwesenheit des Künstlers
waren jeweils 28 bis 40 Stück hergestellt worden - gingen am 20.
Dezember 1851 wohlverpackt in einem Kistchen mit der Post nach
Thurnau. Für jede Lithographie mit Tonplatte erhielt Lebschée
zunächst 22 Gulden. Ab Januar 1856 verlangte er 30 Gulden für jede
Steindrucktafel.
Am. 6. Januar 1856 teilte Lebschée dem Grafen mit, dass er die 3.
Abteilung von je sechs Lithographiesteinen zum Album Thurnau
beginne. Am 16. September 1856 waren alle 28 großen Lithographien im
Album fertiggestellt. Die Abdrucke von den letzten
Lithographie-Steinen und den letzten Tonplatten erfolgten am 28.
Januar 1859 unter der Mitwirkung Lebschées von früh bis spät. Damit
war das große Lithographie-Album Thurnau mit den 38 Tafeln zu Ende
geführt; es bekrönte auch die historischen Arbeiten von Carl Graf
von Giech.
Für die 28 großen und 62 kleineren Tonlithographien
im Album Thurnau hat Lebschée in der Zeit von 1850 bis 1859
insgesamt 1.317 Gulden und 20 Kreuzer erhalten. Zählt man die 358
Gulden, die der Graf für die Naturzeichnungen zum Album Thurnau
gesondert bezahlte und die von der Gräfin nach dem Ableben ihres
Mannes noch gewährten Zuwendungen von 135 Gulden zum Honorar hinzu,
so kommt, man auf ein endgültiges Gesamthonorar von 1.849 Gulden,
die der Maler für zehn Jahre intensiver Arbeit, abgesehen von den
kostenlosen Aufenthalten im Schloss Thurnau, erhalten hatte.
Der Einband des Albums Thurnau
Das Album Thurnau hat an seinen drei freien Rändern Schnüre zum
Verschließen der Mappe. Auf der Außenseite des vorderen
Mappendeckels ist eine Lithographie auf grau-gelblich gefärbtem
Papier aufgeklebt mit folgendem Aufdruck: „Thurnau und seine
Umgebungen" in verschnörkelter, gewellt verlaufender Schrift nach
einem am 21. Juli 1855 skizzierten Entwurf des Münchner
Schriftlithographen P. Herwegen.
Das als dreifarbige Lithographie wiedergegebene Gräflich Giechsche
Wappen in der Mitte des Mappendeckels, ein von Silber und Rot
gevierter Schild, in l und 4 zwei aufrechte rote Schafscheren auf
silbernem Grund, in 2 und 3 ein silberner Schwan auf rotem Grund,
zwei goldene Helme mit Helmzieren, goldenen Umrisslinien der vier
Wappenfelder und rot-silbernen Helmdecken hat Lebschée am 18. und
19. Dezember 1853 gezeichnet. Links unten auf dem Titelblatt liest
man: „N. d. Ntr. gez.: von Maler C. A. Lebschée" in der Mitte unten
die Jahreszahl „1854" und rechts unten die entsprechende Druckerei.
Gedruckt wurde von 1851 an bei J. B. Kühn, von 1852 an bei S.
Hanfstängl, ab 1854 bei Sebastian Minsinger und ab 1857 bei G.
Fuchs.
Das Lithographie-Album Thurnau
Das Album umfasst 38 nach der Natur gezeichnete
Lithographie-Tafeln.
Die in Thurnau entstandenen Lithographien sind im Anhang abgebildet
und beschrieben[nach (1), S. 1-5 (2), S. 201 f - Gedruckt bei S. Minsinger ab 1855
und (8)]:
0) Grundriss von Schloss Thurnau, gestochen von Sebastian Minsinger
1)
Markt Thurnau 1855 - Tafel I
2)
Schloss Thurnau. Vom Marktplatz aus.
1855 - Tafel II
3)
Schloss Thurnau von der Nord-Ost-Seite. 1855 - Tafel III
4)
Schloss Thurnau 1851. -
Tafel IV
5)
Schloss Thurnau. Der Untere Hof. - Tafel V
6)
Schloss Thurnau. Der Obere Hof. I. 1855 - Tafel VI
7)
Schloss Thurnau. Der Obere Hof.
II N: O: - Tafel VII
8)
Schloss Thurnau. Der Obere Hof III.
Kemenate mit Erker.
1855. Taf.VIII
9) Schloss Thurnau. Der Zwinger. - Tafel IX
10)
Schloss Thurnau. Der Obere Hof. S: W: - Tafel X
11)
Schloss Thurnau -
Tafel XI =>
kolorierte Fassung (Eigentum: R. Hunebald)
12)
Eingang in den Schlossgarten, durch die Lindenallee,
gepflanzt 1706 - Tafel XII
13)
Ausgang aus der Lindenallee. 1855. - Tafel XIII
14)
Schlossgarten zu Thurnau - Tafel XIV
=>
kolorierte Fassg. (Eigent.: R. Hunebald)
15)
Schloss Thurnau - Tafel XV
1851
16)
Schloss Thurnau, von der Westseite. 1855. - Tafel XVI
34)
Schloss Thurnau. Gebetserker. Allianzwappen
1851- Tafel XXXIV
Die restlichen Tafeln im Album
17)
Ruine des Schlosses Pattenfeld - Tafel XVII
18)
Schloss Peesten mit der Linde I. 1855 - Tafel XVIII
19)
Dorf Peesten 1855 - Tafel XIX
20)
Schloss Buchau I. 1851 - Tafel XX
21)
Schloss Buchau II. 1850 - Tafel XXI
22)
Schloss Buchau III. 1851 vom Hermannstein - Tafel XXII
23)
Giech-Kroettendorf bei Weismain - Tafel XXIII
24)
Schloss-Ruine Kroegelstein I. 1850 - Tafel XXIV
25)
Dorf Kroegelstein, von Süd: gegen Nord: II. 1855 - Tafel XXV
26)
Schloss Wiesentfels I. 1850 - Tafel XXVI
27)
Schloss Wiesentfels von der Süd-Ost-Seite II. 1855 - Tafel XXVII
28)
Schloss-Ruine Giech bei Scheßlitz 1854 - Tafel XXVIII
29)
Schloss Wiesentfels von der Nordseite - Tafel XXIX
30a)
Kapelle zu Woelkendorf - Tafel XXX *
30b) Kapelle auf dem Kirchhof zu Berndorf - Tafel XXXb *
30c) Turm-Schlussstein an der Kapelle.1855 - Tafel XXXc *
31a)
Im Schlosse Giech-Kroettendorf - Tafel XXXI *
31b) Pfarrkirche zu Weismain - Tafel XXXIb *
32)
Schlösschen Grünwöhr - Tafel XXXII *
33a)
Die Linde zu Peesten - Tafel XXXIII
33b) Monumentsteine aus der Ringmauer Schloss Buchau - Tafel XXXIIIb
unten
35a)
Burg-Ruine Kroegelstein.
1855 - Tafel XXXV
35b) Wappen vom Taufstein der Kirche zu Kroegelstein 1855 - Tafel
XXXVb unten
36a)
Schloss Wiesentfels, Aeußerer Hof - Tafel XXXVI
36b) Schloss Wiesentfels, Innerer Hof - Tafel XXXVIb unten
37a) Kirche zu Frauendorf - Tafel XXXVII *
37b) Kirche zu Wiesen - Tafel XXXVIIb *
37c) Eingang Schlosskeller zu Brunn sowie verschiedene Wappen - Tafel XXXVIIc
*
38a)
Ober-Brunn mit dem Schlossberg am Main. 1855 - Tafel XXXVIII *
38b) Treppen Ruine von Schloss Brun - Tafel XXXVIIIb *
38c) Treppen Schlussstein aus dem Schlosse Brunn - Tafel XXXVIIIc
*
(39) Schloss Peesten in Oberfranken
[* hier nicht vorhanden]
Die meisten Lithographien stellte freundlicherweise
Frau Baronin Hiller von Gaertringen zur Verfügung. Einige Tafeln,
die in ihrem Album nicht vorhanden waren,
wurden als Ergänzung dem Thurnauer Archiv entnommen. Diese sind
jedoch mehr oder weniger stark stockfleckig.
Literatur
(1) A. Häußinger, Lebschée und das Album Thurnau. Thurnauer Blätter,
Februar 2001 (Manuskript)
(2) B. Huber, Auf der Suche nach historischer Wahrheit. Carl August Lebschée (1800 - 1877).
Ein Münchner Künstlerleben. Dölling und
Dalitz Verlag 2000
(3) G. Schwarz, Die Grafen und Herren von Giech auf Schloß Thurnau. Heimatbeilage zum
Amtlichen Schulanzeiger des
Regierungsbezirks Oberfranken, Februar 1979 Nr. 66
(4) U. v. Pezold, Adelige Standesherrschaft im Vormärz. Die
Tagebücher des Grafen Carl
von Giech (1795-1863). Freunde der Plassenburg,
München/Kulmbach 2003
(5) Thurnau 1239 - 1989 (Verschiedene Verfasser), Markt Thurnau 1989
(8) B. Müller: Carl August Lebschées Reisen nach Franken. Bericht
des Historischen Vereins für
die Pflege der Geschichte des
ehemaligen Fürstbistums. Bamberg. 115. Bericht - Jahrbuch 1979.
=>
Weiter zur Entstehung
des Albums Thurnau
[zurück zu den Publikationen]
|
|
[zurück zu den Publikationen]
Carl August Lebschée
Selbstbildnis [in (1), S. 1]
Franz Friedrich Carl Graf von Giech
(1795 - 1863), ehemaliger königlich bayerischer
Regierungspräsident von Mittelfranken
[in (4), S. II]
Schloss vom Marktplatz - Album Thurnau Tafel II
"Thurnau und seine Umgebungen" 1854
Lithographie auf dem Mappendeckel
Alle Lithographien haben im Original einen Rand
mit kunstvoll ausgebildeten Eckverzierungen.
Um die Dateien zu verkleinern, wurde bei den Tafeln
der Rand weglassen wie auch die Nummerierung oben
und die zweite Textzeile unten (zumeist die Jahreszahl).
Schlossgarten mit Teehaus - Tafel 14. 1851
Alt
kolorierte Fassung der Tafel XIV [Eigentum: R. Hunebald]
|