Ein
eindrucksvolles Ensemble
Der Besucher Thurnaus wird mitten im Markt von einer ausgedehnten
Schlossanlage überrascht, die man mit ihrer turmhoch aufragenden,
mächtigen Kemenate, den zwei sich anschließenden umbauten
Schlosshöfen, den Wehr- und Schneckentürmen, dem
straßenüberquerenden Übergang zur Kirche sowie dem anschließenden
Renaissancebau der ehemaligen Lateinschule nicht so schnell
vergisst. Wie kam ein idyllisch gelegener, vor dem Autobahnbau aber
nur schwer erreichbarer Ort zu so einem eindrucksvollen Ensemble?
Das „hûs ûf dem stein"
Am Fuße des Fränkischen Jura errichtete das alte Rittergeschlecht
der Förtsche auf einem mächtigen, aus dem Sumpfgelände des Aubaches
aufragenden Sandsteinfelsen eine Turmburg. Dieser Turm in der Au
wurde seit Anfang des 13. Jahrhunderts namengebend für den Ort. Das
sog. „hûs ûf dem stein“ war nach Süden durch zwei vorgelagerte Türme
geschützt, die im 18. Jahrhundert mit welschen Hauben versehen
wurden. Im Westen umgab ein Wassergraben die Anlage. Im Osten und
Norden schützte ein Trockengraben.
1565 fielen Schloss und Herrschaft im Erbgang an die
Förtschischen Schwiegersöhne von Künßberg und von Giech, anfangs zur
gemeinsamen Hand ('Kondominat'). Das Auseinanderleben der Familien
führte (immer wieder) zu Streitigkeiten und zu getrenntem Wohnen. Der künßbergische, frühbarocke
Schlossteil im „Unteren Hof“ besaß nach Norden eine Arkadengalerie.
Im Giech'schen „Oberen Hof“ gruppieren sich Hohe Kemenate,
Torwärterhaus, Hans-Georgen-Bau (1600), Kutschenhaus (1719) und
Carl-Maximilian-Bau (1731) um den Rokokobrunnen. Fast jede Generation
erweiterte die Schlossanlage um einen Gebäudeteil, baute aus,
modernisierte und renovierte (siehe Bild 5: Grundriss).
Bauten aus vielen Zeitperioden
Hans Georg, der erste Giech auf Thurnau, ließ das „hus uf dem stein“
um drei Stockwerke erhöhen, nach Norden erweitern und mit einem
Renaissancegiebel schmücken. Die 33 m „Hohe Kemenate“ bot Wohnraum,
aber in den neuen Teilen auch gewinnbringenden Lagerraum für
Getreide. Zwei neue Treppentürme, der „Vordere“ bzw. „Hintere“
Schnecken, erleichterten nun den Zugang. Im Auftrag von Hans Georg Giech schuf der Kulmbacher Steinmetz Hans Schlachter 1581 an der
Ostseite der Kemenate den reich geschmückten
Gebetserker. Auf
Hans Georg Giech geht auch der nach ihm benannte Erweiterungsbau
nach Südosten samt einem hölzernen Verbindungsgang zurück. Nach dem
30-jährigen Krieg wurde der Hans-Georgen-Bau um ein Stockwerk erhöht
und von italienischen Stuckateuren ausgeschmückt. Die zwei Wehrtürme
ließ Carl Gottfried Giech erhöhen und mit welschen Hauben versehen.
Der südliche sog. Centturm diente als Gefängnis, da die Giechs als
Landesherren auch die hohe Gerichtsbarkeit ausübten.
Zwischen beiden Türmen wurde 1714 das Kutschenhaus erbaut. Den
Abschluss des Oberen Hofes nach Westen bildet der zwischen 1729 und
1731 errichtete Carl-Maximilian-Bau, der in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts mit einem Rokokogiebel versehen und mit vorzüglichem
Bayreuther Stuck geschmückt wurde. Um 1800 im klassischen Geschmack
teilweise umgestaltetet, enthält der Carl-Maximilian-Bau einen im
Fränkischen einzigartigen Tapetensaal mit
Landschaftsveduten.
So spiegelt Schloss Thurnau die Entwicklung vom
ziemlich unbequemen, mittelalterlichen Wehr- und Wirtschaftsbau über
das Streben nach etwas mehr Bequemlichkeit und Wohnlichkeit zu einer
kleinen Residenz, dem barocken Bedürfnis nach Repräsentanz
entsprechend. Umfangreiche Renovierungsarbeiten im 19. Jahrhundert
zeigen, wie weit sich die standesherrliche Familie zum Erhalt des
Erbes verpflichtet fühlte.
Stätte der Wissenschaft, Begegnung und Kultur
Eine seit Ende des 20. Jahrhunderts dringend notwendig gewordene
Sanierung sowie die Umwidmung des Schlosses zu einem
musikwissenschaftlichen Forschungszentrum der Universität Bayreuth,
die Nutzung als Seminar- Veranstaltungs- und
Hotelbetrieb
haben einige moderne Zutaten notwendig gemacht, den Gesamteindruck
der mächtigen Schlossanlage aber erhalten.
[Text nach Dr. Uta von Pezold]
Bild 5:
Grundriss von Schloss Thurnau 1855
gestochen von Sebastian Minsinger
Über die Genealogie der Grafen von Giech informiert die Schrift von
G. Schwarz:
Die Grafen und Herren von Giech
auf Schloß Thurnau. Heimatbeilage zum
Amtlichen Schulanzeiger des
Regierungsbezirks Oberfranken, Februar 1979 Nr. 66
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Töpfermuseum in der alten Lateinschule [thurnau.de]
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Bild 1
Blick vom Schloßweiher auf die Schlossanlage:
Vorne der Cent-Turm, rechts der Weiße Turm,
dazwischen
das Kutschenhaus, links der Karl-Maximilians-Bau
Bild 2
Schloss Thurnau vom Marktplatz aus.
Tonlithographie von C. A. Lebschée 1850: Tafel II
Bild
3
Schloss Thurnau von außen
mit Torhaus, Kemenate und Bogengang
Tonlithographie von C. A. Lebschée 1851:
Tafel IV
Bild 3
Unterer Hof und "Hohe Kemenate"
mit dem 'Hinteren Schnecken',
darunter rechts das 'Weinhöflein'.
Tonlithographie von C. A. Lebschée 1850:
Tafel V
Bild 4
Oberer Hof mit Kemenate und Hans-Georgen-Bau
Tonlithographie von C. A. Lebschée 1851:
Tafel VII.
Bild 6
Oberer Hof mit Kemenate und Erker
Tonlithographie von C. A. Lebschée 1855 :
Tafel VIII
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Weitere Bilder von Schloss Thurnau
aus einem Album von Harald Stark
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