Die 'Märtyrergräber' auf der Ebstorfer Weltkarte

Die Ebstorfer Klostersage - Wie eine fromme Legende verlagert wurde 
 


 

Der Kern des Geschehens

Vermutlich aus England kommende Wikinger besiegten am 02. Februar 880 bei einem Einfall in Norddeutschland ein sächsisches Heer. Der Bericht in den Fuldaer Annalen nennt die Namen von zwei Bischöfen, zwölf Grafen und 18 königlichen Trabanten, die in der Schlacht fielen, verschweigt aber den Ort, an dem diese stattfand. Spätere Überlieferungen brachten dann das Geschehen mit dem Ort Ebstorf ( bei Uelzen ) in Verbindung, wo sich zwischen 1200 und 1243 die Gräber mehrerer Märtyrer entdeckt wurden. Die um 1380 voll ausgebildete Legende behauptete, in Ebstorf seien prominente Opfer der Schlacht begraben, demnach hätte diese dann auch in der Nähe des Ortes stattgefunden. Der fromme Betrug verhalf dem Ort zur Wallfahrtsberühmtheit, Kloster Ebstorf erlebte eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte, wovon die berühmte Ebstorfer Weltkarte, die grösste und inhaltsreichste Weltkarte des Mittelalters ( entstanden Mitte des 13. Jhdts. oder auch in der ersten Hälfte des 14. Jhdts. ), Auskunft gibt.
[http://www.langstrofsche-stubentiger.de/heimdallserben/schlachten/schlachten2.htm]
 



EBSTORFER MÄRTYRER
Am Lichtmeßtag (2. Februar) 880 kam es zur furchtbaren Schlacht des sächsischen Heeres gegen die Normannen. Sie fand in der Nähe von Hamburg statt. Dabei erlitten den Tod und wurden in weiterem Sinne als Märtyrer verehrt: Herzog Bruno, Sohn und Nachfolger Ludolfs, die Bischöfe Dietrich (Thiadrich) von Minden, der 871 das Kloster Wunsdorf gründete, und Markward von Hildesheim, die Grafen Wigman, Dieter, Dietrich, Gerrich, Ludolf, Volkward, Liuthar, Awan und drei mit Namen Bardo, die königlichen Vasallen Addasta, zwei namens Aida, Adram, Alfuin, Adalwin, Bodo, Dudo, Halilf, Humilduin, Hilwart, Thiotrich, Wal, Werinhard und noch viele andere Mitstreiter.
Später wurden ihre Gebeine verehrt in dem im 12. Jh. gegründeten Benediktinerinnenkloster Ebstorf, früher im Bistum Verden gelegen.
[http://www.bautz.de/bbkl/e/ebstorfer_m.shtml]



Glaubenszeugen
879 fielen heidnische Normannen aus Flandern in Niedersachsen ein und bedrängten die dort lebenden Christen. Herzog Bruno von Sachsen zog mit den Bischöfen von Hildesheim und Minden gegen die Normannen. Das christliche Heer wurde am 2.2.880 bei Ebstorf in der Lüneburger Heide vernichtend geschlagen. Neben vielen Soldaten fielen Herzog Bruno von Sachsen, Bischof Theoderich von Minden, Bischof Markward von Hildesheim sowie 11 Grafen und 14 kaiserliche Beamte - unter ihnen Bodo - , deren Namen überliefert wurden. In Heiligenkalendern werden insbesondere Bodo, Markward und Theoderich genannt. Bischof Theoderich wurde in dem von ihm gegründeten Kloster Wunsdorf (bei Hannover) und Bischof Markward in Hildesheim beerdigt. Die anderen Gefallenen wurden auf dem Schlachtfeld beerdigt. 1150 wurde hier das Chorherrenstift Ebstorf errichtet und die Gebeine in die Kirche übertragen. Das Kloster wurde nach wechselvoller Geschichte ein evangelisches Damenstift.

[http://www.glaubenszeugen.de/kalender/e/kale009.htm]



Wikinger jagen Christen in den Tod

               . . .

"Tatsächlich weisen die Fuldaer Annalen für das Jahr 880 einen Überfall von Wikingern auf sächsisches Gebiet nach - auch der berühmte Chronist Widukind von Corvey schildert diese Schlacht in seiner im 10. Jahrhundert entstandenen sächsischen Geschichte. Wikingerüberfälle waren in jener Zeit keine Seltenheit und auch die Elbregion hatte unter ihnen zu leiden. Im Jahre 845 wurde sogar die Stadt Hamburg Opfer eines solchen Wikingerüberfalls.

Der hamburgische Bischof Ansgar konnte sich seinerzeit nur mit Mühe nach Bremen retten, welches fortan Hamburg als Bischofssitz ablöste. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass der Ebstorfer Klostersage auch tatsächliche Ereignisse zugrunde lagen. Dass wikingische Drachenboote hingegen die Ilmenau hinaufruderten, darf bezweifelt werden.

Die im Raum Ebstorf befindlichen archäologischen Geländedenkmale wurden zwar von den Gelehrten des 18. Jahrhunderts mehrheitlich mit der Sage von der Normannenschlacht in Verbindung gebracht, die dort angeblich im Jahre 880 stattgefunden haben soll.

Aber: Wahrscheinlich gab es diese Schlacht nicht - wie die Sage es will - im Süsing, sondern im Stader Raum. Ganz offensichtlich hatte man die historischen Ereignisse zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt einfach in die Nähe des Ende des 12. Jahrhunderts gegründeten Klosters Ebstorf verlegt.

Die um 1300 entstandene Ebstorfer Weltkarte zeigt bereits drei Symbole, welche die Märtyrergräber darstellen sollen; sie wurden unmittelbar neben dem Kloster eingezeichnet. Erst in den späteren Versionen dieser Sage gesellten sich die slawischen Wenden zu den Wikingern; waren deren Siedlungsgebiete, das Wendland, Mecklenburg und das östliche Holstein dem Kloster doch ungleich näher als die skandinavische Heimat der Nordmänner.

Von den in der Sage genannten Grafen allerdings stammten drei mit Namen Bardo übrigens wirklich aus der Gegend - ein Mitglied dieser Familie ist 988 sogar mit Besitzungen in Tellmer bei Betzendorf nachzuweisen. War dies der Grund für die "Verlegung" der Sage in die Ebstorfer Region?

Für die Gelehrten des 18. Jahrhunderts war die Ebstorfer Klosterlegende jedenfalls eine historische Tatsache. Zu Zeiten der ersten Ausgrabungen in diesem Gebiet hielt man daher auch die eisernen Grabbeigaben in den dort gefundenen Urnen auch wirklich noch für das "Pferdegeschirr" gefallener Wikinger. Heute, nach jahrzehntelanger archäologischer Forschung, wissen wir, dass jene Urnen fast 1000 Jahre älter sind als jene Normannenüberfälle und nicht wikingische, sondern stattdessen - wenn man durchaus will - langobardische "Asche" enthalten. Jene Sage wurde jedoch in den ältesten Berichten gelehrter Sammler derart häufig erwähnt, dass tatsächlich davon auszugehen ist, dass es sich dabei um eines der Motive für den Beginn der archäologischen Forschungen in unserer Region handelt." - Landeszeitung für die Lüneburger Heide vom 01.06.2008

[http://www.landeszeitung.de/lokales/news/artikel/wikinger-jagen-christen-in-den-tod/]



Nebenresidenz der Welfen

"... Kloster Ebstorf wurde um 1160 als Kloster St. Mauritius als Prämonstratenser-Chorherrenstift gegründet. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1197. Nach einem Brand im 12. Jahrhundert wurde das Kloster neu aufgebaut, nun kamen Benediktinerinnen aus Walsrode nach Ebstorf.

Zwischen 1200 und 1243 wurden nahebei die Gräber mehrerer vermeintlicher „Märtyrer“ entdeckt. Die Legende erzählt, die Toten seien Opfer einer Schlacht zwischen Sachsen und Normannen im Jahre 880, der Schlacht bei Ebbekestorpe, aus der die Nordmänner siegreich hervorgingen.

Später stellte sich allerdings heraus, dass die Gräber weitaus älter waren. Dem Kloster verhalfen sie dennoch zu kultureller und wirtschaftlicher Blüte als Marienwallfahrtsort.

Die Klostergebäude aus dem 14. Jahrundert sind ebenso wie die Hallenkirche mit der Nonnenempore ein eindrucksvolles Zeugnis der norddeutschen Backsteingotik.

Die Propstei wurde im 15. Jahrhundert errichtet. Im Jahr 1529 wandelte der Celler Herzog Ernst der Bekenner das Kloster in ein evangelisches Frauenkloster um. Ebstorf gehört zu den sechs Lüneburger Klöstern, die als evangelische Konvente noch heute existieren."

[http://www.intranet-lueneburgerheide.de/files/240EbstorfNebenresidenzWelfen.pdf]


Quellen
(1) Hartmut Kugler (Hrsg.), Die Ebstorfer Weltkarte, Band I: Atlas und II: Untersuchungen und Kommentar; Akademie Verlag 2007 [178,00 €]
(2) Birgit Hahn-Wörnle, Die Ebstorfer Weltkarte. Kloster Ebstorf (o. J.)


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   Abb. 1  => größer: 4,0 MB!

Ebstorfer Weltkarte aus dem Projekt EBSKART
der Leuphana Universität Lüneburg

 

 

  Abb. 2

Linke untere Ecke in der Edition von Hartmut Kugler
[aus der Übersichtskarte im  Band I: Atlasband von (1)] 

 

 

   Abb. 3
Ausschnitt aus Abb. 2 [50]: 'Hic quiescunt b. mar|ty|res'
= "Hier ruhen die seligen Märtyrer"

 

 


Deutlich zu sehen sind die Quellflüsse von Naab, Main und Mulde mit einem Teil Thüringens. Rechts der Plassenburg 'Nurenberch', darunter 'Pavenberch', links davon Kloster Orlamünde und darunter 'Erfordia', Nienburg und Halle, darüber Meißen. Siehe Literaturangabe  unten!    Abb. 4  => größer (~730 KB)

 => Ausschnitt noch größer (~ 2,31 MB)   
        [dort u. a. mit den Klöstern auf der Reichenau]
                                                                    

Ausschnitt aus der (hier stark rekonstruierten) Ebstorfer Weltkarte,
am linken Rand etwas ergänzt, mit den Quellflüssen von Naab, Main, Saale
und Mulde mit einem Teil von Thüringen und Sachsen ('SAXONIA'),
darunter Magdeburg. Rechts von der Plassenburg liegt Nürnberg, 
rechts davon Forchheim, schräg darunter Bamberg ('Pavenborch') -
weiter links Orlamünde, Naumburg und Halle, Erfurt und Quedlinburg.
Darüber liegt Meißen; oberhalb hiervon ist Prag zu sehen.
[Ausschnitt aus (2) S.69, Abb. 44, entnommen aus K. Miller, Die Ebstorfer
Weltkarte des ehemaligen Frauenklosters Ebstorf, Stuttgart 1844]

 


  Abb. 5

Größerer Ausschnitt bzw. Anschluss an Abb. 3:
In der Mitte die Kapelle bzw. spätere Wallfahrtskirche bei
Kloster Ebstorf ('Ebbekesstorp') , darunter die 'Märtyrergräber'


 

 


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