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			"Generationenlang lag sie unbeachtet in einer Abstellkammer des 
			ehemaligen Benediktinerinnenklosters Ebstorf, zusammen mit 
			Altardecken und sonstigem Gerät aus katholischer Zeit, für das die 
			lutherischen Niedersachsen keine Verwendung mehr hatten. 
			Feuchtigkeit und Kälte setzten ihr zu. Dann, 1830, im Zeichen der 
			romantischen Mittelaltereuphorie, wurde sie entdeckt: die Ebstorfer 
			Weltkarte, entstanden um 1300, eine der wenigen erhaltenen 
			großformatigen, pergamentenen Mappae Mundi - wunderbare 
			Zeugnisse der christlichen Weltsicht. 
			Das 
			Original wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, aber glücklicherweise 
			existierte eine präzise Ablichtung, von der in den 50er-Jahren vier 
			Kopien auf Ziegenlederpergament erstellt wurden. Eine lang 
			anhaltende Forscherarbeit zur Ikonografie der Mappa mündete 
			schließlich in Hartmut Kuglers zweibändige Publikation von 2007. 
			Jetzt steht die Karte im Internet und kann interaktiv erschlossen 
			werden.  [=>
			
			Internetauftritt der Universität Lüneburg ] 
			
			[Eine OT-Karte] 
			Ein 
			erster Blick auf das Riesenformat von 356 mal 358 Zentimetern lässt 
			den Betrachter ratlos bis verwirrt zurück. Bis er schließlich, von 
			entsprechender Literatur unterstützt, die Grundstruktur erkennt: ein
			O, in das ein 
			T eingeschrieben ist. Man 
			spricht deswegen auch von OT-Karten. Die obere Hälfte des Kreises 
			nimmt Asien ein, eine theologisch geprägte Standortbestimmung, die 
			die biblische Bedeutung des Orients unterstreicht. 
			
			Dass alle Karten damals „geostet" wurden, wissen heute die 
			wenigsten, eine Spur davon hat sich bis heute in der Sprache 
			erhalten. Man „orientiert sich", indem man auf der Karte vom Orient, 
			also vom Osten, ausgeht. 
			
			Europa findet sich auf der linken Seite unterhalb des T-Querstrichs, 
			Afrika auf der rechten. Über die Existenz eines weiteren Kontinents, 
			der Terra Australis, eines Südkontinents also, wird im Mittelalter 
			viel spekuliert, die Kirche aber lehnt diese Vorstellung ab. Ein 
			vierter Kontinent ist nicht mit der biblischen Völkertafel 
			vereinbar. Noah hatte drei Söhne, also konnte es nur drei Kontinente 
			geben. Und so findet sich die Terra Australis auch nicht auf der 
			Ebstorfer Mappa. 
			Wer 
			die flächige Darstellung auf der Karte betrachtet, könnte vermuten, 
			ihre Schöpfer wären noch von der Scheibenform der Erde ausgegangen. 
			Aber das stimmt nicht. Sie glaubten durchaus, dass die Welt eine 
			Kugel sei. Aber ihrer Vorstellung nach bestand der Rest dieser 
			Kugel, also der Raum hinter den drei Kontinenten, aus Wasser. Und die Schöpfer dieser Karte wollten 
			lediglich den Teil der Welt verorten, den sie für bewohnbar hielten. 
			Mit 
			ihren im Original existierenden Verwandten, der etwas früher 
			entstandenen Hereford Mappa, teilt die Ebstorfer Karte die zentrale 
			senkrechte christologische Ausrichtung. Das Haupt Christi, des 
			Weltenrichters, ist oben in der Mitte sichtbar, daneben das 
			Paradies. 
			Im 
			Zentrum der Karte liegt die Stadt Jerusalem, sie ist der Nabel von 
			Christus und zugleich der Welt - Umbilicus Mundi. Die Mappae Mundi 
			waren natürlich für die Orientierung bei Reisen ungeeignet. Sie 
			waren Geschichtsgemälde und verbanden Ereignisse der realen wie der 
			Heilsgeschichte mit Wissen über die Tier- und Pflanzenwelt und nicht 
			zuletzt aus dem Reich der Sagen und Ungeheuer. Überlieferungen, 
			nicht aktuelle Beobachtungen und Reisebeschreibungen waren die 
			Grundlage. 
			
			[Die Endzeitmonster Gog und Magog]  
			Liebhaber von Ungeheuern, von denen schon antike Autoren erzählten, 
			werden sich besonders an der Darstellung der Endzeitmonster Gog und 
			Magog erfreuen. Bei Hesekiel wird Gog aus dem Lande Magog als ein 
			Nachfahre von Noah beschrieben - aber sie tauchen in ganz 
			unterschiedlichen Formen auf: mal als Paar, mal als Person und Land, 
			am häufigsten aber als Völkerschaften. 
			Der 
			Prophet Hesekiel war es, der ihre schreckliche Bestimmung geweissagt 
			hat: Am Ende aller Tage werden sie ausgesandt werden, um die 
			Menschheit zu zermalmen, und nur Gottes Eingriff wird sie vor dem 
			Verderben bewahren. Dieses Motiv der Gottesstrafe und Errettung wird 
			in der Offenbarung des Johannes ins Apokalyptische gesteigert. Denn 
			hier sind Gog und Magog eine riesige Heerschar gut gerüsteter 
			barbarischer Krieger, die wieder nur von Gott aufgehalten werden 
			können (und werden). 
			Auf 
			der Ebstorfer Weltkarte sehen wir die beiden Ungeheuer nackt bei der 
			Mahlzeit. Sie machen sich über einen Menschen her, dessen Überreste 
			noch auf dem Boden liegen. Wir haben es also mit Menschenfressern zu 
			tun. Die Ungeheuer bewegen sich innerhalb eines quadratischen 
			Gevierts, offensichtlich einer Mauer. Gog und Magog sind Gefangene. 
			Ihr Gefängnis liegt im nordwestlichen Teil der Mappa, also nach 
			einer „Nordung" im Nordosten Asiens. Wir sehen das Kaspische Meer 
			und das Nordmeer, an das das Gefängnis grenzt. Diese Lokalisierung 
			entspricht grob der Prophezeiung Hesekiels, der auch von der 
			nördlichen Behausung der Ungeheuer gesprochen hat. 
			Den 
			Bau dieser Mauer hat niemand anders bewerkstelligt als Alexander der 
			Große. Bei seinem siegreichen Feldzug durch Asien, der ihn bis nach 
			Indien führte, nahm er der Erzählung nach Gog und Magog gefangen. Er 
			sperrte sie in ein Verlies aus herabgestürzten Bergen und schloss 
			die offen gebliebene Stelle mit Eisen und Kupfer: dem Alexandertor. 
			
			Diese Geschichte stammt in ersten Umrissen aus der Antike und wurde 
			im Mittelalter zum Alexanderroman verdichtet. Alexander erscheint 
			hier als christusgeleiteter Held, der Roman seiner Taten wurde 
			während des Hoch- und Spätmittelalters zu einem Bestseller. 
			
			Auch in der islamischen Welt treten Alexander, Gog und Magog auf. In 
			Anlehnung an den frühen Alexanderepos wird in arabischen Texten von 
			dem „Zweigehörnten", also Alexander, gesprochen, der Gog und Magog 
			einschließt, die hier Yajuj und Majuj heißen. Der große arabische 
			mittelalterliche Kartograf al-Idrisi verortet das Gefängnis der 
			Ungeheuer noch weiter nordöstlich, „bei dem Gebirgszug Kufaia, wo 
			die Jadjudj und Madjudj eingeschlossen sind". 
			Die Verlagerung 
			von Gog und Magog auf den Mappae Mundi nach Norden passt zum Wandel 
			des Bedrohungsszenarios. In der Antike sah man das Reitervolk der 
			Skythen, das unmittelbar nördlich des Kaukasus angesiedelt war, als 
			Hauptgefahr, weshalb Gog und Magog dort verortet wurden. Dann 
			wanderten die Ungeheuer weiter in Richtung Nordmeer. Die veränderte 
			Lokalisierung wurde auch dadurch erleichtert, dass man das Kaspische Meer als mit dem Nordmeer 
			verbunden, also als derselben Region zugehörig ansah. 
			 
			
			Menschenfressende 
			
			Ungeheuer 
			Gog und Magog 
			sind nach den alttestamentarischen Prophezeiungen des Hesekiel und 
			der Offenbarung des Johannes menschenfressende Ungeheuer. Sie 
			wurden der Erzählung nach von Alexander dem Großen eingesperrt, um 
			am Jüngsten Gericht auf die Menschheit losgelassen zu werden. Nur 
			Gott wird sie bändigen können.  
			Auf christlichen Karten des 
			Mittelalters verkörpern sie die jeweils größten Feinde, im 13. Jahrhundert also die Mongolen. Da sie ihren Platz im christlichen 
			Heilsplan finden, bleiben sie zwar schrecklich, aber ihr Ende ist 
			besiegelt. m Sie und andere Monstren verschwanden allmählich von 
			den Karten, als diese nicht mehr das christliche Weltbild 
			ausdrückten, sondern der praktischen Orientierung dienten.
			 
			 
			
			Die Monster auf den Karten riefen 
			große Ängste hervor, aber die Hilfe des Retters war stets gewiss. Es geht also um die Frage, welcher 
			Feind jeweils abzuwehren ist. Nach der Bedrohung durch Skythen, 
			Goten, Hunnen und Alaren werden im 13. Jahrhundert schließlich die 
			Mongolen zum Hauptfeind sowohl der christlichen wie der arabischen 
			Welt. Indem jetzt die Mongolen mit Gog und Magog identifiziert 
			werden, erhalten sie ihren Platz in der christlichen 
			Heilsgeschichte. Sie haben jetzt Vorfahren, ihr Platz in der 
			Völkertafel steht fest, auch kann jetzt die Frage beantwortet 
			werden, warum sie sich so lange verborgen gehalten hatten. Sie 
			waren gefangen und sind aus ihrem Verlies ausgebrochen. 
			
			Selbst nach dem Siegeszug 
			maßstabsgerechter Karten und ihrer praktischen Nutzung zu Beginn 
			der Neuzeit hielten sich Gog und Magog wegen ihrer biblischen 
			Autorität noch eine ganze Weile am Rand der Karten. Aber ihr Ende 
			war besiegelt. Unter den Ersten, die die Geschichte der von Alexander eingeschlossenen Völker anzweifelte, war der große 
			venezianische Kartograf Fra Maoro. Auf seiner Weltkarte aus dem 15. 
			Jahrhundert vermerkt der Mönch, dass es einen Volksglauben gebe, 
			der Gog und Magog mit eingeschlossenen Völkern jenseits des 
			Kaukasus identifiziere. 'Aber ich glaube das nicht.' 
			
			Gog und Magog auf den Mappae riefen 
			Ängste hervor - aber das gute Ende war stets gewiss. Durch die 
			Benennung des unbekannten Schreckens mit den Namen der vertrauten 
			Schreckensmänner war die Gefahr eingemeindet, in den christlichen 
			Heilsplan aufgenommen. Von diesem Manöver zehrt die Ideologie der 
			Feinderklärung bis in unsere Tage." 
  
			[Christian Semler in der Samstag/Sonntagausgabe der taz 
			vom 18./19. Juli 2009]  
			
			"Die Ebstorfer Weltkarte, 
			um 1300 entstanden, 
			ist ein beeindruckendes Zeugnis christlicher Weltsicht -
			Paradies und Ungeheuer inklusive" 
			
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			=> 
            Ebstorfer Weltkarte
            3: Forchheim
            / 'Francia orientalis' 
             => 
            
			Die Ebstorfer Weltkarte, Spiegel des mittelalterlichen Weltbildes
            [=> 
			Uni
            Lüneburg]
             
			
			
			=>
             Weiter zu 
			einer  
					Bildergalerie (1) 
			
			
			    
			Abb. 1  
			
			
			Neue Digitalisierung (nach Hartmut Kugler: 
			4,6 M 
			
			 
			       Abb. 2 
			
			Hier ist Osten oben! 
			
			
			 
            
            
            
			    
			Abb. 3 Der
            Osten vom Indus bis zum Weltmeer (Ausschnitt) 
            Im
            oberen Bereich, 
			links
            vom Kopf Christi: Das Paradies
             
			und 
			die vier Weltströme        
            => noch
            größer  [~ 640 kB] 
            [aus B. Hahn-Wöhrle, Ebstorfer Weltkarte, S. 49, Abb. 31] 
			  
			
					
					       Abb. 
					4 
			
			Das Herzstück im Zentrum 
					der Ebstorfer Weltkarte:  
					Jerusalem und seine 
					Umgebung 
  
			
			
			 
					
					
					        
			Abb. 5 
            
			Von Alexander eingesperrt wurden die 
					Völker  
			Gog und Magog. Sie essen Menschenfleisch und  
			trinken 
					Blut.
					Darunter das Kaspische Meer zu sehen. 
			
			   
			 
			
			
			     
			Abb. 6  =>
			
			größer: 4,0 MB! 
			
			Die Ebstorfer Weltkarte der Euphania  
			Universität Lüneburg
			aus ihrem
			Internetauftritt
			 
			Auf der oberen Hälfte liegt Asien, Europa links 
			unten,  
			Afrika rechts. Und der Kopf Christi wacht über allem.     
			                                           
                                                                             
  
			
			
			
			         Abb. 7 
			
			 
			Bethlehem mit Ochs und Esel  
			('sie erkannten die Krippe ihres Herren' - Jes.1,3),  
			darüber Jericho, darunter Bersabia,
			 
			'wo Abraham wohnte'  
			
			  
			 
			
			
			     
			Abb. 8  =>
			
			größer: 4,0 MB! 
			
			Die Ebstorfer Weltkarte der Euphania  
			Universität Lüneburg
			aus ihrem
			Internetauftritt 
			
			  
			
			
			=>
			
			 Zum 'MONSTER'-Artikel im originalen 
			Layout 
			        -
			
			Seite 1  - 
			Seite 2 
   
			
			
			 
			=>  
            Forchheim
            und die 'Francia orientalis':  [Ebstorfer
            Weltkarte -3-]
             
			
			=>  
			
			Link zu einem Webalbum unter PICASA [Dieter Schmudlach] 
			 
			=>  
            Die Ebstorfer Weltkarte                              
			[Lexikon Wikipedia]
             
             
			
			
			=>  
            Hintergrundinformationen zur Karte      
			  [Projekt der Universität Lüneburg] 
			
			      
			
			
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            im Landschaftsmuseum]  | 
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