[Frühere Funde in der Flur
Kapellenäcker]
1954
wurden von Arbeitern beim Ausbau der Straße zwischen Iffelsdorf und
Untersteinbach direkt an der Kante der untersten
überschwemmungsfreien Naabterrasse drei frühmittelalterliche Gefäße
des entdeckt (Abb. 1.1-2), von denen zwei erhalten blieben und 1960
vom Museum der Stadt Regensburg erworben wurden. 1973 barg
Kreisheimatpfleger Ernst Thomann (Nabburg) noch einmal aus dem
Ackerhumus Bruchstücke eines durch den Pflug bereits beschädigten
Topfes (Abb. 1.3), der heute im Museum Nabburg aufbewahrt wird
(Thomann 1975).
Die Fundstelle in der Flur
Kapellenäcker liegt etwa 300 m südlich von Iffelsdorf am
Westufer der Naab ganz nahe der Kante der ersten
überschwemmungsfreien Terrasse am Nordfuß des markanten Eixlberges
mit seiner bekannten Wallfahrtskirche. Das intensiv
landwirtschaftlich genutzte Gelände steigt nach Westen leicht an, wo
an einer heute modern gefaßten wasserreichen Quelle zwischen alten
Linden eine Flurkapelle steht, deren älteste Bauteile wohl
spätestens aus dem Barock stammen.
[Viele Steingeräte - wenig Keramik]
In der Vergangenheit
wurden hier von Kreisheimatpfleger Ernst Thomann (Nabburg) und in
jüngster Zeit von Kurt Engelhart (Nabburg) zahlreiche Steingeräte
des Mesolithikums, Gefäßreste der Bronzezeit und 1970 ein
jungsteinzeitliches Steinbeil aufgelesen. Frühmittelalterliche
Scherben liegen dagegen bislang - von den drei erwähnten Gefäßen
abgesehen - nur in verschwindend geringer Anzahl vor. Häufiger sind
dagegen kleine Scherben des späten Mittelalters sowie der Neuzeit,
die mit dem Mist auf den Acker gelangten. Da beim Straßenbau in den
1950erjahren keine Siedlungsspuren beobachtet wurden, war
anzunehmen, daß die drei vollständigen bzw. vollständig ergänzbaren
Gefäße, obwohl Skelettteile nicht überliefert waren, zu Gräbern
gehörten. Deren Ton- und Oberflächenbeschaffenheit sowie Form haben
sehr gute Analogien in der slawischen Keramik der mittleren
Oberpfalz, etwa von der Siedlung bei Dietstätt (Losert 2009) oder
der Siedlung unter dem ehemaligen Wasserschloß zu Pfreimd (Lohwasser
2008) und gehören in das 7. und 8. Jahrhundert.
[Die Lehrgrabung im September 2011]
Da die Vermutung bestand, dass intensive landwirtschaftliche Nutzung
die offenbar nicht allzu tief liegenden Befunde zunehmend gefährden,
wurde im September 2011 eine auf drei Wochen beschränkte Prospektion
durchgeführt, die klären sollte, in welchen Zusammenhang die Gefäße
gehören. Die Untersuchung fand im Rahmen einer Lehrgrabung für
Studierende der Universitäten Bamberg und Wien des
österreichisch-deutschen Forschungsprojektes Die Oberpfalz und
ihre Nachbarregionen im frühen und hohen Mittelalter des
Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien (Erik
Szameit) und des Bamberger Lehrstuhls für Archäologie des
Mittelalters und der Neuzeit (Hans Losert) statt.
Insgesamt wurde parallel
zur Straße ohne Einsatz von Maschinen eine Fläche von etwa 170 m²
aufgedeckt. Der vermeintlich anstehende Sandboden mit Kiesen war
stellenweise in 20-25 cm erreicht, Bodenverfärbungen zeichneten sich
vor allem bei feuchter Witterung recht gut ab. Schon am zweiten
Grabungstag kam in nur 20 cm! Tiefe direkt am Ackerrand ein aufrecht
im Sand stehendes Gefäß (Abb. 2) mit unscheinbarem Achsabdruck und
zwei Wellenbändern auf der Schulter zum Vorschein, ohne dass dieses
einem deutlichen Befund zuordenbar gewesen wäre. Es waren allenfalls
im Profil amorphe Umrisse einer flachen Grube zu erkennen. Ähnlich
verhielt es sich mit dem zweiten Topf (Abb. 3) ähnlicher Größe mit
deutlichem Achsabdruck und drei Reihen von Wellenlinien zwischen
Horizontalriefen auf der Schulter und zwei weiteren Wellenlinien auf
dem Rand und der Innenseite der Mündung. Hier war allerdings der
Randbereich durch den Pflug bereits geringfügig zerstört. Erst das
dritte Gefäß (Abb. 4), ebenfalls mit Achsabdruck und zwei
Wellenlinien auf der Schulter, konnte einer im Planum deutlicher
erkennbaren flachen Mulde zugeordnet werden. Offenbar kam der Topf
schon in zwei Teile zerbrochen und nicht mehr ganz vollständig in
die Grube, eine Störung durch den Pflug lag hier jedoch nicht vor.
Gleiches gilt für zwei weitere Gefäßreste. Ein Topf (Abb. 5) mit
einem Wellenband auf Schulter und Bauch sowie großem flachem
Achsabdruck wurde bei Anlage einer jüngeren Grube zu etwa zwei
Dritteln in unbekannter Zeit entnommen, ein weiterer (Abb. 6) mit
einem Wellenband über Horizontalriefen auf der Schulter geriet schon
unvollständig in die Grube. Gemeinsam ist allen Gefäßen, dass ein
Zusammenhang mit Bestattungen bzw. Umrisse von Grabgruben zunächst
nicht erkennbar waren. Funde und Befunde blieben also vorerst
rätselhaft, zumal in einigen Flächen zwar zahlreiche Gruben in den
Sand eingetieft waren, die teils eindeutig zu Pfosten gehörten, aber
für eine Siedlung eindeutig zu wenige Funde enthielten.
[Befunde und Funde]
Unter der flachen Mulde, in der das dritte Gefäß angetroffen wurde,
kamen bei der Dokumentation einer darunter liegenden Grube
schließlich Funde zutage, die einer ersten Bestattung zuzuweisen
waren. Das Skelett war abgesehen von den Milchzähnen eines etwa vier
Jahre alten Individuums vergangen, neun Glasperlen (Abb. 7) weisen
das zusätzlich mit einem Messer ausgestattete Kind als Mädchen aus.
Bemerkenswert ist, dass sich erst unterhalb der Mulde mit dem Gefäß
die west-ost orientierte Grabgrube abzeichnete. Etwa 2 m entfernt
lag parallel dazu im Norden in etwas geringerer Tiefe ein weiteres
wohl etwa gleichaltriges Kind mit einem Messer (Grab 2), auch hier
waren vom Zahnschmelz der Milchzähne abgesehen keine Skelettreste
erhalten. Eine zugehörige Grabgrube war nicht zu erkennen. Es wurde
deutlich, dass zumindest im Bereich der Gräber 1 und 2 der hier
zunächst als natürlich anstehend erachtete Sand mit den deponierten
Tongefäßen Bestattungen überlagerte. Dies gilt auch für ein Grab 3
etwa 1,5 m südlich von Grab 1, wo sich zumindest Reste der
Röhrenknochen erhielten. Mangels Zeit konnte die Bestattung
allerdings nicht mehr freigelegt werden. Insgesamt sind die
Erhaltungsbedingungen für Knochen hier offenbar recht schlecht, was
den Umstand erklären dürfte, dass bei den Straßenbauarbeiten 1955
keine Skelettreste beobachtet wurden. Auch im etwa 30 m entfernten
Grab 4 in Schnitt 7 am Südwestrand der prospektierten Fläche waren
lediglich der Schmelz von Milchzähnen erhalten. 15 Glasperlen (Abb.
8) und ein Messer belegen, das hier ebenfalls ein sehr junges
Mädchen beigesetzt wurde. Auch in dieser Fläche zeichneten sich im
ersten Planum mehrere Gruben mit wenigen vorgeschichtlichen und
frühmittelalterlichen Scherben ab, die Bestattung lag jedoch unter
diesem Horizont. Unmittelbar unter dem Pflughorizont liegt also auch
hier eine Sandschicht, in die stellenweise in bemerkenswerter Dichte
Pfosten und Gruben eingetieft wurden. Erst darunter zeichnen sich
Bestattungen mehr oder weniger deutlich ab.
[Versuch einer Deutung: Gefäße mit Getränken oder Speisen]
Die Lage der neu
entdeckten Nekropole an einem sanft geneigten Hang direkt an einer
überschwemmungsfreien Naabterrasse in unmittelbarer Nähe einer
Quelle ist sicher auf bewusst gewählt. Der zeitliche Abstand
zwischen Grablege und Deponierung der Tongefäße kann nicht groß
gewesen sein. Die Perlen wie auch Gefäße entsprechen ganz allgemein
dem Spektrum frühmittelalterlicher Grabfunde der mittleren
Oberpfalz, die erstmals Armin Stroh 1954 vorstellte. Eine Deutung
der die Gräber überlagernden Sandschicht im Sinne von Hangerrosion,
verursacht etwa durch intensive landwirtschaftliche Nutzung oder
vollständige Rodung des Bereiches oberhalb der dokumentierten
Bestattungen schon während der Nutzung des Bestattungsplatzes im
frühen Mittelalter ist kaum anzunehmen, zumal die Hangneigung sehr
gering ist. Auch Überflutung des Geländes durch ein extremes
Hochwasser der Naab mit starker Sedimentation ist wegen der
Höhendifferenz zum heutigen Wasserspiegel undenkbar. Beim
derzeitigen Kenntnisstand ist daher am ehesten anzunehmen, dass die
Gräber mit heute nicht mehr sichtbaren flachen Einzelhügeln oder
mehrere Bestattungen mit einem Hügel überschüttet wurden. Kurz
darauf - oder zumindest in einer Zeitspanne, als noch eine deutliche
bzw. intensive Erinnerung an die Verstorbenen bestand - wurden in
den Hügeln Pfosten eingeschlagen und in Nähe oder über den
Bestattungen Gefäße, vielleicht mit Getränken oder Speisen,
deponiert bzw. geopfert. Trifft diese Vermutung zu, so lägen hier
Praktiken vor, wie sie im wohl 918 in Würzburg abgefaßten
sogenannten Slawensendrecht für die Main- und Regnitzwenden
beschrieben werden (Kahl
2006, 2007). Mit teils drastischer Strafe bedroht werden
unter anderem - qui idolothita, quod trebo dicitur, vel obtulerit
aut manducauerit (wer Götzenopfer, was man trebo nennt,
entweder darbringt oder ißt) - aut qui mortuos non in atrio
ecclesiae, sed ad tumulos, quos dicimus more gentilium hougir,
sepelierit (oder wer Tote nicht auf dem Friedhof einer Kirche
bestattet, sondern bei Hügeln, die wir nach der Weise der Heiden
hougir nennen).
Ob auch die in einigen
Flächen gehäuft auftretenden Pfostengruben (Abb. 9) im Zusammenhang
mit Äußerungen des alten Glaubens stehen - bei einigen wenigen
könnte es sich um eine Kennzeichnung von Bestattungen handeln -
werden erst weitere Untersuchungen klären. Die Grabungen werden
daher 2012 fortgesetzt.
Literatur
Kahl,
Hans-Dietrich 2006a: Das erloschene Slawentum des Obermaingebietes
und sein vorchristlicher Opferbrauch (trebo) im Spiegel eines
mutmaßlich würzburgischen Synodalbeschlusses aus dem 10.
Jahrhundert. Archiv für Geschichte von Oberfranken. 86. Band: 7-40.
Bayreuth.
Kahl,
Hans-Dietrich 2007: Das Würzburger Sondersendrecht für
christianisierte Slawen und sonstige Nichtfranken. Ein Rechtstext
aus der Zeit König Konrads I (918?). Einführung, Edition und
deutsche Übersetzung. Archiv für Geschichte von Oberfranken. 87.
Band: 7-32. Bayreuth.
Lohwasser,
Cornelia 2008: 1200 Jahre auf 120 Quadratmetern.
Frühmittelalterliche bis neuzeitliche archäologische Zeugnisse unter
dem ehemaligen Pfreimder Wasserschloß. Landkreis Schwandorf,
Oberpfalz. Otnant-Gesellschaft für Geschichte und Kultur in der
Euregio Egrensis in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für
Denkmalpflege. Archäologische Beiträge zur Siedlungsgeschichte 2.
Pressath, Weiden.
Losert, Hans
2009: Moinvinidi, Radanzvinidi und Nabavinidi. Geschichte und
Archäologie der Slawen in Bayern. In:
Biermann, Felix,
Kersting, Thomas und
Klammt, Anne (Hrsg.):
Siedlungsstrukturen und Burgen im westslawischen Raum. Beiträge der
Sektion zur slawischen Frühgeschichte der 17. Jahrestagung des
Mittel- und Ostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Halle
an der Saale, 19. bis 21. März 2007. Beiträge zur Ur- und
Frühgeschichte Mitteleuropas 52: 219-294. Langenweißbach.
Stroh, Armin
1954: Die Reihengräber der karolingisch-ottonischen Zeit in der
Oberpfalz. Materialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte. Heft 4.
Kallmünz/Opf.
Thomann,
Ernst 1975: Karolingisches Gefäß bei Iffelsdorf. Oberpfälzer Heimat.
Beiträge zur Heimatkunde der Oberpfalz. 19. Band: 90-92. Weiden.
Herrn Dr. Hans Losert (Bamberger
Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit)
ist für die Überlassung des vorläufigen Berichtes und der Fotos
herzlich zu danken.
[Zwischenüberschriften von D. Sch.]
13
Iffelsdorf-Kapellenacker 2011: Abb. 9 - Schnitt 14 mit
Pfostengruben
=>
Alladorf Grab 182: Heidnische Bräuche
=>
Keramik aus einer Wüstung
bei Dietstätt
=>
Slawische Keramik aus Pfreimd
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Waffen und Gold
Die Kampagnen 2014
und 2015
=> Keramik aus einer Wüstung
bei Dietstätt
=>
Alladorf Grab 182: Heidnische Bräuche
1
Iffelsdorf: 1.1_2 Frühmittelalterliche Gefäße von 1954
2
3
Iffelsdorf: 1.3
Frühslawische Keramik (Thomann 1975)
4
Iffelsdorf 2011: Abb. 2 - Schnitt 1, Gefäß 1 in situ
5
Iffelsdorf 2011: Abb. 2.2
6
Iffelsdorf 2011: Schnitt 13a, Gefäß 2
7
Iffelsdorf 2011: Abb. 3.2 (mit Achsabdruck)
8
Iffelsdorf 2011: Abb. 4 (mit Achsabdruck)
9
Iffelsdorf 2011: Abb. 5
10
Iffelsdorf 2011: Abb. 6
11
Iffelsdorf 2011: Grab 1
12
Iffelsdorf 2011: Grab
4
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