Archäologisches Lexikon
Slawische Keramik aus der Oberpfalz
aus einer frühmittelalterlichen Wüstung bei Dietstätt

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Eine Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt in der mittleren Oberpfalz [Hans Losert]

[Entdeckung des Fundplatzes]
1985 entdeckte Heinrich Schwarz, Ortsheimatpfleger in Altfalter, auf der Flur Meßhof Zeil (Flurnummer 550) 340m nordnordwestlich von Dietstätt, Gde. Schwarzach bei Nabburg, Lkr. Schwandorf (Abb. 9,4), Tonscherben des Mittelalters sowie in geringerer Anzahl auch der Vorgeschichte [1]. Eine archäologische Prospektion am 19. Oktober 1990 bestätigte das Vorhandensein einer mittelalterlichen Wüstung, doch konnten wegen zu starken maschinellen Erdabtrags keine Befunde beobachtet werden.

[Archäologische Untersuchungen in der Oberpfalz]
Die frühesten dokumentierten archäologischen Untersuchungen in der mittleren und nördlichen Oberpfalz fanden im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert statt. Für die Zeit vorbildlich und lange ohne Nachfolge waren Ausgrabungen durch Major Adalbert Neischl (1912) von 1908-1910 im Bereich der Burg auf dem Rauhen Kulm bei Neustadt am Kulm (Abb. 9,17), die neben vorgeschichtlichen Funden frühmittelalterliche Scherben und Eisenobjekte zu Tage förderten. Während spätestmerowinger- und karolingerzeitliche Grabkeramik der mittleren und nördlichen Oberpfalz seit der Studie von Armin Stroh (1954) bekannt war, fehlten bis in die jüngere Vergangenheit im Gegensatz zu Regensburg und dessen Umland (Dannheimer 1973,13-16; Taf. 1-6; Schwarz, K. 1977, Abb. 33-36; 42-43; Wintergerst, E. 1991; siehe auch Beitrag hier; Wintergerst, M. 1999) publizierte Siedlungsfunde des 7.-10. Jahrhunderts weitgehend. Ausnahmen waren Burglengenfeld (Stroh 1983), Cham (Dannheimer 1973,16-19; Taf. 7-15) oder einige Stellen in und umNabburg (Stroh 1954, Taf. 16; 14-19; Thomann 1970, 44-53; 1997). Eine Grabung im Sommer 2001 unter dem ehemaligen Schloß von Pfreimd mit Siedlungsschichten des 7./8. Jahrhunderts (Lohwasser & Losert 2002) sowie Sammeltätigkeit ehrenamtlicher Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege im Naabtal und dessen Umland, die mittlerweile zur Entdeckung zahlreicher neuer Plätze mit einschlägigem Material führte, haben den Forschungsstand deutlich verbessert. Dazu kommen die jetzt vorliegenden Ergebnisse der umfangreichen Untersuchungen in den ins frühe Mittelalter zurückreichenden Burgen von Oberammerthal (Ettel 2001) und Sulzbach (Hensch 2002) im Nordwesten der Oberpfalz sowie eine neue Arbeit über karolingerzeitliche Grabfunde in Nordbayern (Pöllath 2002). Früh- bis hochmittelalterliche Keramik der mittleren Oberpfalz läßt sich, teils in Anlehnung an Untersuchungen für Oberfranken (Losert 1993a), nach Herstellungsart, Ton- und Oberflächenbeschaffenheit, Art, Größe, Anteil, Verteilung und Erscheinungsform der Magerung, Farbe sowie Brandart in verschiedene Warenarten gliedern und ethnisch differenzieren. Abweichend von den Verhältnissen in Oberfranken und kennzeichnend für die mittlere und nördliche Oberpfalz ist der fast immer vorhandene, wenn auch uneinheitliche Glimmeranteil.

[Kennzeichen slawischer Keramik]
Ein Teil der überwiegend slawischen grob gemagerten Keramik (Warenart 1; Losert 1993a, 28-29) wurde aufgewülstet und auch am Rand in recht grober Form bei uneinheitlichem Profil sowie manchmal unregelmäßig geformter Mündung belassen (Abb. 1). Kennzeichen sind unregelmäßige Glättriefen, uneinheitliche Wandungsstärke und Druckspuren vom Ausformen auch unmittelbar am Rand. Etwa ebenso häufig wurden die Gefäße aufgewülstet und im Rand- bis Schulterbereich unterschiedlich sorgfältig nachgearbeitet bzw. nachgedreht (Abb. 2). Unterhalb der Horizontalriefen in den oberen Gefäßpartien finden sich auch an nachgedrehter Ware innen und außen verschieden deutliche Fingerdruckspuren vom freien Ausformen sowie regellose Glättriefen. Verwendung einer Handtöpferscheibe belegen fast allein auf slawische Keramik beschränkte runde, meist eingedrückte (Abb. 5,17-20) und seltener erhabene (Abb. 5,21) Achsabdrücke auf der Standfläche. Gegenüber anderen Warenarten sind die Scherben, besonders Bodenstücke, recht dickwandig und schwer. Grobe, oft ungleichmäßig verteilte und auch an der Oberfläche sichtbare Quarzsandkörner, teils mit Durchmessern über 5mm, sind auffallendstes Merkmal. Weiter waren im Rohstoff in geringerem Maße Glimmer und andere Materialien enthalten. Es kommt jedoch auch Keramik vor, die ganz der oberfränkischen grob gemagerten Ware mit ihren Varianten la und 1b entspricht. Im Bruch erscheinen die Scherben kantig porös. Während des Brennvorgangs gab es oft Wechsel zwischen oxydierendem und reduzierendem Brand, so daß die Farbe an einem Gefäß von hellem ocker bis schwarz differieren kann, wobei Erdfarben deutlich überwiegen. Im Bruch sind verschiedene Grauschattierungen am häufigsten, der Scherben erscheint oft gemantelt. Im Unterschied zu gleichzeitiger germanischer ist slawische Keramik sehr häufig verziert. Es überwiegen zickzackartige Schraffuren (Abb. 3,1-15) und einzelne oder mehrfache Wellenbänder (Abb. 3,15-26; 4,1-23.25), teils in Kombination mit Horizontalriefen. Wellenlinien (Abb. 4,22.24), Einstiche mit einem mehrzinkigen Gegenstand (Abb. 4,25.26) oder kompliziertere Motive (Abb. 4,23) sind seltener. Schraffuren und vor allem unterbrochene zickzackartige Dekore sind typologisch älter als echte Wellenbänder, die geübteren Umgang mit der Handtöpferscheibe erfordern. Keramik mit Wellenbändern geht letztendlich wohl auf spätantik-romanische Vorbilder zurück. Dennoch ist bei derartigen Verzierungen, aber auch komplizierteren Mustern, Schraffuren und Stempeldekoren, ein Zusammenhang mit jüngermerowingerzeitlicher germanischer Ware nicht auszuschließen [2].


[1] Herrn Heinrich Schwarz, der mich kontinuierlich über Neufunde informierte, sei für deren Bereitstellung herzlich gedankt. Dank seiner fortwährenden Sammeltätigkeit handelt es sich mittlerweile um den größten Bestand früh- bis hochmittelalterlicher Lesescherben aus der Oberpfalz nördlich der Donau, aufgenommen wurden hier bis zum Frühjahr 2002 geborgene Objekte, einschließlich die der Untersuchung von 1990 (Abb. 1,1.14; 2,11; 3,10.13.24.25; 4,2.5.11.13.17; 5,7.9; 6,3.5.9.14.15.21; 7,14-16,19; 8,3.9.10).

[2] Siehe etwa das Gefäß in Grab 667 von Straubing-Bajuwarenstraße (Geisler 1998, Taf. 235, [667] 23) oder die Keramik in den Bestattungen 58, 85, 94, 195 und 294 von Kleinlangheim im östlichen Unterfranken (Pescheck 1996, Taf. 16,11; 20,13; 22,7; 46,17; 72,8; 86,17).


Einige Scherben (Abb. 6) entsprechen, abgesehen vom geringen Glimmeranteil, der oberfränkischen rauhwandigen Keramik (Warenart 2a; Losert 1993a, 30). Kennzeichnend ist bei insgesamt etwas feinerer Machart wieder recht grobe Magerung, doch ist diese oft nicht direkt sichtbar, sondern drückt von einer dünnen Tonschicht ummantelt als warzenförmige Erhebung außen durch. Die Unterschiede zur grob gemagerten Ware sind fließend, Herstellungstechnik, Dekore, Rand- und Gefäßformen weitgehend übereinstimmend.

[Goldglimmer - grobe Magerung - Achsabdrücke]
Die feinere, ausschließlich nachgedrehte Keramik gehört zur für weite Bereiche der Oberpfalz typischen Goldglimmerware (Abb. 7; 8,1-6). Der Ton enthält neben Goldglimmer feinen bis mittelgroben Quarzsand und fast immer einzelne große Magerungskörner. Der Scherben ist meist braun- bis dunkelgrau und im Bruch graubraun bis schwarz, der Brand war demnach überwiegend reduzierend. Auch hier sind, teils im Unterschied zu gleichzeitigen und jüngeren Vorkommen aus dem Regensburger Raum bzw. bairischen Siedlungsgebieten oder den Funden unter der Sulzbacher Burg, Verzierungen aus Wellen- und horizontalen Bändern, aber auch Wellenlinien sehr häufig. Anders als bei grob gemagerter und rauhwandiger Ware kommen aber Schraffuren oder unterbrochene Wellenbänder sowie Achsabdrücke am Boden nicht vor. Gegenüber der grob gemagerten und rauhwandigen Keramik machen diese Erzeugnisse einen einheitlicheren und fortgeschritteneren Eindruck.
Die angeführten Warenarten kennzeichnen unterschiedlich stark ausladende, abgerundete oder kantig abgestrichene Mündungsprofile, unterschnittene oder Ränder mit deutlichen Kehlungen auf der Innenseite zur Auflage von Deckeln fehlen. Am häufigsten sind wenig gegliederte hochschultrige Töpfe verschiedenster Größe, Schalen (Abb. 2,16.17) sind die Ausnahme. Die Mündung ist fast immer so weit, daß man mit der Hand ins Gefäß greifen kann. Die Proportionen auch der slawischen grob gemagerten Keramik unterscheiden sich wenig von gleichzeitiger bajuwarischer, ostalamannischer oder ostfränkischer Siedlungsware. Die Gefäße wurden übereinstimmend mäßig hart gebrannt, die Oberfläche ist mit einem Eisenmesser ritzbar. Ausnahmen sind wenige Bruchstücke mit organischer Magerung aus gehäckseltem Stroh (Warenart 6; Losert 1993a, 34) von dickwandigen ovalen oder rechteckigen Tonwannen (Abb. 8,7), die etwas weicher gebrannt wurden und deren Oberfläche gerade noch mit dem Fingernagel ritzbar ist. Die Form ist auf slawische Siedlungsgebiete beschränkt. Der einzige bis Sommer 2002 vorliegende Spinnwirtel (Abb. 8,8) von abgerundet doppelkonischem Querschnitt aus grob mit Quarzsand und wenig Glimmer gemagertem rotgrauem Ton ist auf der Oberseite mit runden Eindrücken verziert.

Ein sehr gut vergleichbarer Fundkomplex wurde 2001 unter dem ehemaligen Schloß von Pfreimd geborgen (Lohwasser & Losert 2002). Kalibrierte C-14 Daten aus den ältesten Siedlungsschichten (644-692 (68,1%) oder 617-776 (98,6%)) mit grob gemagerter, rauhwandiger und Goldglimmerware bieten eine vorzügliche Möglichkeit zur Datierung entsprechender Keramik an die Wende von der Merowinger- zur Karolingerzeit, was Funde aus Körpergräbern der mittleren Oberpfalz bestätigen. Grab 3 von Theuern (Stroh 1954,11; Taf. 17,22-25.27.32) enthielt neben einem grob gemagerten Topf mit Wellenbanddekor und Achsabdruck, einem Messer, Feuerstahl? und drei Pfeilspitzen einen Langsax. Letzterer und die Beigabenkombination Langsax, Messer, Pfeilspitzen haben gute Analogien in alamannischen und bajuwarischen Bestattungen des späten 7. Jahrhunderts und der Zeit um 700, etwa aus der Nekropole von Lauterhofen (Dannheimer 1968,19-20) im Nordwesten der Oberpfalz [3]. Aus zerstörten Gräbern von Burglengenfeld erhielt sich neben Breitsaxen (Stroh 1954, Taf. 5,17-23) der ersten beiden Drittel des 7. und Funden des 8. Jahrhunderts Keramik (Stroh 1954, Taf. 3,N.O; 5,46-54.60-62; 7,39.40), deren Spektrum den Lesefunden von Dietstätt völlig entspricht. Die Bestattungen 4, 34, 36 und 47 mit Gefäßbeigaben (Stroh 1954, Taf. 3,G; 6,U-W) vervollständigen dieses Bild. Ähnliche Funde stammen aus Eichelberg, Kallmünz, Krachenhausen, Luhe, Matzhausen oder Nabburg (Stroh 1954, Taf. 10-14; 16-17). Vergleichbare Siedlungskeramik der späten Merowinger-/bzw. frühen Karolingerzeit, darunter beträchtliche Reste einer Tonwanne und Webgewichte, aus Burglengenfeld stellte Stroh 1983 vor. Dazu kommen mittlerweile zahlreiche Lesescherben grob gemagerter slawischer Ware von verschiedenen Orten überwiegend im Bereich der Tallandschaften von Naab zwischen Luhe und Kallmünz sowie Schwarzach (Abb. 9) [4].

[Vergleich mit Keramik aus Oberfranken]
Neben Analogien in unmittelbarer Nachbarschaft und guten Vergleichsmöglichkeiten der vorgestellten grob gemagerten und rauhwandigen Ware mit Töpfereierzeugnissen aus Oberfranken bestehen in Machart, Form und Verzierung Gemeinsamkeiten mit Keramik aus dem südlichen Mitteldeutschland (Brachmann 1978; Krüger 1967; Timpel 1995), Böhmen (Bubenik 1988; Pleinarova 1965) [5] und Mähren (siehe etwa den zentralen Ort Bfeclav-Pohansko: Dostal 1975; Kalousek 1971, Machäcek 2002; Vignatiovä 1992), dem Norden, Osten und Südosten Österreichs (zuletzt Cech 2001; Muschal 2002), bis in den ostalpinen Raum (Gustin 2002, siehe auch Beitrag Pleterski). Diese Übereinstimmungen über weite Entfernungen kennzeichnen die germanisch-slawische Kontaktzone sowie beträchtliche Teile westslawischer Siedlung (allgemein dazu Herrmann, J. 1985; Losert 1993b; Poläcek 1995; Stana 1994), wobei natürlich rauhwandige und Goldglimmerware gleichermaßen bei Bajuwaren wie Slawen in Verwendung war und oft nur formale Kennzeichen eine ethnische Differenzierung erlauben.

[Weitere nichtkeramische Funde]
Von der Wüstung liegen bisher nur wenige Metallfunde vor. Zu nennen sind ein Eisenmesser mit gerader Schneide und zur Spitze leicht abknickendem Rücken (Abb. 8,10), eine in germanischen Gräbern der jüngeren Merowingerzeit häufig zu beobachtende Form, sowie eine ursprünglich zu einem Gürtel bzw. Riemen gehörige Doppelöse aus Bronze (Abb. 8,9) mit Analogien vorwiegend der zweiten Hälfte des 5. und ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts (Losert in Vorbereitung, Abb. 50,1-10; 72). Dazu kommen Bruchstücke zweier runder Handmahlsteine aus silber- und rötlichgrauem Granit (Abb. 8,11.12). Die glatte Oberseite mit deutlichen konzentrischen Reibespuren weist leichtes Gefälle zur zentralen Durchbohrung auf, die grob bearbeitete Rückseite ist leicht gewölbt. Weitere Granitbrocken von der Fundstelle gehörten ursprünglich ebenfalls zu Mahlsteinen, da dieses Gestein hier und auch in der näheren Umgebung nicht vorkommt. Die Wüstung liegt am Südwestrand eines etwa 1,5 km breiten, sich nach Nordwesten öffnenden Tales auf fast ebenem überschwemmungs-freiem Gelände, wobei der 1,5km weiter in die Schwarzach mündende Weidisbach unmittelbar nordöstlich des Dorfes Wasserversorgung gewährleistete. Einige Scherben der Urnenfelder-, Hallstatt- und Latènezeit belegen, daß der siedlungsgünstige Platz schon früher aufgesucht wurde.

[Zeitliche Einordnung - Ortsnamen]
Schlackenfunde zeugen von Eisenverarbeitung und Nutzung des hier anstehenden Rasenerzes, zahlreiche verziegelte Lehmbrocken stammen von Öfen. Das Dorf bestand nach Ausweis der Keramik vom 7.-9./10. Jahrhundert, die Gründe für dessen Aufgabe liegen im Dunkeln. In der schriftlichen Überlieferung des hohen Mittelalters kommt der Ort nicht vor, ein Zusammenhang mit dem erst in der Neuzeit gegründeten Weiler Dietstätt ist auszuschließen. Die zugehörige Nekropole ist unbekannt, so daß offen bleibt, ob die Bewohner zunächst ihre Toten verbrannten oder die Körperbestattung pflegten. Nachkaiserzeitliche Brandgräber wurden in der Oberpfalz zwar bisher nicht beobachtet, doch könnten einige vollständige frühslawische Gefäße des 7. Jahrhunderts aus Iffelsdorf (Abb. 9,6; Losert 1993b, Abb. 14,8; 15) für ein unerkannt zerstörtes Urnengräberfeld sprechen. Die Nekropolen von Burglengenfeld, Kallmünz, Nabburg oder Theuern (Stroh 1954, Pöllath 2002) belegen, daß ab um 700 in der mittleren Oberpfalz die Sitte der Körperbestattung üblich war. Die früheste Nachricht über einen Ort der mittleren Oberpfalz bezieht sich auf die Gründung des Klosters Chammünster um 736-740 durch den Baiernherzog Odilo (Reindel 198 la, 207; 224-225). Der Mittelpunkt des peripheren bairischen Siedlungsgebietes im Regental, etwa 40km ostsüdöstlich von Dietstätt in verkehrsgünstiger Lage zwischen Regensburg und Böhmen an der Cham-Further Senke (Kunstmann 1994), wurde dem Regensburger Abtbischof von St. Emmeran als Eigenkloster unterstellt und diente gleichermaßen dem Landesausbau im bairischen Nordwald wie der Slawenmission. Direkte archäologische Zeugnisse zur frühesten Slawenmission in dieser Region fehlen, die in den 1990er Jahren ausgegrabene Kirche auf dem Barbaraberg bei Kloster Speinshart (Heidenreich 1998) gehört schon etwas jüngerer Zeit an. Eine der ältesten mittelalterlichen Siedlungen in unmittelbarer Nachbarschaft der Wüstung ist nach onomastischen Überlegungen Perschen am Ostufer der Naab (Abb. 9,15). Der Ort wird 1122 erstmals als Perssin genannt und geht auf altslawisch *Berzjane - Leute am Ufer zurück (Schwarz, E. 1960,185; 232; 271), die Wiedergabe des altslawischen b- durch bairisch b- datiert dessen Entstehung vor 770/780, was einschlägiges Fundmaterial bestätigt. Hier entstand wohl noch im frühen Mittelalter ein kirchlicher Mittelpunkt, der seine besondere Stellung bis ins 18. Jahrhundert behielt. Für Pfreimd (Abb. 9,16; Lohwasser & Losert 2002; Losert 1993b, Abb. 14,9), ursprünglich eine wohl befestigte Siedlung auf einer Insel zwischen der Pfreimd und Naab, 1022/23 als Frimida und 1156 als Pfrimede bezeichnet (Schwarz, E. 1960,18), vermutet Kunstmann (1988,183; 188-189) sogar noch höheres Alter, die Deutung des slawischen Ortsnamens ist umstritten. Der im Diedenhofener Kapitular Karls des Großen von 805 zur Überwachung des Handels zwischen fränkischem Reich und Slawen bzw. Awaren genannte Zollort Premberga oder Breemberga (Premberg) am Westufer der Naab bei Burglengenfeld und die Nähe zu Regensburg, einem der wichtigsten Plätze Süddeutschlands, 805 ebenfalls als Zollort angeführt (Hübener 1989,257-258; 261-262; Abb. 7; 10; Stroh 1975, Karte 8), unterstreichen die besondere Bedeutung der mittleren Oberpfalz als slawisch-germanische Kontaktregion beim gemeinsamen Landesausbau im frühen Mittelalter. Die 929 erstmals genannte Burg Nabburg am Westufer der Naab gehört wohl auch in diesen Zusammenhang. Der ungeklärte Namen des Ortsteils in der Venedig direkt am Naabufer mit der bemerkenswerten romanischen Hallenkirche St. Nikolaus könnte von Wenden abzuleiten sein, erwogen wird aber auch Zusammenhang mit einer welschen Handelsniederlassung.
Schriftquellen zu Slawen in der mittleren Oberpfalz sind rar. 905 verschenkte König Ludwig das Kind eine Hufe an der Luhe, einem Flüßchen links in die Naab zwischen Pfreimd und Weiden, auf der ehemals der Slawe Grounkin lebte (Herrmann, E. 1965,190). Um 894-930 ist in Pfatter zwischen Regensburg und Straubing am Südufer der Donau ein unfreier Slawe namens Mauri überliefert (Herrmann, E. 1965,190-191) überliefert. Die Bezeichnung Naabwenden, erschlossen aus einer 863 erfolgten Schenkung der villa Nabawinida an das Kloster Niederaltaich (Herrmann, E. 1965, 124-125) durch Ludwig den Deutschen, ist erst verhältnismäßig spät überliefert.


[3] Einen ähnlichen Stellenwert besitzt der Topf mit Wellenbändern und Horizontalriefen in Grab 132 des späten 7. Jahrhunderts von Kleinlangheim (siehe Beitrag Losert bei Pescheck 1996, 78-81).
[4] Für die Überlassung einschlägigen Materials zur Bearbeitung aus der Umgebung von Nabburg und Pfreimd sei Herrn Kreisheimatpfleger Ernst Thomann (Nabburg) herzlich gedankt.
[5] Zu einer dichteren Besiedlung des Egerlandes kam es möglicherweise erst im 9./10. Jahrhundert (Hejna 1967; 1968; 1971).


Zusammen mit den von Stroh 1954 vorgestellten und neu hinzugekommenen Grabfunden der späten Merowinger- und Karolingerzeit (zuletzt Pöllath 2002) kennzeichnen Siedlungsrunde wie die hier vorgelegten das von Naabwenden [6] besiedelte Gebiet, ohne daß aber eine klare germanisch-slawische Grenze erkennbar wäre. Die Erforschung der Ethnogenese der Naabwenden und deren Verhältnisses zu den ostfränkischen und bajuwarischen sowie slawischen Nachbarn [7], also Beschäftigung mit Fragen, die Walter Sage (zuletzt ausführlich 1996,193-280) stets am Herzen lagen, ist lohnendes Ziel künftiger Arbeit [8].
Eine 2002 durchgeführte Lehrgrabung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien mit dem Verfasser bestätigte die hier formulierten Aussagen zur Beurteilung des Platzes [9]. Ein Wandstück rauh wandiger Drehscheibenware aus einer Töpferei des 7. Jahrhunderts in oder bei Regensburg (siehe Beitrag E. Wintergerst) in einer Grube mit frühslawischer Keramik ist bislang der einzige Beleg bajuwarischer Töpfereierzeugnisse. Im Sommer 2003 sollen die Untersuchungen, nunmehr als internationale Lehrgrabung der Universitäten Bamberg und Wien, fortgesetzt werden.


[6] Zu den Naabwenden in heimatkundlicher Sicht siehe Salzl 1990.
[7] Auffällig ist die entsprechende Bezeichnung nach einem Fluß bei den Main- und Regnitzwenden im Nordwesten (Abb. 9).
[8] Der Verfasser bereitet im Zusammenhang mit einem geplanten Projekt Die mittlere Oberpfalz und ihre Nachbarregionen im frühen Mittelalter. Ein internationales archäologisches Projekt der Universitäten Bamberg und Wien unter Assoziierung der Universität Brunn (Brno) und der Akademie der Wissenschaften zu Laibach (Ljubljana) eine Neubearbeitung der von Stroh 1954 publizierten Altfunde sowie der neuen Bestände vor.
[9] Ein gemeinsam mit Erik Szameit erstellter Bericht erscheint 2003 in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2002.

 

[Hans Losert: Eine Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt in der mittleren Oberpfalz. In: 
Aspekte der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Festschrift für Walter Sage, Bonn 2003, S. 279ff].

Summary
The article presents finds, mainly ceramics, from a deserted village (fig. 9,4) of unknown name near the valley of Naab about 40 km norm of Regensburg (Bavaria, administrative district Oberpfalz). The exclusively hand made pottery can be dividet into three groups. The grob gemagerte Keramik (flg. 1-5) with its characteristic rough surface and specific decorations as wave-bands and hatchings has analogies in West-Slavic regions from middle Germany over Bohemia, Moravia, Austria to the Eastern Alps. Comparable ceramic with a rough surface (rauhwandige Ware; fig. 6) and such with golden glimmer (Goldglimmerware; fig. 7; 8,1-6) is also known from Bajuwarian or East Franconian sites of early medieval times. A C-14 dated complex with identical forms from the near little town of Pfreimd (fig. 9,16) make it possible to date such finds in the 7th and 8th Century. The rural settlement in a region which was very important for contacts between the Carolingian empire and the Slaves existed from the 7th to the 9th/10th Century. An excavation together with the university of Vienna in summer 2002 confirmed the assumption that this settlement was part of the region which belonged to the West-Slavic tribe of the Naabwenden.

Literatur
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Pollath, Ralph 2002: Karolingerzeitliche Gräberfelder in Nordostbayem. Eine archäologisch-historische Interpretation mit der Vorlage der Ausgrabungen von K. Schwarz in Weismain und Thurnau-Alladorf. München, Scheßlitz.
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Sage, Walter (Hrsg.), Abels, Björn-Uwe und Ziichner, Christian 1996: Oberfranken in vor- und fruhgeschichtlicher Zeit. Bamberg. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage.
Salzl, Josef 1990: Die Slawen im Naabtal. Amberg.
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=> Slawische Keramik aus Pfreimd

 

Abb. 1. Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt, Frühmeßhof Zell,
Lkr. Schwandorf. 1-19 grob gewülstete, grob gemagerte slawische Keramik, überwiegend mit Glimmeranteilen. Breite von Nr. 6: ca. 10 cm.

 

    

Frühslawische Keramik aus Dietstätt:

 

 

Frühslawische Keramik aus Dietstätt:

 

Abb. 2. Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt, Frühmeßhof Zell,
Lkr. Schwandorf. 1-17 im Randbereich nachgedrehte, grob gemagerte slawische Keramik, überwiegend mit Glimmeranteilen. Breite von Nr. 1: ca. 5,4 cm.

 

 

 

 

Abb. 3. Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt, Frühmeßhof Zell,
Lkr. Schwandorf. 1-26 grob gemagerte slawische Keramik, überwiegend mit Glimmeranteilen. Breite von Nr. 25: ca. 6,2 cm.

 

 

 

 

Abb. 4. Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt, Frühmeßhof Zell,
Lkr. Schwandorf. 1-26 grob gemagerte slawische Keramik, überwiegend mit Glimmeranteilen. Breite von Nr. 23: ca. 4,8 cm.

 

 

 

 

Abb. 5. Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt, Frühmeßhof Zell,
Lkr. Schwandorf. 1-21 grob gemagerte slawische Keramik, überwiegend mit Glimmeranteilen. Breite von Nr. 19: ca. 4,6 cm.

 

 

 

 

Abb. 6. Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt, Frühmeßhof Zell,
Lkr. Schwandorf. 1-20 rauhwandige Keramik, überwiegend mit Glimmeranteilen; 1-4.6 gewülstet; 5.7-13.20 im Randbereich nachgedreht. Breite von Nr. 12: ca. 12 cm.

 

 

 

 

Abb. 7. Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt, Frühmeßhof Zell,
Lkr. Schwandorf. 1-22 im Randbereich nachgedrehte Goldglimmerware. Breite von Nr. 8: ca. 6,4 cm.

 

 

 

 

Abb. 8. Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt, Frühmeßhof Zell,
Lkr. Schwandorf. 1-6 Goldglimmerware; 7 Tonwanne mit organischer Magerung; 8 grob gemagerter Spinnwirtel; 9 Eisen Eisen; 10 Eisen Bronze; 11.12 Granit. Das Messer 10 ist 13,4 cm lang. Dm. von Nr. 11: 41,2 cm.

 

 

 

 

 

 

Abb. 9. 1-21 Fundorte slawischer Keramik in der Oberpfalz
             Orte des Diedenhofer Kapitulars von 805
             Königshöfe im bayerischen Nordgau: Lauterhofen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

=> Zur Lehrgrabung in Dietstätt 2002

=> Slawische Keramik aus Pfreimd

=> Abb. mit slawischer Keramik aus der Oberpfalz

       [Tafel 65 aus W. Menghin, Frühgeschichte Bayerns:
       Topf links hinten von Nabburg, Lkr. Schwandorf: 
       14,6 cm hoch - die beiden kleineren Töpfe von Kallmünz, 
       Lkr. Regensburg, Mitte: mit Bodenmarke von Nabburg]

 


      nach oben                     [home]                            Fotos: Hans Losert                                                     Dieter Schmudlach: 01.05.2007/14.09.2010