Archäologisches Lexikon
Slawische Keramik aus der Oberpfalz
aus einer frühmittelalterlichen Wüstung bei Dietstätt

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Österreichisch-deutsche Ausgrabungen in einer Wüstung des frühen Mittelalters bei Dietstätt, Gemeinde Schwarzach b. Nabburg, Landkreis Schwandorf, Oberpfalz

[Fundgeschichte - Anlass]
1985 entdeckte H. Schwarz, Ortsheimatpfleger in Altfalter, auf der Flur »Meßhof Zell« 340 m nordnordwestlich von Dietstätt Tonscherben des Mittelalters sowie in geringerer Anzahl auch der Vorgeschichte. Eine archäologische Prospektion im Jahr 1990 bestätigte das Vorhandensein einer mittelalterlichen Wüstung, doch konnten wegen zu starken maschinellen Erdabtrags keine Befunde beobachtet werden. Nachdem zu befürchten war, dass durch intensive landwirtschaftliche Tätigkeit die Siedlungsbefunde bald völlig zerstört sein würden, fand hier im Sommer 2002 eine vierwöchige Ausgrabung statt, bei der eine Fläche von mehr als 1000 m2 dokumentiert wurde. Die Durchführung wäre ohne tatkräftige finanzielle und organisatorische Unterstützung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, Dienststelle Regensburg, des Landkreises Schwandorf, der Universität Wien, der Grundbesitzer sowie privater Spender nicht möglich gewesen; allen Verantwortlichen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Die Untersuchung erfolgte im Rahmen einer Lehrgrabung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien und war Beginn eines internationalen Projekts: »Die mittlere Oberpfalz und ihre Nachbarregionen im frühen Mittelalter«, an dem mittelfristig Wissenschaftler und Studenten aus Deutschland, Österreich, Slowenien und der Tschechischen Republik beteiligt werden sollen.

[Topografie - Befunde]
Die Siedlung liegt am Südwestrand eines landwirtschaftlich intensiv genutzten, hier etwa l ,5 km breiten, sich nach Nordwesten zur Schwarzach hin öffnenden Tales auf fast ebenem überschwemmungsfreiem Gelände. Der heute begradigte, vor der Flurbereinigung in einer breiteren, feuchten Niederung mäandrierende Weidisbach gewährleistete unmittelbar nordöstlich des Dorfes die Wasserversorgung. Zur Sondierung wurden drei Schnitte angelegt, wobei der Ackerhorizont maschinell abgetragen wurde. Der anstehende Sandboden mit geringen Kiesanteilen und einzelnen größeren Eisensandsteinen war überall in etwa 0,5 m Tiefe erreicht. Darüber liegt eine recht homogene Kulturschicht von 0,1-0,2 m Stärke, die vielerorts im oberen Bereich schon der Pflug beeinträchtigt hatte. Im anstehenden Boden zeichneten sich anthropogene Veränderungen verschieden deutlich ab. Insgesamt wiesen die gegenüber frühmittelalterlichen Befunden selteneren vorgeschichtlichen Gruben eine hellere Farbe auf. An manchen Stellen waren diese von einer sterilen Schicht aus dem anstehenden Boden ähnelndem Material überdeckt, sodass man sie im ersten Planum nicht oder kaum erkennen konnte. Die mittelalterlichen Befunde zeichneten sich dagegen wesentlich deutlicher ab. Die zahlreichen Pfostengruben, meist mit Durchmessern von 0,2-0,5 m, lagen zwar gelegentlich in Reihen, eine Ergänzung zu ebenerdigen Pfostenhäusern ist bislang aber nicht möglich. Auch wenn durch landwirtschaftliche Nutzung in den letzten Jahren bereits ein Teil der Befunde zerstört worden sein dürfte und hier auch Blockbauten gestanden haben könnten, die im Boden kaum Spuren hinterließen, fällt auf, dass Funde und Befunde über eine weite Fläche streuen; von dichter Bebauung kann sicher nicht die Rede sein. Zu den markantesten Befunden gehörte eine große, bis auf den Sandstein eingetiefte Grube mit sehr wenig Keramik des 7./8. Jahrhunderts, in die nachträglich eine dichte Steinpackung eingebracht wurde. Zahlreiche verziegelte Lehmstücke, häufig mit glatt gestrichener Außenseite und Holzkohlebrocken weisen die ovale Struktur (Länge 2,2 m, Breite 1,1m) als ursprünglich vielleicht überwölbten Ofen aus. Da hier keinerlei Metallspuren vorlagen, ist ein Zusammenhang mit Eisenverarbeitung auszuschließen. Es handelt sich entweder um einen großen Backofen oder um eine Getreide- bzw. Flachsdarre. Ähnliche Befunde stammen etwa von der bajuwarischen Siedlung von Zuchering bei Ingolstadt. Auf der Sohle einer kleinen Grubenhütte (Länge 3 m, Breite 2,6 m) befand sich eine dichte Steinlage, jedoch enthielt die tiefschwarze Verfüllung mit frühslawischer Keramik keine Reste verziegelten Lehms. An einer Stelle bestand Verbindung zu einer- direkt benachbarten Grubenhütte entsprechender Zeitstellung, die aber wegen Zeitmangel nicht vollständig freigelegt werden konnte. Zwei etwa Nord-Süd orientierte längliche Gruben (Länge der größeren 5,5 m, Breite etwa 1,2 m) unbekannter Zweckbestimmung, aber mit guten Analogien im großmährischen Zentrum von Bfeclav-Pohansko in Südmähren enthielten ebenfalls frühslawische Scherben.

[Grob gemagerte Keramik]
In einer dieser Eintiefungen lag ein unverziertes Wandstück eines auf der Drehscheibe hergestellten Gefäßes. Es ist dies hier bisher der einzige Nachweis von Import rauwandiger bajuwarischer Keramik der jüngeren Merowingerzeit, wie sie mittlerweile von einer ganzen Reihe von Plätzen in und um Regensburg vorliegt. Sonst entspricht das Spektrum an Formen und Warenarten völlig dem aus den ältesten Siedlungsschichten unter dem ehemaligen Wasserschloss zu Pfreimd, das im letzten Band dieser Zeitschrift vorgestellt wurde. Es handelt sich um im Randbereich teils nachgedrehte, überwiegend grob gemagerte und rauwandige Keramik sowie Goldglimmerware (Abb. 101,2-13). Verzierungen aus zickzack- und girlandenartigen Mustern, Schraffuren und Wellenbändern (Abb. 101,4-9) sind sehr häufig und weisen vor allem die grob gemagerte Ware als slawisch bzw. naabwendisch aus. Die Böden, teils mit Achsabdrücken (Abb. 101,13), sind sehr dickwandig. Dazu kommen wenige Bruchstücke von etwas weicher gebrannten ovalen oder rechteckigen Tonwannen (Abb. 101,12) mit organischer Magerung aus Stroh. Die Form ist auf slawische Siedlungsgebiete beschränkt.
Einige Spinnwirtel belegen Textilverarbeitung. Für die 2001 unter dem ehemaligen Schloss von Pfreimd dokumentierten frühesten Siedlungsschichten bieten mittlerweile kalibrierte 14C-Daten (644-692 [68,1 %] oder 617-776 [98,6 %]) eine vorzügliche Möglichkeit zur Datierung entsprechender Keramik an die Wende von der Merowinger- zur Karolingerzeit, was Funde aus Körpergräbern der mittleren Oberpfalz bestätigen. So enthielt Grab 3 von Kümmersbruck-Theuern, Lkr. Amberg-Sulzbach, neben einem grob gemagerten Topf mit Wellenbanddekor und Achsabdruck, einem Messer, einem Feuerstahl (?) und drei Pfeilspitzen einen Langsax der Zeit um oder kurz nach 700. Von der Wüstung lagen bisher nur sehr wenige Metallobjekte vor, und auch bei der Grabung war die Ausbeute extrem gering. Gleiches gilt für Knochen, die hier wegen schlechter Erhaltungsbedingungen im Fundgut so gut wie keine Rolle spielen. Dafür erhielten sich Bruchstücke von mehreren runden Handmahlsteinen aus silber- bis rötlichgrauem Granit, ein Gestein, das hier und in der näheren Umgebung nicht ansteht, sondern aus dem östlichen Grundgebirge importiert wurde. Die glatte Oberseite, stets mit deutlichen konzentrischen Reibespuren, weist leichtes Gefalle zur zentralen Durchbohrung auf, die grob bearbeitete Rückseite ist leicht gewölbt. Schlackenfunde und zwei Ofensäue zeugen von Eisenverarbeitung und Nutzung des am Ort anstehenden Rasenerzes, jedoch wurden bisher keine Rennfeuer- oder Schmiedeöfen festgestellt. Einige Scherben der Urnenfelder-, Hallstatt- und Latenezeit belegen, dass der siedlungsgünstige Platz schon früher aufgesucht wurde. Bemerkenswert ist das Bruchstück einer kleinen Tonplastik in Form einer Ente aus der Steinpackung der kleinen Grubenhütte l (Abb. 101,1), das wohl am ehesten in die Urnenfelder- oder Hallstattzeit datiert.

[Zur Datierung]
Das frühmittelalterliche Dorf bestand nach Ausweis der Keramik vom 7.-9. Jahrhundert, die Gründe für seine Aufgabe liegen im Dunkeln. In der schriftlichen Überlieferung des hohen Mittelalters kommt der Ort nicht vor, ein Zusammenhang mit dem Weiler Dietstätt ist auszuschließen. Die zugehörige Nekropole ist unbekannt, sodass offen bleibt, ob die Bewohner zunächst ihre Toten verbrannten oder die Körperbestattung pflegten. Die jüngsten Ausgrabungen in Pfreimd und der vorgestellten Wüstung belegen, dass die urkundlich erst verhältnismäßig spät überlieferten Naabwenden, erschlossen aus einer 863 erfolgten Schenkung der villa Nabawinida an das Kloster Niederaltaich durch Ludwig den Deutschen, sich bereits während der späten Merowingerzeit in den siedlungsgünstigen Tallandschaften der mittleren Oberpfalz niederließen. Die Klärung der Frage nach deren Verhältnis zu den benachbarten Bajuwaren können nur weitere archäologische Untersuchungen klären. Im Sommer 2003 sollen diese, nunmehr als Lehrgrabung der Universitäten Bamberg und Wien, fortgesetzt werden.

[H. Losert und E. Szameit: Österreichisch-deutsche Ausgrabungen in einer Wüstung des frühen Mittelalters bei Dietstätt, Gemeinde Schwarzach b Nabburg, Lkr. Schwandorf, Oberpfalz
in: Das Archäologische Jahr in Bayern 2002, S. 103, Abb. 101]]

Literatur
A. Stroh, Die Reihengräber der karolingisch-ottonischen Zeit in der Oberpfalz. Materialh. Bayer. Vorgesch. 4 (Kallmünz 1954).
N. Lohwasser/H. Losert, Frühmittelalterliche Siedlungsspuren unter dem ehemaligen Wasserschloss zu Pfreimd. Arch. Jahr Bayern 2001, 125 ff.
H. Losert, Eine Wüstung unbekannten Namens bei Dietstätt in der mittleren Oberpfalz. In: I. Ericsson/ H. Losert (Hrsg.), Aspekte der Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Festschr. W. Sage. Bamberger Schriften Archäologie Mittelalter und Neuzeit l (Bonn 2003) 279 ff.

=> Slawische Keramik aus Pfreimd

=> Gefäßdeponierungen im Friedhof bei Iffelsdorf

=> Keramik aus einer Wüstung bei Dietstätt
 

       Abb. 1

     Frühslawische Keramik: Lesefunde H. Schwarz


 

   Abb.2

      Frühslawische Keramik (Foto für Ausstellung in Zwiesel)

 

                     Abb. 3

    Dietstätt 2005: Keramik aus Brunnen - Schnitt 1

 

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Abb. 101: Dietstätt. Vorgeschichtliche (1) und frühmittelalterliche (2-13) Keramikfunde aus der frühmittelalterlichen Wüstung. 2-8.11.13 grob gemagerte Ware; 9.10 feintonige Ware; 12 Tonwanne mit geringer organischer Magerung; 8-10 im Randbereich nachgedreht; 13 Boden mit Achsabdruck. Maßstab 1 : 3. [Größte Breite von Scherben 13: ca. 15 cm]

[Das Archäologische Jahr in Bayern 2002, S. 103, Abb. 101]

 

 

 

Slawische Keramik aus der Oberpfalz

[Tafel 65 aus W. Menghin, Frühgeschichte Bayerns:
 Topf links hinten von Nabburg, Lkr. Schwandorf: 
 14,6 cm hoch - die beiden kleineren Töpfe von Kallmünz, 
  Lkr. Regensburg, Mitte: mit Bodenmarke von Nabburg]

 

=>  Gefäßdeponierungen im Friedhof bei Iffelsdorf

=> Keramik aus einer Wüstung bei Dietstätt

=> Slawische Keramik aus Pfreimd

 

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