"Archäologie ohne Grenzen"

   

Der Rauhe Kulm, die Flednitz und das Egerland 

Zur Sonderausstellung im Rathaus (alte Post) von Neustadt am Kulm
      vom 23. Juli 2010 bis 31. Oktober 2010              


"In den letzten Jahren fanden in der slawischen Siedlungskammer Flednitz - nach deren Wiederentdeckung durch Michael Neubauer und Bernd Thieser - eine Reihe interdisziplinärer Untersuchungen statt, die unsere Kenntnisse von der Siedlungsgeschichte in der nördlichen Oberpfalz beträchtlich erweiterten. Daran beteiligt waren unter anderen Archäologen, Schrifthistoriker, historische Geographen, Namensforscher, aber auch heimatverbundene Laien. Dabei wurde immer deutlicher, dass während des frühen und hohen Mittelalters im nordöstlich benachbarten Egerland vergleichbare historische Voraussetzungen herrschten, so dass die Idee geboren wurde, beide Regionen erstmals in einer Ausstellung vorzustellen, 

Seit 2004 finden auf dem Rauhen Kulm, dem natürlichen und administrativen Zentrum der Flednitz im Rahmen eines internationalen Forschungsprojektes der Universitäten Bamberg (Hans Losert, Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit) und Wien (Erik Szameit, Institut für Ur- und Frühgeschichte) Ausgrabungen statt. Erste Untersuchungen in den Jahren 1908-1910 durch Adalbert Neischl, vorgelegt in einer der frühesten archäologischen Monographien Nordbayerns, belegten, dass der Basaltkegel vom Neolithikum an immer wieder aufgesucht wurde und auch im frühen Mittelalter intensiv genutzt wurde.

Die neuen Untersuchungen galten zunächst der unteren Umwehrung, dessen Nordhälfte allerdings im späten 19. Jahrhundert bei Anlage einer Rampe zum Abtransport von Basalt für Straßen- und Schienenbau stark verändert und durch einen tiefen Steinbruch am Osthang zerstört wurde. Es zeigte sich, dass im Ringwall eine zweifrontige Trockenmauer steckt, an die auf der Innenseite eine durch Keramik ins 8. bis 10. Jahrhundert nach Christus datierte Kulturschicht stößt. Die frühmittelalterliche Hangmauer wurde dann um 900-950 durch eine mächtige Anschüttung von Basaltblöcken gegen die Vorderfront in einen breiten Wall umgewandelt, Die zeitliche Einordnung stützt die Beobachtung, dass in vorgelagerten, den Weg zum Osttor begleitenden bogenförmigen Terrassen gestaffelte Annäherungshindernisse stecken, wie sie typisch für Befestigungen der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts gegen die Ungarn sind.

Seit 2008 fanden auch Grabungen an der oberen Umwehrung der Akropolis statt. Nach Beseitigung des seit den 1960erjahren stark verdichteten Unterholzes zeigte sich, dass hier recht komplizierte Befunde vorliegen, die wohl zu mehrfach gestaffelten Torkammern des 9. bis 10. nachchristlichen Jahrhunderts gehören. Auch dort steckt im Ringwall eine zweifrontige Mauer. Das Fundgut entspricht weitgehend dem der Unterburg. Anders als dort liegen hier aber auch Gegenstände vom späteren 10. Jahrhundert bis zur Zerstörung der Zollernburg 1554 vor. Bemerkenswert ist vor allem ein Bleikreuz, das während der frühmittelalterlichen Mission einem Täufling überreicht wurde. Dieser erste Hinweis auf frühes Christentum vom Rauhen Kulm ist sicher älter als die früheste bekannte Kirche der Region, die um 1000 auf dem benachbarten Barbaraberg entstand.

Der Rauhe Kulm bildete wie andere markante Vulkane, etwa der Parkstein, in allen Zeiten einen wichtigen Orientierungspunkt für Menschen, die auf Mobilität Im weitesten Sinne angewiesen waren. Die Lage der Landmarke an bis in die Gegenwart genutzten Fernwegen, etwa vom Donaugebiet um Regensburg nach Mitteldeutschland oder ins Obermaingebiet, aber auch von Westen über das Egerland oder Pilsen nach Böhmen, steht damit in unmittelbarem Zusammenhang. Als Bauherren für die jüngste Phase des unteren und oberen Ringwalls, dessen Errichtung einen erheblichen Arbeitsaufwand darstellte, zumal dazu ja auf der Mauerkrone ein hölzerner Laufgang mit Brustwehr gehört haben mußte, kommen am ehesten die Schweinfurter Markgrafen in Frage. Neben der Anlage von Bayreuth-Laineck und der Burg zu Eger waren deren am weitesten im Nordosten gelegenen Stützpunkte im 10. Jahrhundert Teil der ostfränkisch-nordbayerischen Mark gegen Böhmen. 

Zusammen mit den slawischen Nekropolen von Eichelberg, Mockersdorf und Wirbenz, dem etwas jüngeren Friedhof mit nachträglich darin errichteter Kirche auf dem Barbaraberg und der Siedlung auf dem Netzaberg bei Eschenbach ist die Befestigung auf dem Rauhen Kulm Zeugnis des zunächst überwiegend von Naabwenden getragenen früh- bis hochmittelalterlichen Landesausbaus an der oberen Haidenaab."


Die Sonderausstellung im Rathaus (alte Post) von Neustadt am Kulm ist
vom 23. Juli 2010 bis 31. Oktober 2010 jeden Sonntag von 14:00 - l 7:00 Uhr
und nach Anfrage geöffnet.

Tel 09648 / 273             Mail neustadt-am-kulm@t-online.de


[Text nach einem Flyer „Archäologie ohne Grenzen“ – Design: Dipl. Designerin Stefanie Schecklmann]


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Abb. 1: Blick in die Flednitz von Süden mit Rauhem Kulm, Kloster Speinshart und Barbaraberg. Historische Ansicht von 1825 [Freundliche Vermittlung durch Georg Miedel, Neustadt am Kulm]
 



Abb. 2: Neustadt mit dem Rauhen Kulm im Osten und dem Kleinen Kulm im Westen sowie Mockersdorf
(li. oben] mit der slawischen Nekropole des 8./ 9. Jhdts.
[nach Neischl 1912: Planbeilage I]

 



Abb. 3: Rauher Kulm, Plan der Befestigungen
             [Neischl 1912: Planbeilage II]

 

Abb. 4: Das Missionskreuz aus Blei vom Rauhen Kulm
in der Sonderausstellung  "Archäologie ohne Grenzen"

 

Abb. 5: Mockersdorf, Lkr. Neustadt an der Waldnaab, Bühl. Grab 18, Knabe, 11-13 Jahre alt, Beisetzung im 8./9. Jahrhundert.                         [Foto: Hans Losert]


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