Ausgrabungen am Rauhen Kulm 2006/2007

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"Das slawische Missionskreuz"
Heidnischer Kultplatz auf dem Vulkan?

"Es ist ein geheimnisumwobener Berg, der Rauhe Kulm am nordwestlichen Ende der Oberpfalz, rund 23 Kilometer von Bayreuth entfernt. In dieser entrückten Landschaft ragt der Kulm als Geländemarke empor, ein erloschener Vulkankegel, der vermutlich vor Jahrmillionen einmal Lava ins heutige Nordbayern spuckte. Auf der windumtosten Kuppe des Berges versuchen seit einigen Jahren Archäologen aus Bamberg und Wien, den Geheimnissen der vergangenen Jahrtausende auf die Spur zu kommen (s. BAYERISCHE ARCHÄOLOGIE Heft 4, S. 34-38). Denn rund um die Basaltgeröllfelder ziehen sich vor- und frühgeschichtliche Mauern oder Wälle, deren Alter noch nicht vollständig geklärt ist. Wen zog es auf diese unwirtliche Höhe (682 m ü. NN), wo nicht nur der Wind im Sommer frösteln lässt, sondern auch das Felsengeröll wenig einladend wirkt?

[Befestigungen aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit]
So viel steht fest: Einzelne Funde weisen darauf hin, dass bereits in der Jungsteinzeit um 3000 v. Chr. sich Menschen hier oben aufhielten - aus welchen Gründen auch immer. Ein erste massive Mauer scheinen dann die Kelten um 500 v. Chr. erbaut zu haben. Die Archäologen Hans Losert (Universität Bamberg) und Professor Erik Szameit (Universität Wien) konnten nämlich zusammen mit ihren Studenten eine mehr als vier Meter breite so genannte Pfostenschlitzmauer aufdecken, typisch für die Keltenzeit mit ehemals Pfosten in der Mauerfront. Trotz zahlreicher Funde aus dieser Periode - dem Übergang von der Hallstatt- zur Latenezeit - könne man jedoch einen vorgeschichtlichen Wall noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit postulieren. Die kommenden Jahre werden wohl endgültig klären, wann die erste Befestigung genau erbaut wurde. Losert: »Das kriegen wir schon noch raus.«

Die Abfolge der Wälle und Mauern lässt sich deshalb so schwer bestimmen, weil die Bergkuppe schließlich im frühen Mittelalter ein besonders wehrhaftes Aussehen bekam. Ab dem 8. Jahrhundert n. Chr. entstand hier eine gewaltige Burganlage, wobei man vermutlich ältere Befestigungen miteinbezog. Riesige Steine - bis zu 200 Kilo schwer - hat man dazu von der oberen Halde runtergerollt und dann grob zu einer Mauer aufgeschlichtet. Eine letzte massive Verstärkung erhielt die Festung zur Zeit der Ungarnkriege in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts. Fast unüberwindlich breit wurde der Wall aufgeschüttet mit weiteren Annäherungshindernissen, so dass die Pferde des Reitervolks sicher keine Chance hatten, die Burg zu erobern. Schon zu Fuß hat man seine liebe Not, über das Steinfeld zu torkeln.

[Im Land der Slawen]

Was nun den Rauhen Kulm so besonders macht: Hier verschanzten sich im frühen Mittelalter keine Bajuwaren und auch keine Ostfranken - sondern Slawen, die ab dem 7. Jahrhundert große Teile der Oberpfalz und Oberfrankens besiedelten, wo sie auch die Mehrheit der Bevölkerung stellten. Noch heute zeugen davon zahlreiche Ortsnamen, etwa diejenigen mit der Endung »-itz« wie Teublitz oder Köblitz. Besonders zahlreich sind die slawischen Ortsnamen übrigens in der Landschaft rund um den Rauhen Kulm, der so genannten Flednitz. Sogar slawischer Kleinadel, der Friedhöfe anlegte und eigene Kirchen gründete, lässt sich archäologisch in der Nähe nachweisen. Von einem eigenständigen slawischen Staat kann man allerdings nicht sprechen. Die Bewohner waren eingebunden in das Fränkische - später Deut­sche - Reich, egal ob sie sich als Franken oder Slawen sahen. Man kann also gewiss den Rauhen Kulm als eine zentrale Slawenfestung bezeichnen, in den sich die Bevölkerung aus den umliegenden Dörfern in Kriegszeiten zusammen mit ihrem Vieh zurückziehen konnte. Daneben gab es wohl auch eine ständige Besatzung.

[Sensationeller Fund eines Missionskreuzes]
Ein neues Schlaglicht auf die Bedeutung dieses Platzes zeigte sich gegen Ende der letztjährigen Grabungskampagne. Erstmals begannen die Archäologen, auch an dem oberen Wall zu graben, über dessen Alter bislang noch wenig bekannt ist. Zunächst mussten die Steine von niederem Buschwerk befreit werden. Große Abschnitte der oberen Befestigungsanlage sind völlig überwuchert. Als man bereits den Abschluss der Grabungen vorbereitete, entstand plötzlich Aufruhr in der Grabungsmannschaft: Ein winziges Kreuz aus Eisen - vielmehr Blei wie sich später herausstellte - war beim Aussieben der Erde gefunden wurde. Zunächst Ratlosigkeit bei den Studenten. »Aha, das eiserne Kreuz ...«. Nachdem jedoch Hans Losert - seit langem der Experte für die Zeit der Slawen in Bayern -das wenige Zentimeter große Kreuz in die Hände bekommt, geht ein Aufschrei durch die Menge: »Ein Missionskreuz, i werd narrisch, das ist ein slawisches Taufkreuz!« Sein Enthusiasmus greift über. Schnell ist eine Nadel zur Hand, um zu sehen, ob man das Kreuz mit einer Schnur durch das kleine Loch noch immer am Hals tragen könnte. Es funktioniert. Zur Taufe hätten die Täuflinge ein solches Missionskreuz als Geschenk erhalten. Im 8. oder 9., vielleicht auch noch im 10. Jahrhundert muss das gewesen sein, als die Missionare aus den kirchlichen Zentren - hier vermutlich Regensburg - ausströmten, um die heidnischen Völker zu bekehren. In Süddeutschland gibt es nur noch ein ähnliches Exemplar (ein Lesefund aus der Fränkischen Schweiz), ein paar weitere aus Tschechien und der Slowakei. Kein Student oder Professor, sondern ein Gymnasiast aus Bayreuth hat den bedeutendsten Fund auf dem Rauhen Kulm gemacht: Der 16-jährige Schüler Karl Oßwald, der erstmals an einer Grabung teilnahm. Freudestrahlend präsentiert er das gute Stück. Sein Finderglück wurde bei der Grabung übrigens sprichwörtlich: »Das hat schon wieder der Karl g'funden.«


[Missionare im Slawenland]

Losert und Szameit halten es nicht für ausgeschlossen, dass der Rauhe Kulm für die Missionierung gerade deshalb so wichtig war, weil sich hier ein vorchristliches slawisches Heiligtum befand. Gerade solche »heidnischen« Zentren waren oft das erste Ziel christlicher Missionare, um die Bevölkerung vom falschen Glauben abzubringen. Als Zeichen des Sieges des Christentums wurde dann meist an Stelle des Heiligtums eine Kirche errichtet. So könnte sich auch auf dem Gipfel des Kulm damals eine Kirche befunden haben, womöglich an der höchsten Stelle, wo sich heute der Aussichtsturm befindet, vielleicht aber auch an einer anderen Stelle mit weitem Blick ins Land. Dafür spricht auch der Sichtbezug zum Barbaraberg knapp fünf Kilometer südlich des Kulm. Dieser im Vergleich zum Rauhen Kulm unauffällige niedere Berg liegt auf einer exakten Nord-Süd-Achse zu seinem überragenden Nachbarn. Auf dem Barbaraberg wurde im 10. Jahrhundert ein slawischer Friedhof angelegt mit zum Teil reichen Beigaben - »die Bestatteten haben hun         dertprozentig zum Rauhen Kulm gehört« , ist sich Losert sicher. Um das Jahr 1000 errichteten die Bewohner am Rande des Friedhofs eine Kirche. Bei Grabungen zwischen 1992 und 1995 konnten Friedhof und Kirche freigelegt werden (Lit.: Anja Heidenreich, Ein slawischer Friedhof mit Kirche auf dem Barbaraberg im Landkreis Neustadt/Waldnaab, 1998). Nach Ansicht von Hans Losert kann der Bezug zwischen Barbaraberg und Rauhem Kulm kein Zufall sein.

»Da hat man wahrscheinlich eine kosmologische Linie, nach der man Jahreszeiten bestimmt. Man hat das für kosmologische Vorstellungen benutzt, das gibt's immer wieder, gerade im Slawischen, dass man so Landschaftspunkte miteinander verbunden hat. Der Friedhof liegt in extremer Randlage auf dem Barbaraberg. Den hat man so gewählt, dass er genau eine Nord-Süd-Achse mit dem Kulm hatte.«

Also eine Himmelslinie zweier slawischer Kultplätze (für welche Gottheit?), der dann eine Bezugslinie zweier Kirchen folgte? Vielleicht findet sich ja die mutmaßliche Kirche auf dem Kulm noch. Denn die Grabungen gehen die nächsten Jahre weiter, sie sind Teil des Forschungsprojekts »Die Oberpfalz und ihre Nachbarregionen im frühen Mittelalter«.

In Zukunft wird übrigens auch ein Teil der frühmittelalterlichen Mauer wieder aufgebaut, zusammen mit einem Blockbau des 10. Jahrhunderts, in welchem der Besucher dann eine Dokumentation zur Geschichte, zur Geologie und zur Botanik des Vulkankegels besichtigen kann." Roland Gschlößl

[Leseprobe aus Bayerische Archäologie Heft 7/8 2008 S. 66- 69 ( Zwischen-überschriften durch den Bearbeiter) mit freundlicher Genehmigung durch Herrn Markus Tremmel]
 


  Abb. 7

Blick in die Flednitz von Süden mit Rauhem Kulm,
Kloster Speinshart und Barbaraberg. Historische Ansicht von 1825
[Kemnath 1000 Jahre und mehr ..., S. 79, Abb. 17]
 

=> Zur Zeitschrift 'Bayerische Archäologie'
     [via verbis bavarica]

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=> Mehr zum Missionskreuz
 

         Abb. 1 (Ausschnitt)

Ein 16-jähriger Schüler findet ein bedeutendes
Zeugnis für die Christianisierung der Slawen
in der nördlichen Oberpfalz.

 

 

 

  Abb. 2

 »I werd narrisch - ein slawisches Missionskreuz
Große Aufregung auf dem Rauhen Kulm, als der Gymnasiast Karl Oßwald (ganz rechts) kurz vor dem
Ende der Grabung den sensationellen Fund macht.
Die Grabungsleiter Erik Szameit (1.) und Hans Losert
(2. v. l.) sowie die Grabungsteilnehmer sind begeistert.

 

 

  Abb. 3

Studenten vermessen die Wallanlagen auf dem
Rauhen Kulm.

 

 

   Abb. 4

Riesige Basaltsteine hatten die damaligen Herren der Burg vom oberen Geröllfeld heruntergerollt, um damit die Befestigung [den unteren Ringwall] zu errichten.

 

 

  Abb. 5

Grabungsschnitt des Walles auf dem Gipfelplateau.
Deutlich ist die innere Front der Mauer zu erkennen.  [Foto: D. Sch. - August 2008]

 

 

Leben am Vulkan - der Rauhe Kulm (Abb. 6)

 

.

  Abb. 8

Die Flednitz, das Gebiet um den Rauhen Kulm
an der oberen Heidenaab [Kemnath 1000 Jahre
und mehr ..., S. 78, Abb. 16]
 

=> Der Barbaraberg - ein slawischer Friedhof

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