Archäologische Untersuchungen am Rauhen Kulm in
der nördlichen Oberpfalz Stadt Neustadt a. Kulm, Landkreis Neustadt a.
d. Waldnaab, Oberpfalz
Rauher und Kleiner Kulm, Zeugnisse vulkanischer Aktivität
Eine der auffälligsten Landmarken Nordostbayerns, der gleichmäßige Kegel
des Rauhen Kulms, überragt mit einer Höhe von 683,5 Meter die
Oberpfälzer Senke bis zu 233 Meter. Zusammen mit dem benachbarten
Kleinen oder Schlechten Kulm gehört er zu einer Reihe von
Basaltmassiven, die auf
vulkanische Aktivitäten zurückgehen. Der Berg
machte in allen Epochen auf den Menschen Eindruck und so verwundert es
kaum, dass dieser nicht erst im hohen Mittelalter befestigt wurde.
Befestigungen am Rauhen Kulm
Auf etwa halber Höhe umgibt die Kuppe ein bislang nicht genau datierter
Ringwall, während auf dem Gipfelplateau Reste der hoch- bis
spätmittelalterlichen bzw. frühneuzeitlichen Burg zu erkennen sind.
Dem außergewöhnlichen Natur- und Kulturdenkmal widmet sich eine der
frühesten archäologischen Monographien Nordbayerns. Die 1908-1910 von
Major Adalbert Neischl im Auftrag der Naturhistorischen Gesellschaft
Nürnberg durchgeführten und schon 1912 publizierten Untersuchungen
belegen, dass der Rauhe Kulm vom Neolithikum an immer wieder aufgesucht
wurde, obgleich vorgeschichtliche Funde sonst aus der näheren Umgebung
bislang weitgehend fehlen. Die frühe Bedeutung des Platzes wird durch
ein in den späten 1960erjahren aufgelesenes und hier im Schuttkegel
möglicherweise als Opfer niedergelegtes unbenutztes Bronzebeil der
späten Bronzezeit unterstrichen. Keramik und Eisenobjekte des 8./9.
nachchristlichen Jahrhunderts (Abb. 1) sprachen seit den Untersuchungen
von Neischl dafür, dass hier eine karolingerzeitliche Befestigung
bestand.
Die hochmittelalterliche Burg auf dem Gipfelplateau
Zur Entstehung der hochmittelalterlichen Burg auf dem Gipfelplateau des
Rauhen Kulms schweigen die Schriftquellen. Die Nennung des
Leuchtenbergers Bucco de Culmen an erster Zeugenstelle in der
Stiftungsurkunde des Benediktinerklosters Michelfeld bei Auerbach von
1119 weist zwar auf einen Ansitz, jedoch ist unbekannt, ob sich dieser
auf dem Rauhen oder Kleinen Kulm befand. 1281 verpfändete Landgraf
Friedrich von Leuchtenberg das castrum Culme an Burggraf Friedrich III.
von Nürnberg, aus dessen Geschlecht die zollernschen Markgrafen von
Ansbach-Kulmbach-Bayreuth hervorgingen. 1370 erlaubte Kaiser Karl IV.
dem Nürnberger Burggrafen Friedrich V., eine Stadt zwischen den Vesten
auf dem Rauhen und Kleinen Kulm zu gründen. Die Burgen konnten von
hussitischen Verbänden 1430 nicht eingenommen werden, während Neustadt
ein Raub der Flammen wurde. Über das Aussehen der frühneuzeitlichen
Anlage vermittelt die anläßlich von Grenzstreitigkeiten angefertigte
Göppmannsbühlkarte von 1531 einen guten Eindruck (Abb. 2). Der durch den
zollernschen Markgraf Albrecht Alcibiades von Kulmbach angezettelte
Markgrafenkrieg (1552-54) bedeutete das Ende beider Befestigungen. Nach
einjähriger Belagerung durch Truppen der Reichsstadt Nürnberg,
eindrucksvoll illustriert durch ein zeitgenössisches Flugblatt (Abb. 3),
mußte der Kommandant 1554, als Munition und Proviant erschöpft waren,
auch die Veste auf dem Rauhen Kulm übergeben. Die Burgen wurden
daraufhin gründlich geschleift und nicht wieder aufgebaut.
Frühmittelalterliche Gräberfelder in der Umgebung
In den letzten Jahren fanden in der Flednitz, der slawischen
Siedlungskammer, dessen natürliches Zentrum der Rauhe Kulm bildet, eine
Reihe archäologischer Untersuchungen statt, die unsere Kenntnisse von
der früh- und hochmittelalterlichen Siedlungsgeschichte im westlichen
Vorland des Fichtelgebirges beträchtlich erweiterten. In
Wirbenz wurde 1996 und 1997 eine offenbar vom 8. bis 10. Jahrhundert
genutzte Nekropole ausgegraben, die im Rahmen der Dissertation von
Claudia Haberstroh vorgelegt wird. Insgesamt etwas jünger ist das von
Anja Heidenreich untersuchte und publizierte Gräberfeld mit nachträglich
an dessen Rand errichteter Kirche auf dem
Barbaraberg über dem Kloster Speinshart. Schon länger bekannt sind
die frühmittelalterlichen Nekropolen von Eichelberg und schließlich
Mockersdorf, wo 2003 und 2004 bei
Lehrgrabungen der Universitäten Bamberg und Wien im Rahmen des Projekts
Die Oberpfalz und ihre Nachbarregionen im frühen bis hohen Mittelalter
noch einmal 40 Bestattungen des 8./9. Jahrhunderts dokumentiert wurden
(siehe Beitrag in Das Archäologische Jahr in Bayern 2003, besonders Abb.
115).
Grabungen des Jahres 2004
Nachdem im Sommer 2004 geklärt wurde, dass hier keine weiteren Gräber
mehr zu erwarten und die Grenzen der Nekropole erreicht waren, begannen
direkt anschließend Ausgrabungen am Rauhen Kulm.
Es wurden drei Stellen im Bereich der unteren Umwehrung an der von
Neustadt am Kulm abgewandten Seite ausgewählt, wobei gewährleistet war,
dass die Untersuchungen nicht Schäden an dem eindrucksvollen, bis zu
12,5 m breiten und von außen teils noch 2 m hohen Wall anrichteten. Die
Nordhälfte des Ringwalls aus mächtigen Basaltblöcken durchschnittlich
etwa 70 m unterhalb des Gipfels wurde im späten 19. Jahrhundert bei der
Anlage einer Rampe, dem Steinsträßl, zum Abtransport von Basalt für den
Straßen- und Schienenbau stark verändert und durch einen tiefen
Steinbruch am Osthang zerstört. Ein Durchgang im Süden geht wohl auf die
Anlage eines Wanderpfads im 19. Jahrhundert zurück, während das
Zangentor im Osten alt ist. Vorgelagert sind hier wallartige
Geröllstreifen sowie flache Terrassen, letztere möglicherweise Zeugnisse
frühmittelalterlicher Bebauung.
Ein senkrecht zum Wall angelegter Schnitt unmittelbar an der Südwange
des Osttores zeigte, dass nur wenige Meter vom inneren Wallfuß entfernt,
heute stellenweise unter besagtem Wanderweg, eine weitere Front
verläuft, die möglicherweise zu einer Pfostenschlitzmauer gehört. Dafür,
dass dieser im Südosten deutlicher ausgeprägte Innenwall neuzeitlich
ist, wie Armin Stroh annahm, fanden wir keine Hinweise. Die Keramik aus
anschließenden Schichten spricht hingegen für vorgeschichtliche
Entstehung.
Ein weiterer Schnitt galt der Untersuchung eines etwa halbkreisförmigen
Podests direkt am Fuß des Geröllkegels gegenüber der Nordwange des
Osttores. Funktion und genaue Zeitstellung der zahlreichen, teils
gestaffelten Podeste im schmalen Streifen zwischen Schuttkegel und
Ringwall im Süden, Südosten und Osten sind noch unklar, wenngleich
Keramikfunde am ausgegrabenen Objekt vorgeschichtliche Datierung
ausschließen. Vielleicht handelt es sich um Fundamente von Holzbauten.
Zur Vorbereitung einer Erweiterung des Steinbruchs wurde der Ringwall
nördlich des Osttores im späten 19. Jahrhundert auf etwa 35 Meter Länge
abgetragen, bevor die Basaltgewinnung kurz vor 1900 endgültig
eingestellt wurde. An dieser Stelle bestand die Hoffnung, dass ohne
großen Arbeitsaufwand, den ein Schnitt durch den erhaltenen Wall
erfordert hätte, die Struktur der Umwehrung rekonstruieren zu können.
Ein dichtes Netz aus starken Wurzeln und schweren verlagerten
Basaltblöcken verhinderte jedoch die rasche Freilegung archäologischer
Befunde. Erkenntnisse zum Wallaufbau sind daher erst nach Fortführung
der Untersuchungen im Sommer 2005 zu erwarten.
Erste Ergebnisse
Bemerkenswert sind hier viele Scherben des 8. bis 10. Jahrhunderts, wie
sie auch Adalbert Neischl an verschiedenen Stellen antraf (Abb. 1) sowie
ein frühes Hufeisen des 10. Jahrhunderts. Die geglimmerte Keramik hat
gute Analogien in frühmittelalterlichen Gräbern der mittleren Oberpfalz,
obgleich ein Großteil der Scherben von etwas gröberer Machart zu sein
scheint. Zahlreiche Bruchstücke von Schlacken und verziegeltem Lehm
zeugen von Metallverarbeitung in unmittelbarer Nähe. Ein Teil der Funde
ist allerdings wohl aus etwas höher gelegenen Siedlungsbereichen
verlagert.
Es zeigte sich, dass am Ringwall überall unter dem teils nur wenige
Zentimeter starken rezenten Waldhumus Kulturschichten zu erwarten sind.
Einige Abschläge und Klingenbruchstücke aus Hornstein bestätigen, dass
der Platz schon im Neolithikum aufgesucht wurde. Nach erster Durchsicht
liegen zudem Keramikscherben der Bronze-, Urnenfelder-, Hallstatt- und
Latènezeit sowie vom 8. bis 10. nachchristlichen Jahrhundert vor,
jüngere Funde sind die Ausnahme. Dazu kommen zwei vorgeschichtliche
blaue Glasperlen und ein ganz grob geformtes Tonidol mit Durchbohrung.
Ob der 300 m durchmessende Ringwall, dessen Errichtung zweifellos eine
organisatorische und arbeitstechnische Meisterleistung darstellt, ins
frühe Mittelalter datiert oder zu dieser Zeit lediglich ausgebessert
bzw. wiederverwendet wurde, sollen die Untersuchungen 2005 zeigen.
Ebenso noch zu klären ist, wann das Gipfelplateau, wo Reste von
Trockenmauern durchaus für frühe Zeitstellung sprechen, erstmals
befestigt wurde. Feststeht, dass der Platz während der Vorgeschichte und
- seit karolingischer Zeit für die Flednitz - zentralörtliche Funktionen
übernahm.
Die archäologischen Untersuchungen wären ohne die großzügige
Unterstützung durch viele historisch interessierte Personen und
zahlreiche örtliche Institutionen nicht möglich gewesen. Die Schnitte
wurden nach Abschluß der Kampagne 2004 von der Forstverwaltung
Kemnath-Kastl gesichert. Allen Helfern und Grabungsteilnehmern gilt
unser herzlicher Dank.
[Hans Losert und Erik Szameit]
Literatur
A. Neischl, Die vor- und frühgeschichtlichen Befestigungen am Rauhen
Kulm bei Neustadt a. Kulm (Oberpfalz) (Nürnberg 1912).
M. Neubauer, Die Göppmannsbühl-Karte von 1531. Die Euregio Egrensis im
Bild alter Landkarten. Serie 1: Älteste Blätter/Nr. 1.
Otnant-Gesellschaft für Geschichte und Kultur in der Euregio Egrensis (Selb
2001).
A. Stroh, Die vor- und frühgeschichtlichen Geländedenkmäler der
Oberpfalz. Materialhefte zur Bayerischen Vorgeschichte, Reihe B, Heft 3
(Kallmünz/Opf. 1975).
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=>
Zur Sonderausstellung:
"Archäologie ohne Grenzen"
=>
Zur
Geologie des Rauhen Kulms (Vulkanismus)
=>
Rauher Kulm [Wikipedia]
=>
Das Reihengräberfeld von Mockersdorf
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Abb. 1: Rauher Kulm. 1-12 Fundauswahl der Grabungen von
Adalbert Neischl 1908-1910.1 Vorgeschichte oder frühes Mittelalter,
2-12 frühes Mittelalter. 1-8 Keramik, 9-12 Eisen. M 1 : 2.
Abb. 2: Älteste bekannte Darstellung des Rauhen Kulms mit der
zollernschen Burg. Deutlich zu erkennen ist ein zentraler Turm, davor
ein größeres Gebäude sowie eine Mauer mit bastionsartigen Türmen und am
Fuß des überhöhten Bergkegels Neustadt am Kulm. Ausschnitt aus der
anläßlich von Grenzstreitigkeiten zwischen den Mark- und Pfalzgrafen
angefertigten Göppmannsbühlkarte von 1531 (Neubauer 2001, Staatsarchiv
Bamberg).
Abb. 3: Belagerung der markgräflichen Veste auf dem Rauhen Kulm
durch Truppen der Reichsstadt Nürnberg im Jahre 1554, links (westlich)
Neustadt am Kulm und die Burg auf dem Kleinen Kulm.
Zeitgenössischer Nürnberger Holzschnitt (Neischl 1912, Abb. 4).
Abb. 1: Rauher Kulm. 1-12 Fundauswahl der Grabungen von
Adalbert Neischl 1908-1910: 1 Vorgeschichte oder frühes Mittelalter,
2-12 frühes Mittelalter. 1-8 Keramik, 9-12 Eisen. M 1 : 2.
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Zur Seite 2: Die Ausgrabungen von 2005
=>
Rauher Kulm [Wikipedia]
=>
Zur
Geologie des Rauhen Kulms [vfmg-weiden.de: Vulkanismus]
=>
Basaltkegel Hoher Parkstein [lfu.bayern.de]
=> Das Reihengräberfeld von Mockersdorf [zurück
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