| Anlass der UntersuchungenDie schon 1921 bei der Anlage eines Steinbruchs angetroffene Nekropole
      liegt in der Flur Bühl an einem Verbindungsweg zwischen Neustadt
      am Kulm und Mockersdorf etwa 1km nördlich unterhalb von Neustadt am Kulm
      (Abb. 1 und 2). Wegen der im Frühjahr 2004 geplanten Erneuerung der Flurstraße
      sollte eine archäologische Prospektion klären, wo das mittlerweile nicht
      mehr genau lokalisierbare Gräberfeld liegt und ob hier noch weitere
      Bestattungen zu erwarten sind. Nach Anlage einer Baggersondage parallel
      zur Straße unter Aufsicht von Dr. M. Hensch (Bamberg) wurde zunächst der
      kleine Steinbruch von 1921 an der höchsten Stelle der Kuppe entdeckt und
      es zeigte sich, dass nördlich davon zahlreiche Gräber erhalten waren.
      Darauf folgte eine archäologische Untersuchung im Rahmen einer
      Lehrgrabung des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters und der
      Neuzeit der Otto-Friedrich-Universität Bamberg sowie des Instituts für
      Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien.
 Frühere GrabungenBei der Anlage des Steinbruchs von 1921 wurden etwa 40 ungefähr west-ost
      orientierte Gräber beobachtet. Eine Dokumentation ist nicht erhalten,
      jedoch wurde ein Großteil der Funde in der Arbeit von Armin Stroh über
      die Reihengräber der karolingisch-ottonischen Zeit in der Oberpfalz
      aufgenommen. Häufigste Funde waren Kopfschmuckringe unterschiedlicher Größe
      mit S-Schleifen und Messer. Dazu kamen zwei Äxte mit kurzen
      Schaftlochlappen und ein außergewöhnliches vergoldetes Bronzebeschläg
      in Form eines Rinderkopfes. Von den 1921 beobachteten und ausgenommenen Gräbern
      wurden bei der diesjährigen Untersuchung drei Gruben unmittelbar am nördlichen
      Rand des Steinbruchs lokalisiert (Gräber 30, 39, 40), die übrigen fielen
      diesem zum Opfer. In der Mitte der untersuchten Fläche liegt eine
      unregelmäßige Grube mit Scherben neuzeitlicher glasierter Gefäßen, die
      ebenfalls eine Bestattung (Grab 29) zerstörte. Eine hier angetroffene
      Silbermünze des späten 18. Jahrhunderts könnte dafür sprechen, dass
      auf dem Bühl schon früher nach Gräbern gesucht wurde. In einer
      Fläche von etwa 460 m² östlich und nordöstlich der höchsten Stelle
      der Kuppe wurden 40 Bestattungen dokumentiert. Obwohl in alten Karten in
      einem schmalen Streifen auch westlich davon Gräber eingezeichnet sind,
      ergaben hier zwei Suchschnitte keine Spuren von Bestattungen. Dass Gräber
      auch unmittelbar unter der Straße lagen und diese kaum hohlwegartig
      ausgeprägt war, was bei längerer intensiver Nutzung zu erwarten wäre,
      spricht gegen Deutung als bedeutende Altstraße.
 Lage des GräberfeldesDer nach Süden und Westen ansteigende Bühl wird zu Mockersdorf
      hin abwechselnd durch Felsrippen, festen Sand und roten Letten gegliedert.
      Die locker in regelmäßigen Reihen angelegten Gräber wurden im Westen
      teils in den anstehenden Sandstein gegraben, öfter lagen sie jedoch auf
      oder neben diesem, im Ostteil ermöglichte der einheitlichere sandige
      Untergrund stärkere Eintiefung der Gruben. Zur Straße hin waren einige
      Bestattungen bereits stark vom Pflug in Mitleidenschaft gezogen. Da durch
      Erosion und landwirtschaftliche Nutzung seit Nutzung der Nekropole sicher
      mehr als 1 m Boden abgetragen wurde, ist von einer ursprünglichen
      Grabtiefe bis mindestens 2 m auszugehen. Einige der durchwegs west-ost
      orientierten Bestattungen wiesen am Kopf- und Fußende sowie an den Seiten
      lockere Steinsetzungen auf. Besonders deutlich war dies bei den Gräbern
      5, 6 und 20. Über Grab 5 wurde in Pfostenbauweise ein einfacher
      Memorialbau errichtet, die Bestattungen 21 und 22 umgab vielleicht ein
      Kreisgraben. Die direkte Nachbarschaft einiger Bestattungen gibt familiäre
      Bindungen wie Mutter-Kind oder Mann-Frau wieder, Grabüberschneidungen
      kommen nicht vor. Im Norden, wo schwer zu bearbeitender Letten ansteht, dürfte
      die Grenze des Gräberfeldes erreicht worden sein, die Erstreckung nach
      Osten ist unbekannt. Im Nordteil der Nekropole scheint sich ein etwa 2m
      breiter ost-west gerichteter Weg abzuzeichnen. Die Erhaltung der Skelette
      war sehr unterschiedlich, vor allem bei tiefer im Sandboden liegenden
      Bestattungen im Nordosten war diese auch bei erwachsenen Individuen sehr
      schlecht.
 Trachtbestandteile und AusstattungFast alle Gräber, die nicht durch landwirtschaftliche Tätigkeit oder
      Wegebau beeinträchtigt waren, enthielten Trachtbestandteile.
      Bemerkenswert ist Frauengrab14 mit zwei silbernen Kopfschmuckringen,
      einer mit mehr als 300 kleinen Glasperlen bestickten Kopfbedeckung oder
      einem Stirnband, Messer sowie bronzenem Fingerring. Grab 2 enthielt zwei
      bronzene Kopfschmuckringe, 20 Mehrfachperlen aus gelben, blauen oder
      farblosen Glas, letztere mit Auflagen aus Silber- oder Goldfolie, eine
      Bernsteinperle und eine eiserne Herzspiralnadel, wie sie auch in Grab 22
      beobachtet wurde. Eine Bronzenadel mit einfach eingerolltem Kopf stammt
      aus Grab 12. Den Frauen in Grab 12 und 14 wurden am Fußende als
      Speisebeigabe jeweils ein Huhn mitgegeben. Alle Knaben und Männer waren
      mit Messern ausgestattet. Grab 3 enthielt zusätzlich einen Pfriem zur
      Holz und Lederbearbeitung. Dem jungen Knaben in Grab18 hatte man in einer
      Gürteltasche ein Feuerzeug, bestehend aus Feuerstahl und Feuerstein,
      einen in oberpfälzischen Gräbern dieser Zeitstellung bislang
      einzigartigen feinen Schleifstein (Länge 7,5 cm, Breite 1,5 cm) mit
      Durchbohrung (Abb. 5) und ein Messer mitgegeben; daneben lagen zwei geflügelte
      Pfeilspitzen.
 Keine Ruhe im GrabAußergewöhnlich sind zahlreiche Bestattungen, bei denen nach der
      Beisetzung Veränderungen vorgenommen wurden, die wohl im weitesten Sinne
      mit symbolischer Bannung des Toten bzw. Angst vor Wiedergängern zu tun
      haben. So wurde bei fast allen Skeletten der Schädel sekundär verlagert.
      In Grab 6 wurde er auf dem entnommenen Unterarm aufgespießt, in Grab 4
      unter einem fast die ganze Grabbreite einnehmenden Sandstein zerdrückt.
      Da die übrigen Knochen dabei nicht bewegt wurden, geschah dies, als kein
      Sehnenverband mehr bestand, die Verwesung des Leichnams also abgeschlossen
      war, vielleicht nach Aufgabe der Nekropole. Inwieweit hier ein
      Zusammenhang mit dem Übergang vom Heiden- zum Christentum besteht, ist
      unbekannt. Besonders eindrucksvoll ist Grab 22, das nach Verlagerung des
      Kopfes mit zahlreichen großen Sandsteinbrocken verfüllt wurde.
      Wenigstens ein Jugendlicher und Erwachsener wurden auf dem Bauch liegend
      beerdigt (Grab 19 und 37). Vergleichbare Praktiken sind für die
      benachbarte Nekropole von Eichelberg, aber auch in dem schon 1937
      ausgegrabenen Gräberfeld von Matzhausen im Truppenübungsplatz Grafenwöhr
      überliefert.
 Ortsfriedhof von MockersdorfDie Lage auf einer flachen, vom Tal aus gut einsehbaren Kuppe, etwa 500 m
      südöstlich der Mockersdorfer Pfarrkirche St. Michael spricht dafür,
      dass auf dem Bühl die Gründer des erst verhältnismäßig spät
      urkundlich überlieferten Ortes und deren Nachkommen bestattet wurden.
      Dabei war die Nähe zu den markanten Landmarken des Rauhen und Schlechten
      Kulms sicher beabsichtigt (Abb. 2). Spätestens mit Errichtung einer
      ersten Kirche in der näheren Umgebung wurde das Gräberfeld aufgegeben.
      Die karolingerzeitlichen Bestattungen dokumentieren zusammen mit den
      Nekropolen von Eichelberg, Wirbenz, dem insgesamt etwas jüngeren Friedhof
      mit nachträglich darin errichteter Kirche auf dem Barbaraberg und den
      Funden der Befestigung auf dem Rauhen Kulm, wo bei Grabungen durch
      Adalbert Neischl 1912 gleichzeitige Funde angetroffen wurden, den zunächst
      überwiegend von Slawen getragenen frühmittelalterlichen Landesausbau in
      der Flednitz, der Siedlungskammer um den Rauhen Kulm.
 Deutsch-österreichische ForschungskampagneDie Ausgrabung wurde im Rahmen des internationalen Projekts Die
      mittlere und nördliche Oberpfalz und ihre Nachbarregionen im frühen
      Mittelalter als deutsch-österreichische Forschungskampagne mit
      Studenten vom Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte der Universität Wien
      und des Lehrstuhls für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit der
      Otto-Friedrich Universität Bamberg durchgeführt. Hervorzuheben ist die
      sehr gute Unterstützung, die uns von der Stadtverwaltung in Neustadt am
      Kulm, besonders durch Bürgermeister K. Pühl, dem Kreisheimatpfleger
      Dipl. Ing. H. J. Oberndorfer und der Direktion für ländliche Entwicklung
      in Regensburg entgegengebracht wurde. Ebenso bemerkenswert war das große
      Verständnis und Interesse des  Grundbesitzers, des Pächters und der
      Bewohner von  Mockersdorf.
 LiteraturA. Heidenreich, Ein slawischer Friedhof mit Kirche auf dem
      Barbaraberg im Landkreis Neustadt/Waldnaab. Otnant-Gesellschaft für
      Geschichte und Kultur in der Euregio Egrensis. Mit einem anthropologischen
      Anhang von O. Röhrer-Ertl. Archäologische Zeugnisse zur
      Siedlungsgeschichte. Band 1 (Pressath 1998). - C. Krebs, Ein
      karolingischer Friedhof bei Wirbenz. Gemeinde Speichersdorf, Landkreis
      Bayreuth, Oberfranken. Arch. Jahr Bayern 1997, 146 ff. A. Neischl, Die
      vor- und frühgeschichtlichen Befestigungen am Rauhen Kulm bei Neustadt a.
      Kulm (Oberpfalz) (Nürnberg 1912). - A. Stroh, Die Reihengräber der
      karolingisch-ottonischen Zeit in der Oberpfalz. Materialh. Bayer. Vorgesch.
      4 (Kallmünz 1954)
 Texte und Bilder:
      H. Losert und E. Szameit[Archäologische Untersuchungen im wieder entdeckten 
		frühmittelalterlichen Gräberfeld von Mockersdorf, Stadt Neustadt a. Kulm, 
		Landkreis Neustadt a. a. Waldnaab, Oberpfalz.
 In: Das Archäologische Jahr in Bayern 2003, S. 101-103]
 |  |        
		[zurück
      zur Ausgrabungsübersicht]        [zurück
      zur Übersicht]
		
  
 Abb. 1: Das Grabungsgelände oberhalb von Mockersdorf            
 Abb. 2: Beginn der Grabungen auf dem Bühl, im Hintergrund der Rauhe Kulm.
           
 Abb. 3: Meist war das Wetter ungemütlich: kalt und nass!         
 Abb. 4: Plan der Grabung Mockersdorf-Bühl 2003 im frühmittelalterlichen Reihengräberfeld
                     Abb. 5: Wetzstein (7,5 cm lang) aus dem Knabengrab 18
   
		
      => Weitere Bilder
      / Funde  
      => Plan des
      Gräberfeldes
       
		
      =>
		
		Die Ausgrabungen am Rauhen Kulm 
		2004    
           
       [zurück
      zur Ausgrabungsübersicht] 
		 
            [zurück
      zur Übersicht]
		    
     |