Ein slawisches
Missionskreuz
Heidnischer Kultplatz auf dem Vulkan?
"...
Ein neues Schlaglicht auf die Bedeutung dieses Platzes zeigte sich gegen
Ende der Grabungskampagne [2008]. Erstmals begannen die Archäologen,
auch an dem oberen Wall zu graben, über dessen Alter bislang noch wenig
bekannt ist. Zunächst mussten die Steine von niederem Buschwerk befreit
werden. Große Abschnitte der oberen Befestigungsanlage sind völlig
überwuchert.
[Seltener Fund eines Taufkreuzes]
Als man bereits den Abschluss der Grabungen vorbereitete, entstand
plötzlich Aufruhr in der Grabungsmannschaft: Ein winziges Kreuz aus
Eisen - vielmehr Blei wie sich später herausstellte - war beim Aussieben
der Erde gefunden wurde. Zunächst Ratlosigkeit bei den Studenten. »Aha,
das eiserne Kreuz ...«. Nachdem jedoch Hans Losert - seit langem der
Experte für die Zeit der Slawen in Bayern - das wenige Zentimeter [3cm] große
Kreuz in die Hände bekommt, geht ein Aufschrei durch die Menge: »Ein
Missionskreuz, i werd narrisch, das ist ein slawisches Taufkreuz!«
Sein Enthusiasmus greift über. Schnell ist eine Nadel zur Hand, um zu
sehen, ob man das Kreuz mit einer Schnur durch das kleine Loch noch
immer am Hals tragen könnte. Es funktioniert. Zur Taufe hätten die
Täuflinge ein solches Missionskreuz als Geschenk erhalten.
Im 8.
oder 9., vielleicht auch noch im 10. Jahrhundert muss das gewesen sein,
als die Missionare aus den kirchlichen Zentren - hier vermutlich
Regensburg - ausströmten, um die heidnischen Völker zu bekehren. In
Süddeutschland gibt es nur zwei ähnliche Exemplare [von Taufkreuzen], einen Lesefund aus
der Fränkischen Schweiz [mit Querdurchbohrung am oberen Ende (Abb. 8)
und eines aus der Karlburg in Unterfranken (Abb. 6)],
sowie ein paar weitere aus Tschechien und der Slowakei. Kein Student
oder Professor, sondern ein Gymnasiast aus Bayreuth hat den
bedeutendsten Fund auf dem Rauhen Kulm gemacht: Der 16-jährige Schüler
Karl Oßwald, der erstmals an einer Grabung teilnahm. Freudestrahlend
präsentiert er das gute Stück. Sein Finderglück wurde bei der Grabung
übrigens sprichwörtlich: »Das hat schon wieder der Karl g'funden.« ....
Losert
und Szameit halten es nicht für ausgeschlossen, dass der Rauhe Kulm für
die Missionierung gerade deshalb so wichtig war, weil sich hier ein
vorchristliches slawisches Heiligtum befand. Gerade solche »heidnischen«
Zentren waren oft das erste Ziel christlicher Missionare, um die
Bevölkerung vom falschen Glauben abzubringen. Als Zeichen des Sieges des
Christentums wurde dann meist an Stelle des Heiligtums eine Kirche [oder
Kapelle) errichtet. So könnte sich auch auf dem Gipfel des Kulm damals
eine Kirche befunden haben, womöglich an der höchsten Stelle, wo sich
heute der Aussichtsturm befindet, vielleicht aber auch an einer anderen
Stelle mit weitem Blick ins Land. Dafür spricht auch der Sichtbezug zum
Barbaraberg knapp fünf Kilometer südlich des Kulm. Dieser im Vergleich
zum Rauhen Kulm unauffällige niedere Berg liegt auf einer exakten
Nord-Süd-Achse zu seinem überragenden Nachbarn.
Auf dem
Barbaraberg wurde im 10. Jahrhundert ein slawischer Friedhof angelegt
mit zum Teil reichen Beigaben - »die Bestatteten haben hundertprozentig
zum Rauhen Kulm gehört« , ist sich Losert sicher. Um das Jahr 1000
errichteten die Bewohner am Rande des Friedhofs eine Kirche. Bei
Grabungen zwischen 1992 und 1995 konnten Friedhof und Kirche freigelegt
werden (Lit.: Anja Heidenreich, Ein slawischer Friedhof mit Kirche auf
dem Barbaraberg im Landkreis Neustadt/Waldnaab, 1998). Nach Ansicht von
Hans Losert kann der Bezug zwischen Barbaraberg und Rauhem Kulm kein
Zufall sein. ...
In Zukunft wird übrigens auch ein Teil der
frühmittelalterlichen Mauer wieder aufgebaut, zusammen mit einem
Blockbau des 10. Jahrhunderts, in welchem der Besucher dann eine
Dokumentation zur Geschichte, zur Geologie und zur Botanik des
Vulkankegels besichtigen kann." Roland Gschlößl
[Auszug aus Das slawische
Missionskreuz - Heidnischer Kultplatz auf dem Vulkan? Leseprobe aus
Bayerische Archäologie Heft 7/8 2008 S. 66-69 mit freundlicher
Genehmigung durch Herrn Markus Tremmel - Ergänzungen in Klammern von D.
Sch]
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[via verbis bavarica]
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Mission und Christianisierung in Nordostbayern
[Powerpoint-Präsentation von H. Losert-BT
02/2009]
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Abb. 8
Abb.9
Blick in die Flednitz von Süden
mit Rauhem Kulm, Missionskreuz aus Blei
(R. Kulm)
Kloster Speinshart und Barbaraberg.
in der Sonderausstellung
Historische Ansicht
von 1825
"Archäologie ohne Grenzen" 2010
[Kemnath 1000 Jahre und mehr ..., S. 79, Abb. 17]
Literatur
(1) H. Losert/M.Wintergerst, Christliche Sachkultur. In: Missionierung
und Christianisierung
im Regnitz- und Obermaingebiet. Bamberg 2007
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Abb. 1
Grabungsschnitt des Walles auf dem Gipfelplateau.
Deutlich ist die innere Front der Mauer zu erkennen. [Foto: D.
Sch. - Aug. 2008]
Abb. 2 »I werd
narrisch - ein slawisches Missionskreuz!«
Große Aufregung auf dem
Rauhen Kulm, als der Gymnasiast Karl Oßwald (ganz rechts) kurz vor dem
Ende der Grabung den sensationellen Fund macht.
Die Grabungsleiter Erik Szameit (1.) und Hans Losert
(2. v. l.) sowie die Grabungsteilnehmer sind begeistert.
3
4
Das Missionskreuz aus Blei [Foto 4: Hans Losert]
Ein bedeutendes Zeugnis für die Christianisierung der Slawen in
der nördlichen Oberpfalz.
Höhe etwa 3,0 cm.
Abb. 5
Wikingische Gussform aus Speckstein
für Taufkreuze und Donaramulette in Hammerform,
aus Trendgården, Jütland (DK), 10. Jahrhundert.
[Nachweis: Hans Losert]
Abb.
6
Abb. 7
Taufkreuz aus Blei,
Bleierne Missionskreuze
Höhe 5,1 cm; aus Bled,
Pristava (SL)
Lesefund aus der
[Nachweis: Hans Losert]
Fränkischen Schweiz
[Foto: Hans Losert in (1), S. 255, Abb. 3]
Abb.
10
Bleikreuz (Breite 3,9 cm)
aus der Karlburg,
Lkr. Würzburg. [Nachweis und Zeichnung: Hans Losert]
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