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Der Herr der Unterwelt geht in Pension

ARCHÄOLOGIE Durch drei Jahrzehnte leitete Björn-Uwe Abels die für Oberfrankens Bodendenkmäler zuständige Filiale des Landesamts für Denkmalpflege in Schloss Seehof. Jetzt geht er in Pension. Eine Bilanz im Gespräch.

Spartanisch mutet es an, das Arbeitszimmer. Ein Pferdchen und eine Schnabelkanne der einzige Schmuck. Schmuck? Das passt nicht zu Björn-Uwe Abels. In Wirklichkeit sind das gleichsam Trophäen, Glanzstücke der drei Jahrzehnte, in denen der Archäologe die für Oberfrankens Bodendenkmäler zuständige Dienststelle des Landesamts für Denkmalpflege in Schloss Seehof vor Bamberg aufbaute und leitete.
Ein Pferdchen? „Das schönste von allen", strahlt der Professor. Das Original dieser Gipskopie hat er im Gräberfeld von Prächting im Landkreis Lichtenfels gefunden, eine von vielen ähnlichen keltischen Kultbeigaben in Mitteleuropa - aber eben die schönste. Und die Kanne? Die stammt von der Ehrenbürg bei Forchheim mit ihrer bedeutenden Siedlung - „der ältesten Stadt Bayerns!" - und ist eindeutig etruskischer Keramik nachgebildet.
Ein Beleg dafür, wie weit kulturelle Verflechtungen und Handelsbeziehungen in vorchristlichen Jahrhunderten reichten. Das ist nur ein Aspekt von mehreren. Abels habe gleichsam ein ganzes Jahrtausend neu entdeckt, hat Wolfgang Kreiner einmal formuliert, nämlich „das erste vorchristliche im heutigen Oberfranken". Das umreißt die Leistung des Herrn der (ober-) fränkischen Unterwelt, der zum Ende des Monats in den Ruhestand geht.
Ruhestand? Von wegen! Eine Menge Arbeit wartet auf ihn, die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Ernte seiner Amtszeit. Was hat er alles in die Scheuer gefahren? Ziehen wir eine kleine Bilanz: Zunächst die Pflichtaufgaben. Sie bestehen darin, archäologische Denkmäler zu entdecken und zu inventarisieren, aber auch zu schützen und zu erhalten. Mit Unterstützung der „enorm engagierten" etwa 20 ehrenamtlichen Mitarbeiter und des Teams im Amt. An die 3000 neue Objekte sind wohl hinzugekommen in diesen Jahrzehnten, nicht selten nach Rettungsgrabungen.


„Gewünscht hätte ich mir, dass Bamberg endlich einen eigenen Mittelalter-Archäologen anstellt."
PROF. DR. BJÖRN-UWE ABELS


Beispiele? Vorgeschichtliche Gräberfelder wie das endbronzezeitliche von Grundfeld im Landkreis Lichtenfels, Friedhöfe der frühen Eisenzeit (Prächting, Tannfeld im Landkreis Kulmbach, Wichsenstein im Landkreis Forchheim), Adelsgräber wie das der frühkeltischen Dame, die mitsamt einem reich verzierten Wagen beim nachmaligen Demmelsdorf beigesetzt wurde, oder die Adelsbestattungen aus der Merowingerzeit bei Neuses (Eggolsheim).
Und dann die Kür, die Forschungsgrabungen. Für deren Finanzierung ist Björn-Uwe Abels den Sponsoren besonders dankbar, der Oberfranken-Stiftung, dem Bezirk, Kommunen, Arbeitsämtern und anderen. Ihr Engagement hat sich gelohnt. Denn es ermöglichte die spektakulärsten Projekte: Die Grabungen nach den drei zuvor lediglich oberflächlich und laienhaft untersuchten bedeutendsten Befestigungen Ehrenbürg bei Forchheim, Staffelberg bei Staffelstein und Heunischenburg bei Kronach. Die Ergebnisse der sich meist über Jahre hinziehenden Kampagnen waren sensationell.
Das zwischen 150 v. und 30 n. Chr. florierende keltische Oppidum auf dem Staffelberg - mit hoher Wahrscheinlichkeit das von dem römischen Geografen Ptolemäus erwähnte Menosgada. Die dicht besiedelte Ehrenbürg, im 5. vorchristlichen Jahrhundert eine respektable Stadtsiedlung; ihre Umwallung wurde erst 2005 gründlich untersucht, die älteste reicht in die späte Bronzezeit des 9. Jahrhunderts v. Chr. zurück, die jüngste Mauer, mehr als 6 Meter breit, errichteten frühe Kelten um 500 v. Chr. Dazu die Heunischenburg, „unglaublich interessant, die mächtigste Befestigungsanlage des 9. Jahrhunderts v. Chr. nördlich der Alpen. Ihre Errichtung ist nur vorstellbar mit der Kenntnis des gleichzeitigen mediterranen Burgenbaus."

Bleibt etwas unerledigt zurück? Bei den Pflichtaufgaben sicher: „In diesem Bereich hört das nie auf." Wissenschaftlich gesehen, hätte er gern auf der Ehrenbürg noch einen Grabungsschnitt gelegt, unter denkmalpflegerischem Gesichtspunkt hätte er sich gewünscht, dass Bamberg als eine der bedeutendsten mittelalterlichen Städte sich endlich einen eigenen Archäologen genehmigt - der Landkreis Forchheim leistet sich wenigstens eine halbe Stelle. Nicht zu vergessen: Ein Teil der durch landwirtschaftliche Nutzung bedrohten früheisenzeitlichen Friedhöfe auf dem Jura müsste dringend untersucht werden, doch es fehlt das Geld.
Und schließlich noch ein Wunsch: Ein Gesetz gegen die Nutzung von Metallsonden, mit denen Grabräuber auf die Jagd gehen und nicht nur gegen abstrakte Paragrafen verstoßen, sondern vor allem den Fundzusammenhang zerstören und so die wissenschaftliche Auswertung bestenfalls erschweren, wenn nicht verhindern. Sind viele solcher Täter am Werk? Abels möchte das nicht zu hoch hängen, weiß aber, dass nicht wenige sogar aus anderen Regionen nach Oberfranken kommen, um Bodendenkmäler auszuplündern.

Ein weiter Horizont, dieses archäologische Spektrum. Wie gerät jemand wie Abels überhaupt in seinen Bann? Das reicht ins Berlin der frühen Fünfziger zurück, als der zehnjährige Steppke auf slawische Keramikscherben stieß. Nach dem Umzug der Familie suchte er in den Uferrandsiedlungen des Bodensees nach Hinterlassenschaften der Vor - und Frühgeschichte. Dazwischen ein dreijähriger Aufenthalt in Bombay, der das Interesse des Tübinger Studenten an indischer Religionswissenschaft und Hindi plausibel macht.

Fiel es dem jungen Archäologen schwer, sich in Franken zurecht zu finden, zunächst ab 1971 in Würzburg, dann ab 1976 in Bamberg? Nein, sagt Abels. Reizvoll war nicht zuletzt der Aufbau der Neugründung auf Schloss Seehof, zudem die Einbindung ins wissenschaftliche Umfeld verschiedener Vereine sowie des Lehrauftrags und der Honorarprofessur der Bamberger Uni. Doch, er habe sich „sehr wohl gefühlt" und betrachtet seine Tätigkeit im Rückblick als „runde Sache".
Was Björn-Uwe Abels hinterlässt, ist übrigens nicht nur in Museen und Fachpublikationen zu besichtigen: Freilichtanlagen um das Grabhügelfeld bei Geisfeld, die Rekonstruktionen der Heunischenburg, der Mauer auf dem Staffelberg und die geplante auf der Ehrenbürg geben ein beeindruckendes öffentliches Zeugnis seines Wirkens.
„Selten und schön" lautet der viel sagende Titel eines demnächst erscheinenden Bildbands, in dem er zusammen mit Helmut Voß die wichtigsten archäologischen Objekte Oberfrankens präsentiert. Gewiss wird das ein weiterer aussagekräftiger Rückblick auf die 30 Jahre des ersten archäologischen Profis von Amts wegen in Oberfranken.

[Von Winfried Schleyer in Fränkischer Sonntag: Samstag, 22.Juli 2006]

 

Prof. Dr. Björn-Uwe Abels mit der Schnabelkanne nach etruskischem Vorbild. Sie belegt, dass um 500 v. Chr. Verbindungen bestanden zwischen dem Walberla bei Forchheim
und dem Süden.
Unten das Prächtinger Pferdchen.

 

 

 

       

 

 

 

 

=> Würdigung von  Björn-Uwe Abels    [Wikipedia]

=> Ausgewähltes Schriftenverzeichnis [Uni Bamberg]

 


Zur Person

Björn Uwe Abels, 1941 in Berlin geboren,
studierte 1964-1970 in Tübingen Vor- und Früh-
geschichte sowie Anthropologie, Ethnologie,
Vergleichende Religionswissenschaft mit
Schwerpunkt indische Religionenund Hindi,
1970 Promotion zum Dr. phil.,
1971-1976 Außenstelle Würzburg des
Landesamts für Denkmalpflege,
1976 Leiter der Archäologischen
Dienststelle Oberfranken Schloss Seehof,
seit 2002 Leiter des neuen Referats BIV
Oberfranken/Unterfranken.
Abels, unter anderem Mitglied des Deutschen
Archäologischen Instituts und der Gesellschaft
für Fränkische Geschichte, ist seit 1996
Honorarprofessor an der Universität Bamberg.

 


 

Die besten Wünsche für einen gesunden, aktiven und erfüllten Ruhestand entbieten Ihnen, lieber Herr Professor Dr. Abels, Ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter
aus Kulmbach: Günther Hain, Ruprecht Konrad,
Dieter Schmudlach und Peter Ziegler.

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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