"Bei den Ausgrabungen am Motzenstein bei Wattendorf wurden im Bereich der schnurkeramischen Siedlungsstelle zahlreiche Schlacht- und Speiseabfälle in Form von Tierknochen entdeckt, insgesamt 946 Funde. Es handelt sich um die stark zerschlagenen Überreste von Haustieren, die von den Menschen der späten Jungsteinzeit geschlachtet wurden, bzw. von erbeuteten Wildtieren, die man gleichermaßen zerteilte und verarbeitete (vgl. Abb. 44).
Die archäozoologische Analyse der Knochenfunde erbrachte folgende Resultate: Etwa 70% des am Motzenstein verzehrten Fleisches stammte von Haustieren, wobei Rindfleisch dominierte. Deutlich seltener aß man Fleisch von Pferd, Schwein und Schaf. Die genannten Haustierarten bildeten den typischen Viehbestand in der Region. Die Ziege müsste wohl noch hinzugezählt werden, auch wenn sie im vorliegenden Fundmaterial nicht belegt ist.
Hunde wurden am Motzenstein ebenfalls gehalten. Sie gehörten zu einem schlanken Typus von etwa 50-60 cm Schulterhöhe. Diese Tiere wurden vermutlich bei der Jagd und als Hüte- und Hofhunde genutzt. Ob man auch deren Fleisch aß, lässt sich anhand der wenigen Hundeknochen nicht beweisen. Bestimmte Indizien (Ritzspuren) verraten uns jedoch, daß man Hunden ebenso wie anderen Haus- und Wildtieren das Fell abzog. Felle und Häute waren damals beliebte und nützliche Materialien.
Am Knochenmaterial selbst ist aufgrund sich wiederholender Fragmentierungsmuster, aber auch
durch markante Schlagspuren zu erkennen, dass die geschlachteten Tiere mit scharfschneidigen Beilen in nahrungsgerechte Stücke zerlegt wurden, dass man Röhrenknochen der Länge nach aufschlug, um an das Knochenmark zu gelangen, dass man Schädel spaltete, um das Hirn freizulegen und dass man die kräftigen Beinsehnen von Rind und Hirsch mittels Feuersteinmessern vom Knochen löste.
Die Zubereitung des Fleisches auf offenem Feuer ließ sich, wenn auch selten, an Brandspuren feststellen, die an ganz bestimmten Partien mancher Knochen in Erscheinung traten. Im Regelfall wurden fleisch-, fett- und markhaltige Knochen vermutlich jedoch ausgekocht, ein Vorgang, der am Material selbst keine Spuren hinterlässt. In vier Fällen ist auch die Nutzung der Knochen bzw. des Geweihs zur Herstellung bestimmter Geräte wie Pfrieme oder Schlegel belegt.
Schließlich konnte durch das Vermessen einiger gut erhaltener Skelettelemente ein Eindruck von der Körpergröße der Haustiere gewonnen werden. Demnach waren die am Motzenstein gehaltenen Rinder recht groß und kräftig, die Schafe mittel- bis kleinwüchsig, die Schweine mittelgroß.
Besonders hervorgehoben werden muss das Auftauchen von Pferdeknochen (vgl. Abb. 45). Wir wissen erst sehr wenig über die Geschichte und Herkunft der Hauspferde in Mitteleuropa während des 3. Jahrtausends v. Chr. Die Knochen vom Motzenstein stammen nach Bewertung der Meßdaten von ungewöhnlich großen Tieren, die
wenig gemeinsam hatten mit den deutlich zierlicher gebauten lokal vorkommenden Wildpferden.
Da sich zumindest in der Anfangsphase der Haustierwerdung stets eine Verkleinerung der Wildform abzeichnet, können die hier belegten Tiere nicht von diesen lokalen Formen abstammen, sondern müssen wesentlich massiger gebaute Vorfahren gehabt haben. Doch wo lag deren Herkunftsgebiet? Wir wissen es nicht, denn leider erlauben unsere diesbezüglich noch sehr lückenhaften Kenntnisse keine abschließende Bewertung dieses spannenden Befundes.
Die Jagd spielte für die Ernährung der damaligen Bevölkerung und die Beschaffung bestimmter Rohstoffe eine nicht unbedeutende Rolle. Etwa 30% des verzehrten Fleisches war Wildbret.
Nachgewiesen sind vor allem Rothirsche, seltener Reh und Wildschwein, Biber, Elch und Fuchs.
Das Artenspektrum weist auf einen relativ großen Radius der Jagdaktivitäten hin bzw. auf Kontakte mit Leuten aus solchen Gegenden, wo Biber und Elch zuhause waren: in Feuchtgebieten und Flußuferwäldern mit Bewuchs von Weichgehölzen, Schilf und Buschwerk. Auf einen solchen Biotop trifft man im Maintal, welches etwa 20 km vom Fundplatz entfernt liegt. Rothirsch und Wildschwein hingegen sind Waldbewohner, das Reh hält sich eher am Waldrand auf und findet sich auch gern auf Ackerflächen ein. Der Fuchs als sogenannter Ubiquist ist überall zuhause.
Im Ganzen deuten die hier nachgewiesenen Arten auf eine recht dichte Bewaldung im Umfeld der
Siedlung hin. Das Fehlen von Jungtieren bzw. das alleinige Auftreten ausgewachsener Wildtiere im Fundrepertoire am Motzenstein und der Nachweis von Geweihen kapitaler Hirsche weisen recht klar auf eine gut organisierte Jagd hin, bei der solchen Tieren gezielt nachgestellt wurde.
Das vorliegende Tierknochenmaterial ist trotz seines vergleichsweise geringen Umfangs für die
archäologische Forschung von erheblicher Bedeutung, da wir erst sehr wenig über die in dieser Region im 3. Jahrtausend v. Chr. praktizierte Wirtschaftsweise wissen. Befunde aus schnurkeramischen Siedlungen gehören bis heute zu den Seltenheiten. Die Resultate von Wattendorf-Motzenstein helfen, diese Kenntnislücken zu verkleinern."
[Cornelia Becker in AXT & RAD, 48 ff]
Quelle:
T. Seregély u. a., Axt & Rad en miniature, Aussergewöhnliche
Zeugnisse der Jungsteinzeit vom Motzenstein bei Wattendorf
(Begleitheft zur Sonderausstellung im Fränkische Schweiz-Museum
Tüchersfeld vom 18.03. bis 29.05.2005), Tüchersfeld 2005.
|
|
Abb. 44:
Wattendorf-Motzenstein, Schnitt 14. Knochenaufsammlung mit
Geweihfragmenten vom Rothirsch (Cervus elaphus), und Bruchstücken
von Rinderknochen (Bos taurus). Maßstab wie angegeben.
Abb. 45:
Wattendorf-Motzenstein.
Equus caballus (Hauspferd). Zehenknochen (Phalanx 1)
und Oberkieferzahn. Maßstab wie angegeben.
=>
Die
Grabungen am Motzenstein bei Wattendorf, BA
[Vorbericht der Uni Bamberg:
Internetseite]
[zurück
zum Endneolithikum]
[zurück zur Bronzezeit]
[zurück
zum Lexikon]
[zurück
zum Hockergrab von Neudorf]
[zurück
zur Ausstellungsübersicht]
Zurück
Weiter
|