"Schon in den 1950er Jahren
konnte Hermann Mauer unmittelbar westlich des Motzensteins
zwei Tonobjekte auflesen, die Werner Schönweiß gut zwei
Jahrzehnte später richtig als Bruchstücke tönerner
Miniaturäxte erkannte. Eines davon ist mit
Fingernagelkerbreihen verziert. Aus der Grabung stammen
Fragmente von mindestens weiteren 12 Miniaturäxten (Abb.
41). Meist sind sie im Bereich der
Durchlochung gebrochen. Der Nackenteil ist entweder gerundet
und hammerartig geformt oder spitz ausgezogen. Die
Schaftlochverstärkungen sind in der Regel sehr stark betont.
Unter den Fragmenten sind auch
drei Schneidenpartien, welche alle nach unten ausgezogen
bzw. verbreitert sind. Vier der Miniaturaxtbruchstücke sind mit regelmäßig den Axtkörper umlaufenden Fingernagelkerbreihen verziert, welche möglicherweise eine Facettierung andeuten sollen. Bei der Größe der Tonäxte gab es offenbar keine strenge Normung, die Breiten im Bereich der Durchlochung schwanken zwischen 12 und 44 mm.
Bei der Grabung 2004 konnte in Schnitt 15 nahe der Dolomitpflasterung eine vollständige Miniaturaxt gefunden werden (Abb. 42). Sie ist 79 mm lang und weist extrem überbetonte Schaftlochverstärkungen auf. Die Schneide ist deutlich herabgezogen, wodurch das Fundstück der Form nach einer A-Axt1 stark ähnelt.
Für Miniaturäxte in der Schnurkeramik gibt es bislang erst zwei Parallelen. Die beste stammt aus einem Kindergrab bei Künzing, Lkr. Deggendorf (Abb. 43) in Niederbayern (Engelhardt, Künzing). Auch in diesem Fall ist der Axtkörper mit umlaufenden Fingernagelkerbreihen versehen, die Schneide wie bei den Stücken vom Motzenstein heruntergezogen.
Eine weitere Tonaxt ist als Grabbeigabe aus dem Luckaer Forst in Thüringen überliefert. Zur Form können keine genaueren Angaben gemacht werden, da diese der publizierten Zeichnung nicht genau zu entnehmen ist. Ebenso wenig kann gesagt werden, ob es sich in diesem Fall um ein Kindergrab handelte, da das Skelett komplett vergangen war (Höckner, Ausgrabungen).
Die entscheidende Frage stellt sich natürlich zur Funktion dieser Fundgruppe. Als Quelle lassen sich sowohl Gräber als auch eine Siedlung anführen. In letzterer kommen überwiegend Bruchstücke vor, die Miniaturäxte unterlagen also einem Gebrauch.
Die Tonäxte könnten zum Beispiel als Kinderspielzeug gedient haben. Die Nachahmungen steinerner Streitäxte in Ton, die ja ein ungemein wichtiges Element der schnurkeramischen Kultur darstellten, dienten dann der Weitergabe entsprechender geistiger Hintergründe an Kinder. Die Miniaturäxte hätten demnach auch eine erzieherische Bedeutung.
Eine besonders hohe Wertschätzung von Kindern in der schnurkeramischen Kultur wird zum einen in den auffallend vielen bekannten Kindergräbern deutlich, zum anderen in den meist zahlreichen Beigaben der dort Bestatteten. In diesem Punkt
hebt sich die Kultur mit Schnurkeramik deutlich gegenüber anderen archäologischen Kulturen ab.
Andererseits könnten die Miniaturäxte aber auch sakrale Bedeutung besessen haben. Hier käme ein Gebrauch als Amulett oder Votivgegenstand in Frage, welche innerhalb der Siedlung als rituelle Objekte dienten (Thiemer-Sachse, Spielzeug).
Ähnliches könnte durchaus auch für die Radmodelle zutreffen. Eine starke Trennung von profaner und sakraler Welt ist für die urgeschichtliche Zeit ohnehin nicht anzunehmen (Gladigow, Opfer)." [T.
Seregely in AXT & RAD, 45 ff]
1 A-Äxte stellen innerhalb der schnurkeramischen Entwicklung die älteste Form dar.
Literatur:
B. ENGELHARDT, Der schnurkeramische Bestattungsplatz von Künzing-Ost, Lkr. Deggendorf. Vorträge des 16. Niederbayerischen Archäologentages 16, 1998, 71-98.
B. GLADIGOW, Die Teilung des Opfers. In: K. HAUCK (Hrsg.), Frühmittelalterliche Studien 19 (1984) 19-43.
H. HÖCKNER, Ausgrabung von schnurkeramischen Grabhügeln und Siedelplätzen im Luckaer Forst, Kreis Altenburg. Arbeits- und Forschungsberichte zur Sächsischen Bodendenkmalpflege 6, 1957, 58-181.
U. THIEMER-SACHSE, Spielzeug oder sakrales bzw. rituelles Objekt? Diskussion dieser Frage anhand von archäologischen Befunden und „Volkskunst" in Mexiko. Ethnogr.-Arch. Zeitschr. 43, 2002, 93-115.
Quelle:
T. Seregély u. a., Axt & Rad en miniature, Aussergewöhnliche
Zeugnisse der Jungsteinzeit vom Motzenstein bei Wattendorf
(Begleitheft zur Sonderausstellung im Fränkische Schweiz-Museum
Tüchersfeld vom 18.03. bis 29.05.2005), Tüchersfeld 2005.
|
|
Abb.
41: Miniaturaxtfragmente aus der schnur-
keramischen Kulturschicht
Abb. 42: Vollständige Miniaturaxt
der schnurkeramischen Kultur.
Vollständige
tönerne Miniaturaxt: Länge
ca. 7,7 cm
Abb. 43: Grabinventar eines schnurkeramischen
Kindergrabs bei Künzing, Niederbayern.
=>
Die
Grabungen am Motzenstein bei Wattendorf, BA
[Vorbericht der Uni Bamberg:
Internetseite]
[zurück
zum Endneolithikum]
[zurück zur Bronzezeit]
[zurück
zum Lexikon]
[zurück
zum Hockergrab von Neudorf]
[zurück
zur Ausstellungsübersicht]
Zurück
Weiter
|