Fränkische Vorherrschaft in Europa
Die etwa drei Jahrhunderte zwischen dem Ende der römischen
Präsenz in Westeuropa bis zum Beginn der karolingischen Epoche
werden als Merowingerzeit bezeichnet. Sie beginnt zur Mitte des 5.
Jh. n. Chr., als die fränkische Adelsfamilie der Merowinger unter
dem im Rang eines römischen Generals stehenden Fürsten Childerich
und dessen Sohn Chlodwig (ab 480 n. Chr.) politisches Gewicht
und schließlich die Oberhoheit über die am Unterlauf des Rheins
siedelnden salischen und ripuarischen Stammesteile gewinnt. Es folgt
eine Phase expansiver Machtpolitik, während der Chlodwig zunächst
den letzten römischen Statthalter in Nordgallien, Syagrius, danach
die in Südwestdeutschland ansässigen Alamannen militärisch
unterwirft und in der Folge das katholische Christentum zur
offiziellen Stammesreligion macht. Dem oströmischen Kaiser gegenüber
betrachtet er sich dabei als Bewahrer des römischen
Herrschaftsanspruches im Westen.
Unter Chlodwigs Nachfolgern werden auch der größte Teil des
restlichen Galliens sowie die Länder der Bajuwaren und Thüringer
erobert und zu fränkischen Provinzen gemacht. Die Merowinger
etablieren sich damit im nachvölkerwanderungszeitlichen Europa neben
den anderen bedeutenden germanischen Königshäusern der Ostgoten,
Westgoten und Vandalen in Italien, Spanien und Nordafrika. Im Jahr
568 n. Chr. wandert dann der Stamm der Langobarden aus Pannonien,
dem heutigen Ungarn, in das nach der Rückeroberung von den Ostgoten
für kurze Zeit wieder byzantinisch regierte Italien ein. Dessen
vormaliges Siedlungsgebiet besetzen die reiternomadisch lebenden und
aus Zentralasien vordringenden turko-mongolischen
Awaren. Mit diesen
beiden Völkerschaften geraten die Franken in der Folgezeit
einerseits in kriegerische Konflikte, mit dem langobardischen
Italien entsteht aber auch ein reger kultureller Austausch, der
nördlich der Alpen zur Übernahme zahlreicher mediterraner Tracht-
und Bewaffnungselemente führt. Durch Reichsteilungen in Folge
innerer Zwistigkeiten geschwächt, muss die merowingische
Herrscherdynastie während des 7. Jh. n. Chr. dem grundbesitzenden
Hochadel politische
Mitgestaltungsrechte zugestehen. In den Regionen Neustrien, Burgund
und Austrien etablieren sich einflussreiche Familien, die als „Hausmeier"
das Amt königlicher Hofverwalter innehaben. An die Sippe der
Karolinger, unter deren Führung zu Beginn des 8. Jh. die
arabische Bedrohung Aquitaniens erfolgreich abgewehrt wird, geht bis
zum Jahr 751 die offizielle Regierungsgewalt über.
Germanische und römische Traditionen
Zur Kontrolle der eroberten Gebiete stützte das merowingische
Königtum seine Hoheit auf fränkische Grundherren, die militärisch
geschulte Kriegergefolgschaften an sich banden und ihre
Machtposition durch Maßnahmen der Aufsiedelung und Ansässigmachung
eigener oder verbündeter Stammesangehöriger an strategisch wichtigen
Orten konsolidierten. Die sonstige Bevölkerung bestand mehrheitlich
aus freien Bauern unterschiedlicher Wohlhabenheit sowie zu
einem geringeren Teil aus hörigen Halbfreien (sogenannten
Literi) und Freigelassenen, die zwar rechts- und
vermögensfähig, aber auch dienst- und zinspflichtig waren. Daneben
gab es noch die gänzlich abhängigen Knechte. Die Freien und
Halbfreien durften - ihrem sozialen und wirtschaftlichen Status
gemäße - Waffen tragen und hatten erforderlichenfalls am
Heeresaufgebot teilzunehmen.
Die germanische Wirtschaftsweise basierte überwiegend auf
Ackerbau und Viehzucht. Neugegründeten Weilersiedlungen standen
dabei in den vormals römischen Gebieten gewachsene Städte mit hohem
gallo-romanischen Bevölkerungsanteil gegenüber. Hier und an
einzelnen Fürstensitzen existierten merkantile und handwerkliche
Zentren. In den ländlichen Regionen dominierte der Tauschhandel von
Waren und Geräten. Erstmals wurde zu Beginn des 6. Jh. n. Chr. das
bis dahin nur mündlich überlieferte Gewohnheitsrecht der Franken und
in der Folge auch der benachbarten Stämme nach römischem Vorbild in
den sogenannten Volksrechten kodifiziert. Aus antiker Zeit blieb als
wichtige Stütze der fränkischen Adelsherrschaft auch die
Organisation der katholischen Kirche erhalten. Eine nachhaltige
Verbreitung durch Missionstätigkeit und Kloster- gründungen erfuhr
die neue Religion in den heidnischen Regionen des Reiches, wo mit
Wotan, Donar und Freyr noch die altnordische Götterwelt verehrt
wurde, vor allem durch Predigermönche von den britischen Inseln. So
entstand während der Merowingerzeit eine Symbiose der germanischen
Kultur mit der spätrömischen Zivilisation, welche die weitere
Entwicklung der mittelalterlichen Gesellschaft hin zu einem auf dem
Christentum basierenden Feudalsystem einleitete [nach Ewig (2), 52
ff. - in (1b)].
Literatur
(1a) Abels
Björn-Uwe,
Sage Walter, Züchner Christian, Oberfranken in vor- und
frühgeschichtlicher
Zeit, Bamberg, 1996 (=
Lit. 1)
(1b) Riesch Holger: Pfeil und Bogen zur Völkerwanderunszeit. Eine
Quellenkunde und Rekonstruktion des frühmittelalterlichen
Bogenschießens; Karfunkel Verlag, Wald-Michelbach 2002.
(2)
Ewig, Eugen: Die Merowinger und das Frankenreich, Stuttgart 2001.
(3)
Haberstroh Jochen: Germanische Funde der Kaiser- und Völkerwanderungszeit aus Oberfranken. Kallmünz 2000
(=
Lit. 15)
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Abb. 1: Die Frankenkönige regierten das
ehemals römische Gallien sowie
östlich des Rheins die Länder der Alamannen, Bajuwaren und
Thüringer.
[(1b), S. 11, Abb. 1]
Chronologie der Römischen Kaiserzeit
und der Völkerwanderungszeit
[aus J. Haberstroh (3)
=
Lit. 15,
S. 30]
Beigaben
aus einem merowingischen Grab
bei Eggolsheim, Lkr. Forchheim: Lanzenspitze und Schild-
buckel, beides aus Eisen. Die Nietköpfe des Schildbuckels
sind silberplattiert; Länge der Lanzenspitze: 52,4 cm.
[Foto: BLfD (Helmut
Voss)] =>
Foto in einem Webalbum im ArchäologieMuseum Oberfranken =>
Alle Bilder aus dem ArchäologieMuseum Oberfranken in Forchheim
=>
Siedlungsfunde von Neuses an der Regnitz [franken.fuerth-archaeologie.de]
[Foto: D. Sch.]
Neufunde von einer Befestigung bei Loch, Stadt
Hollfeld:
Pfeilspitzen aus Eisen; Länge der rechten Spitze: 11,6 cm.
Späte Kaiserzeit/Völkerwanderungszeit (4./5. Jhdt. n. Chr.)
=>
Waffen der Merowingerzeit [Die
Bajuwaren.de]
=>
Weitere Infos zur Völkerwanderung [Lexikon Wikipedia]
=>
Völkerwanderung interaktiv [ZDF: Sturm
über Europa]
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