"Das dritte vorchristliche Jahrtausend gehört zu einer äußerst spannenden Zeit der europäischen Geschichte: Am Ende der Jungsteinzeit fassen wir in Mitteleuropa eine erhebliche Ausdehnung der Land- und Viehwirtschaft mit unterschiedlichen Landnahmeprozessen; wir meinen, neue soziale Unterschiede innerhalb der einzelnen Gemeinschaften wahrzunehmen; wir erkennen sanktionierte Unterschiede zwischen den Geschlechtern, z. B. im Grabbrauch. Darüber hinaus zeichnen sich
'internationale' europäische Fundverbände ab, seien das die von Spanien bis Polen verbreiteten
'Glockenbecher' oder die von der Ukraine bis in die Schweiz vorkommende
'Schnurkeramik' (Abb. 1).
Neue Kommunikationssysteme dürften hier mit technologischem Wandel im Bereich der Metallurgie in Verbindung stehen. Die Umbrüche des dritten vorchristlichen Jahrtausends leiten dann über zur Bronzezeit.
So weitreichend die genannten Veränderungen sind - für die Wirtschaftsweise, für die Sozialordnung, für das Geschlechterverhältnis - so schwierig sind die Probleme, die die Fundhinterlassenschaften aus dieser Zeit der Archäologie bereiten. Im Gegensatz zu den meisten anderen urgeschichtlichen Perioden stammen unsere Erkenntnisse in weiten Arealen Mitteleuropas primär aus Umweltanalysen von Pollenanalytikern und der Auswertung zahlreicher Grabfunde.
Siedlungsplätze, normalerweise eine der Hauptquellen archäologischer Erkenntnisse, sind bisher sehr rar. Die Ursachen dafür können ökologischer, ökonomischer oder bautechnischer Natur sein. So sind eventuell Plätze zum Siedeln ausgewählt worden, die verstärkt Erosion oder Akkumulation ausgesetzt waren und damit verschwunden oder archäologisch nur schwer nachweisbar bleiben. Aber auch die bei Grabungen kaum oder nur sehr schwer erkennbare
Schwellbalkenbauweise mit einer veränderten Abfallwirtschaft führt zum Ausfall von Siedlungsfunden und -befunden.
In Oberfranken, insbesondere auf der Fränkischen Alb, ist die Situation anders. Zahlreiche Lesefunde mit Keramik aus dem dritten vorchristlichen Jahrtausend belegen die Existenz von Siedlungen, möglicherweise in Verbindung mit Plätzen ritueller Aktivität. Entsprechend ist es das Ziel eines Forschungsprojektes, den Charakter dieser profanen und sakralen Plätze zu klären. Nach einer Bestandsaufnahme des oberfränkischen Fundmaterials wurden neben Voitmannsdorf-Strohholz vor allem die Fundplätze Stübig-Großer
Rothenstein und Wattendorf-Motzenstein für Grabungen selektiert (Abb. 2)."
[Johannes Müller in AXT & RAD, 7 ff]
Literatur:
A. DÜRR / J. MÜLLER / A.
RIEDMÜLLER / T. SEREGELY / A. TILLMANN, Die endneolithische
Siedlung Voitmannsdorf (Lkr. Bamberg). Ergebnisse der Lehr- und
Forschungsgrabung (im Druck; bzw. Online-Publikation auf
www.jungsteinSITE.de).
Abb.1: Verbreitung von Schnurkeramik und Glockenbechern
[Spuren der Jahrtausende (= Lit. 36) S. 117,
Abb. 201c / AXT und RAD S. 8, Abb.1]
Quelle
T. Seregély u.a., Axt & Rad en miniature, Aussergewöhnliche
Zeugnisse der Jungsteinzeit vom Motzenstein bei Wattendorf
(Begleitheft zur Sonderausstellung im Fränkische Schweiz-Museum
Tüchersfeld vom 18.03. bis 29.05.2005), Tüchersfeld 2005.
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Fragmente schnurkeramischer Amphoren
vom Motzenstein: Ösenhenkel, Randstücke.
Schnurkeramische Amphoren aus Sachsen
als Vergleichsstücke zu den Fragmenten vom Motzenstein
Schnurkeramische Amphore
mit Henkelösen
aus Sachsen. Deutlich sind Ornamente aus
schnurartigen Eindrücken zu erkennen. [D.
Sch.]
Abb. 2: Nachweise des
Endneolithikums
in Oberfranken.
Die grünen Markierungen bezeichnen Fundstellen,
an denen Grabungen im Zuge des Forschungsprojektes durchgeführt wurden.
=>
Die
Grabungen am Motzenstein bei Wattendorf, BA
[Vorbericht der Uni Bamberg:
Internetseite von Uni Kiel]
Die Sonderausstellung AXT
& RAD en miniature war in Tüchersfeld vom 28. März bis zum 29. Mai 2005 zu sehen.
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