Die Jungfernhöhle bei Tiefenellern 

[UNTERWEGS im Bamberger Land, Fränkischer Tag: S. 67 Tour 7]

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[Zweifel an der Opfertheorie]
"Als „Ötzi", der weltberühmte Gletschermann vom Similaun, geboren wurde, war die Jungfernhöhle schon eine Kultstätte mit über 1000-jähriger Geschichte. Das unscheinbare Felsloch am Rande des Albabbruches, unweit von Tiefenellern gelegen, öffnet wie ein Fenster den Blick auf die letzten 7000 Jahre Heimatgeschichte. Ein Abgrund, der schaudern lässt. Die Ausgräber des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege entdeckten 1952 auf dem Grunde eines drei Meter tiefen Schachts neben vielen steinzeitlichen Scherben Gebeine von 26 Kindern und Jugendlichen sowie von 15 Erwachsenen. Ihre Langknochen waren zertrümmert, die Schädel wiesen am Hinterhaupt Löcher auf, die Frontzähne fehlten.  Der Schluss der Archäologen lag nahe: Die Jungfernhöhle, so wurde es seither immer wieder dargestellt, dürfte eine Kultstätte gewesen sein, in der die Bandkeramiker vor über 6000 Jahren Menschenopfer darbrachten und unter großer Gewaltanwendung kannibalische Riten vollzogen.

[Natürlich entstandene 'Sprödbrüche']
   Erst vor wenigen Jahren hat der Mediziner Jörg Orschiedt Zweifel an dieser blutrünstigen Interpretation geweckt. Bei seiner neuen Untersuchung der Gebeine mit Hilfe gerichtsmedizinischer Methoden wies Orschiedt nach, dass die Knochen bis auf eine Ausnahme zertrümmert wurden, als diese Menschen schon lange Zeit tot waren. Auch bei den Schädelverletzungen handelt es sich nach Darstellung des Mediziners nicht um „frische" Öffnungen, sondern um spätere „Sprödbrüche" ohne Anzeichen von menschlicher Gewalt. Gegen die Annahme einer Opferstätte spricht auch die Tatsache, dass viele kleinere Knochen, zum Beispiel von Hand- und Fußskeletten, nicht in der Höhle zu finden waren und statt dessen kompakte, große und stabile Lang- und Schädelknochenteile überdurchschnittlich häufig vorlagen. Die Schlussfolgerung von Orschiedt liegt auf der Hand: Seiner Meinung nach wurden in der Jungfernhöhle keine vollständigen Körper deponiert, sondern Knochen von einer ersten Begräbnisstätte dorthin umgelagert

[Hinterlassenschaften aus verschiedenen Kulturen]
 Waren die ersten Oberfranken Kannibalen oder hingen sie nur der Zweitbestattung an? Welche These auch immer zutrifft, die Funde in der Jungfernhöhle haben ein wenig Licht ins Dunkel der frühen Geschichte des Bamberger Landes gebracht. Die Öffnung im Fels erwies sich als ideale Zeiten-Falle. Der Lauf der Jahrhunderte ließ unter dem Höhlenschlund einen regelrechten Schuttkegel entstehen. Die Erhaltungs-bedingungen waren so ausgezeichnet, dass Scherben aller jungsteinzeitlichen Kulturen, vor allem aber der Bandkeramiker, enthalten waren und kaum gelitten haben. Auch Hinterlassenschaften aus der Bronze- und Eisenzeit steckten in der Kulturschicht der Jungfernhöhle. Noch im Mittelalter bis in die Neuzeit hinein wurde das Loch aufgesucht und diente offenbar als Zufluchtsort und Abfallgrube.

[Gesicherte Altersbestimmungen]
   Am Alter der Skelettreste gibt es nur wenig Zweifel. Bereits 1975 hat eine radio­logische Untersuchung ein Alter von etwa 6150 Jahren ergeben. Ein 1995 erfolgter Test von zehn Knochenproben unterschiedlicher Individuen in Zürich bestätigte die Einschätzung, dass die Höhle vor allem von Bandkeramikern aufgesucht wurde. Acht der untersuchten Knochenproben wiesen ein Alter von 6100 bis 6800 Jahren auf, zwei gehen auf die Zeit vor 4700 Jahren zurück.

   Wer waren die Menschen, die vor 6000 Jahren auf dem Schlossberg oberhalb Tiefenellerns lebten - und vermutlich an vielen Plätzen auf dem Jura? Wenig ist über sie bekannt: Sie beherrschten den Ackerbau und wohnten in bis zu 30 Meter langen Häusern; sie waren anders als alle nachfolgenden Kulturen ein Volk, von dem keine Waffen und Verteidigungsanlagen bekannt sind. Dafür besaßen ihre Keramikgefäße eine bis dahin nicht gekannte Perfektion."

[Leseprobe aus UNTERWEGS im Bamberger Land, Fränkischer Tag: S. 67 Tour 7]

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  Abb. 1

Der Eingang zur Jungfernhöhle
[Aufnahme: BLfD, Schloss Seehof]

 
  Abb. 2

Die restaurierten bandkeramischen Gefäße [(3), S. 17]

 

   Abb. 3

Zwei bandkeramische Gefäße [BLfD: Helmut Voss]
Höhe der Flasche: 13,5 cm


   Abb. 4

Kopien der beiden Gefäße im Archäologie-Museum
Oberfranken in Forchheim [Foto: D. Sch.]


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