Altstraßen im Kulmbacher Land

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Alte Wege und Straßen

Erstmals in der Karolingerzeit (um 800 n.Chr.) wurden in Mitteleuropa planmäßige Fuhrwege ausgebaut. Bis in das 18. Jahrhundert waren selbst die bedeutendsten Heer- und Handelsstraßen nur unbefestigte Wege ohne künstlichen Belag. Sie mussten deshalb dort verlaufen, wo der Untergrund und die Bodengestalt dem Verkehr günstig waren. Die Höhenzüge waren für den Landverkehr günstiger als feuchte Täler, vor denen die alten Straßen meist auswichen.

Die alten Wege verliefen daher stets auf den Hügel- und Bergrücken, am liebsten auf Wasserscheiden, da letztere wenig durch Quertäler unterbrochen waren, das Erdreich fester war, der Untergrund schneller abtrocknete und gute Fernsicht die Orientierung erleichterte.

Abb. 2

“Richtungsbaum“ an der alten Heer- und Handelsstraße bei Azendorf.
Derartige einzelne Bäume dienten früher der Orientierung.
[(3) Markt Kasendorf in Vergangenheit und Gegenwart, S. 90]

Die Hohe Straße als Teil der Egerer Straße
Die “Hohe Straße“ war die wichtigste Fernverkehrsstraße aus alter Zeit, die unser Gebiet berührte.
Das Wort “Hohe“ ist hier wohl wie bei “Hohes Gericht“ oder “Hohe Behörde“ zu verstehen und besagt, dass es sich um eine dem König oder Fürst gehörige - eine Art 'Staatsstraße' - handelte.

Als Teil der “Egerer Straße“ führte sie vom ehemaligen Königshof Hallstadt bei Bamberg heraus über Kaltenhausen, Seubersdorf, vorbei an Zultenberg, um nach dem Abstieg von der Albrandhöhe an Lindenberg, Peesten, Krumme Fohre und Windischenhaig vorbei das Rotmaintal etwa bei Dreschen zu überwinden und ihren Fernzielen, dem Egerer Grund und dem sächsischen Land zuzusteuern.

Nicht immer sind die Spuren dieser Altstraße noch sicher zu erkennen, weil sie nur noch als gewöhnlicher Feld- oder Waldweg zu finden sind oder Reuthaue und Pflug sie gänzlich zerstört haben. Wenn man vom Kasendorfer Friedhof aus die Straße nach Lindenberg geht und vor Lindenberg die Höhe erreicht hat, überquert man unsere Altstraße.

Auf der 'Heufuhr' hinauf nach Zultenberg
In Richtung Zultenberg steigt die, seit etwa 10 Jahren geteerte “Heufuhre“ in einem tiefen Hohlweg durch die Waldabteilung “Röthelgrube“ steil bergan. Dieser alte Schluchtenweg, stellenweise 5 m tief in den Sandstein des Braunjura eingeschnitten, zeigt uns den Verlauf unserer Altstraße.

Da hier auf kürzester Strecke ein Höhenunterschied von 60 m zu überwinden ist, kann angenommen werden, dass das „castrum“, die Burg der Rauschner zu Lindenberg, nicht nur der Sicherung und dem Schutz der Altstraße, sondern zugleich auch als Vorspannstation gedient haben wird, um den steilen Juraanstieg zu ermöglichen. Die mittelalterlichen Straßen waren nicht unbedingt darauf bedacht, die bequemste, in der Regel dann mit Umwegen verbundene Linienführung zu suchen, sondern gaben der kürzesten den Vorzug.

Wenn wir nun aus dem Bereich des Lias (Schwarzen Jura) in den Dogger (Braunen Jura) emporgestiegen sind (seine durch Eisenoxyd rot gefärbten Tone wurden früher in der Röthelgrube als Farbstoff gewonnen), verläuft die Altstraße noch ein Stück weit fast eben durch den Wald. Am Waldrand hört der sandige Braunjura plötzlich auf, und wir treten in den Bereich des Malms, des Weißen Juras. Wir haben nämlich die Weismainer Verwerfung überschritten, an der die nordöstliche Scholle so weit gehoben worden ist, dass der Dogger neben dem Malm liegt.

Auf gleichbleibender Höhe verläuft die Altstraße, nunmehr ohne Teerbelag, nahezu geradeaus weiter, um unmittelbar außerhalb des Waldstücks “Büsch“ die jetzige Kreisstraße Kasendorf - Zultenberg - Weismain zu überqueren. Die Altstraße bildete hier vor der Gebietsreform die Grenze zwischen den Landkreisen Kulmbach und Lichtenfels. Sie verlief nun weiter über den Heidelknock, der an einigen Felsen kenntlich ist, und dann in einer Mulde auf Azendorf zu. Von ihm zweigt 650 m nördlich dieses Dorfes, bei einer großen Linde, ein Weg nach Westen ab, der südlich an Seubersdorf vorüberzieht. Vor dieser Ortschaft schied er einst die Markgrafschaft Kulmbach-Bayreuth vom Bistum Bamberg, war also später auch Konfessionsgrenze.

Die Hohe Straße im Peestener Wald
Von unserem Ausgangspunkt oberhalb Lindenberg finden wir auch in entgegengesetzter Richtung nach Peesten - Krumme Fohre zu die “Hohe Straße“ in selten guter Erhaltung. Auf der in Zielrichtung verlaufenden Hanghöhe zwischen Lindenberg und dem “Heubscher Teich“ strebt sie als Feldweg der Waldabteilung “Eichig“ zu.

Nach dem Austritt aus dem Wald auf der “Höhe“ südlich von Peesten führt sie mit der Flurnamenbezeichnung “Hohe Straße“ in gerader Linie, teilweise eingeschnitten und von Hecken gesäumt, zum Sandsteinbruch in der Straßengabel Staatsstraße Kasendorf-Kulmbach/Abzweigung nach Peesten. Anschließend schneidet sie die heutige “Eselskurve“ der Staatsstraße. In ihrem weiteren Verlauf bleibt sie am Südrand der Windischenhaiger Hölzer, zieht mit ganz geringen Steigungen und Gefällen an Kemeritz vorbei in Richtung Lanzenreuth/Dreschen, um dort den Roten Main zu überqueren und in Richtung Fichtelgebirge weiterzuführen.

Schon in den letzten mittelalterlichen Jahrhunderten war es auf der alten “Hohen Straße“ still geworden. Ihre Mission war erfüllt! Wie es dazu kommen konnte und musste? Die Territorialienbildung jener Zeit mit ihren grundherrlichen Besitzveränderungen brachte Grenzen, deren Folgen zur Verlagerung der Geleitstraße Kulmbach-Bamberg in das aufstrebende burggräfliche Kasendorf führten. Die aus einem Ministerialiengeschlecht der Andechs-Meranier hervorgegangenen “Ritter Förtsch v. Menchau - später Thurnau“ haben zu ihrer kleinen Herrschaft Thurnau das nördlich anschließende Waldgebiet (mit dem Mittelpunkt Peesten-Buchau) von den im Niedergang begriffenen Walpoten (Gewaltboten) erworben und bereits vor 1308 ihrer Herrschaft zugeschlagen.

Verfall der 'Hohen Straße'
Wir wissen, dass diese Erwerbungen sowohl den Neid des Burggrafen von Nürnberg als auch der Bischöfe von Bamberg erregten. Da um diese Zeit die neue Straße Bamberg-Kulmbach über Kasendorf geführt wurde und zwangsläufig damit die über die Albhöhen aus Bamberg herangeführte “Hohe Straße“ ver1egt und schon bei Kasendorf zu Tal geführt werden musste, konnte der Verfall unserer Altstraße nicht ausbleiben. Die Einrichtung der burggräflichen Geleite auf der neuen Straße über Kasendorf, nicht auf der alten Wegebahn an Lindenberg vorbei, lässt die Stillegung der “Hohen Straße“ unschwer als 'Trutzhandlung' der Burggrafen bzw. der nunmehrigen Markgrafschaft Plassenburg - Kulmbach erkennen.

Ab 1400 wird in Urkunden stets nur noch vom Geleitweg über Kasendorf gesprochen, so:
- 1408: Geleite über Casendorf, “das Gepirge bis gen zu dem Kreuz an der Kalten Herberg" (heute Kaltenhausen) u. Welkendorf

- 1538: Am 1. Juli wurde in Forchheim in Sachen des Bischofs Wigandt zu Bamberg und dem Markgrafen vereinbart: “Das Geleit vom Kreutzbach durch den Ebermannstadter Grund auf der Ebermannstadter Straße bei Casendorf auf und ab, soll gemeinschaftlich, von Bamberg bis Casendorf Bambergisch, von Casendorf hingegen nach Kulmbach und Hof gemeinschaftlich seyn. Nimmt man aber von Hollfeld aus den Weg über Casendorf, so bleiben das Gelait gemeinschaftlich bis zur Marter ab Holfeld ab der Höhe beym Jungholz, und von da Brandenburgisch."

Der Verfall unserer Altstraße war übrigens keine Einzelerscheinung der damaligen Zeit, weil ab 1400 der wachsende Verkehr verbreiterte Straßen suchte. Für viele der von Karl. d. Großen angelegten Straßen ging der Charakter verloren und sie mussten verfallen.

Die neue 'Alte Straße' von Kulmbach nach Bamberg
Vermutlich wurde die Straße über Kasendorf damals sofort in der notwendigen Breite angelegt. Diese sog. “Alte Straße“ führte, von Kulmbach kommend, an der Urpfarrei Melkendorf vorbei, über die bereits 1308 im Landbuch der Herrschaft Plassenburg erwähnte Rotmainbrücke, durch Krumme Fohre in gerader Linie über den Sandberg nach Kasendorf. Die hinter Kasendorf beginnende Steigung des Jurasteilrandes überwand sie auf der südlichen (linken) Seite des Taleinschnittes rechts vor der Friesenquelle. Erst zur Zeit Napoleons wurde am gegenüber-liegenden Hang des “Reuther Berges“ die unter dem Namen “Alter Berg“ bekannte Straße angelegt. Die am Beginn des Taleinschnittes liegende Schluchtrinne wurde auf einer jetzt teilweise eingefallenen, aus Kalksteinen gewölbten Brücke überquert.

Überwindung des Defilés von Kasendorf
Die schmale, auf den Berg führende Hohlgasse war, um einen militärischen Ausdruck früherer Zeit zu gebrauchen, ein Defilé. Als im siebenjährigen Krieg Prinz Heinrich von Preußen im Mai 1759 ins Maingebiet einfiel, zog eine seiner Heeresabteilungen unter General von Itzenplitz von Kulmbach und Kasendorf über das Gebirge. Die glückliche Überwindung des Defilés von Kasendorf wird auf einer zeitgenössischen Karte, die sich im Kulmbacher Stadtarchiv befand, eigens erwähnt. [Leider ist diese Karte dort nicht mehr vorhanden.]

Nach dem Durchschreiten des Engpasses stellten sich die preußischen Truppen auf der Hochfläche zwischen Reuth und Welschenkahl in Schlachtordnung auf. Ihre Gegner, aus Kroaten bestehende Teile der Reichsarmee, hatten sich bis westlich Azendorf zurückgezogen und im Walde des Pfarrers ein Lager errichtet. Dabei richteten sie durch Fällen von schwächeren und Schälen von stärkeren Stämmen beträchtlichen Schaden an (Bericht im Kirchturmkopf von Azendorf).

Nach Erreichen der Hochfläche gelangte man nach Azendorf und weiter über Scheßlitz nach Bamberg.
[Nach Rudi Arnold in (3), S. 90 ff.]

Literatur
(1) Hans EDELMANN, Oberfränkische Altraßen. Die Plassenburg Band 8,
      Kulmbach 1955.
(2) Manuskript von Richard LENKER, ehemals Stadtarchivar in Kulmbach

(3) Markt Kasendorf in Vergangenheit und Gegenwart, 1986 -
     Heimatbuch  zum 700-jährigen Jubiläum des Marktes
(4) Schwarz Klaus: Frühmittelalterlicher Landesausbau im östlichen Franken
     zwischen Steigerwald, Frankenwald und Oberpfälzer Wald.
     Monographien des RGZM, Band 5, Mainz 1984

 

   Abb. 1

Die wichtigsten Altstraßen Oberfrankens im Mittelalter
[Karte nach Klaus Schwarz, Beilage 14 in (4)]

Rot gefüllte  Quadrate              =>   Königshof             
Schwarz gefülltes Quadrat        =>   Burg an Hoher Straße                    
Doppelter Kreis                         =>   Große karoingisch-ottonische
                                                        Mittelpunktsburg (Bamberg)
Einfacher gefüllter Kreis            =>   Kleine karolingisch-ottonische 
                                                         Mittelpunktsburg
Dreieck mit Spitze nach oben    =>   Frühe karolingisch-ottonische
                                                         Mittelpunktsburg
Dreieck mit Spitze nach unten   =>   Frühe Adelsburg / Burg freier Grundherre
n  

 

 

 

  Abb. 3

Beilage zu (1): Ausschnitt aus einer Heimatkarte (Fritsch) mit von
Hans Edelmann eingetragenen Altstraßen. In dem seinem Buch sind die Straßenverläufe (hier mit Nummern versehen) genauer erklärt.

=> Oberer Anschluß: Der Frankenwald von Stadtsteinach bis Münchberg

 

  Abb. 4

Blick vom 'Sandberg' oberhalb von Krumme Fohre nach Westen.
Die Heckenreihe in der Mitte (teilweise mit Hohlweg) markiert 
den Verlauf der 'Hohen Straße', die durch den Peestener Wald
(rechts in der Mitte) weiter nach Lindenberg führt. Im Hintergrund 
der Steilanstieg des Jura (hier der 'Bocksrück').

 



 Abb.5

In einer Heckenreihe (Abb. 4 in der Mitte) ist die alte Straße
teilweise noch als Hohlweg zu sehen. Hoffentlich wird dieser
nicht noch weiter eingefüllt.
 



  Abb. 6

Blick etwa nach NO auf den Peestener Wald zu
Die 'Hohe Straße' verläuft etwa auf dem Feldweg 
(hinten am Waldrand) linkerhand auf Lindenberg zu.


 


  Abb. 7

Auf der Topographischen Karte ist hier "Hohe Straße"
zu lesen (Blick nach Westen in Richtung Lindenberg).

 

 

  Abb. 8

Straßenkarte um 1700 [aus (3), S. 95]

 

 

  Abb. 9

Straßenkarte von 1720 mit Ritterguth Peesten (Ausschnitt)


 

 

  Abb. 10

Das Hochstift Bamberg, J. B. Roppelt, 1799. Kolorierte Übersichtszeichnung
mit Ämtereinteilung und Angabe der Anrainer. Aus: Hans Vollet, Weltbild und Kartographie im Hochstift Bamberg. Die Plassenburg, Band 47, 1988, Abb. 1


 

  Abb.11

Das Hochstift Bamberg aus der Schönborn-Ära, um 1740 entstanden
Matthäus Seutter, Augsburg um 1740 Aus: Hans Vollet, Weltbild und
Kartographie im Hochstift Bamberg. Die Plassenburg, Band 47, 1988, Abb. 1

 


  Abb.12

Altstraßen auf dem Jura südlich von Weismain
[ARGE Büttner Habermehl Röhrer 2003]


 

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