[Größter hallstattzeitlicher Friedhof]
"An das bekannte große
hallstattzeitliche Grabhügelfeld im Geisberger Forst, das bereits im
vergangenen Jahrhundert »ausgegraben« wurde, schließt sich im Norden
eine Ackerfläche an, auf der wir in den vergangenen drei Jahren die
spärlichen Reste völlig verebneter Gräber untersucht haben (Abb. 57).
Die an sich enttäuschenden Befunde ergänzte zum Teil qualitätvolle
älterhallstattzeitliche Keramik, ohne daß auch nur ein einziges
Grabinventar komplett erhalten war. Hinzu kamen die typischen Beigaben
eines frühlaténezeitlichen Männergrabes, das man offensichtlich im
Randbereich eines Hügels eingetieft hatte: ein Kastengürtelhaken und
zwei Koppelringe aus Eisen sowie eine Fibel, ein kleiner Anhänger und
ein Ringlein aus Bronze.
[Steinkreise eines zweiphasigen Grabhügels]
Das Ende der
Grabungssaison 1991 bescherte uns nun einen außergewöhnlichen Befund
(Abb. 58; 59). Zuerst wurden die kärglichen Reste zweier annähernd
konzentrischer Steinkreise eines zweiphasigen Grabhügels freigelegt. Im
Bereich des inneren Steinkreises, dessen ursprünglicher Durchmesser 11 m
betrug, fanden sich als älterhallstattzeitliche Nachbestattungen drei
Urnengräber, eine Erscheinung, die sich in Oberfranken mehrfach
nachweisen läßt, so beispielsweise in Tannfeld und Wichsenstein. Es
handelt sich hier wohl um die Bestattungen einer ärmeren, abhängigen
Bevölkerungsschicht. Durch die Urnengräber und ein paar verstreute
Scherben im Bereich der ehemaligen Kammer ließ sich dieser Hügelrest in
die Stufe Ha C datieren.
Der äußere, jüngere
Steinkreis hatte einen Durchmesser von ursprünglich 16 m. Weder der
Hügel, den er umschloß, noch die vielleicht Ha-D-zeitliche Bestattung
waren erhalten. Lediglich ein kleines Pfostenloch markierte das
Hügelzentrum, von dem aus man den Steinkreis abgesteckt hatte.
[Ein rätselhaftes Graben- und Pfostensystem]
Soweit fiel dieser
Befund nicht aus dem üblichen Rahmen. Unter den Steinkreisen fand sich
nun aber eine planierte Aufschüttung, die ihrerseits ein Graben- und
Pfostensystem überdeckte, das dank des äußerst umsichtigen Vorgehens des
Grabungstechnikers so klar zutage treten konnte. Dieser Befund besteht
aus zwei voneinander getrennten Systemen. Das ältere setzt sich aus zwei
konzentrischen Gräben zusammen, deren Breite etwa 1-1,5 m und deren
Tiefe 30-50 cm betrug, wobei der äußere Graben den inneren in den Maßen
ein wenig übertraf. Der Raum zwischen beiden Gräben mißt im Westen l m
und im Osten 50 cm. Der äußere Graben wies im Nordnordosten einen 4 m
breiten Eingang auf. Genau gegenüber, also im Südsüdwesten, lag der
Eingang des inneren Grabens. Er war ebenfalls 4 m breit, wurde aber
durch zwei Pfosten auf 2 m Breite eingeengt. Die Mittelachse wich von
der Nord-Süd-Richtung um 25 Grad ab. In den Graben eingeschwemmte,
teilweise zu denselben Gefäßen gehörende Keramikscherben (Abb. 60) und
die Tatsache, daß das Grabensystem unter der frühhallstattzeitlichen
Hügelbestattung lag, sprechen für eine Datierung des Befunds in einen
älteren Abschnitt der Stufe Ha C.
[Graben und Pfostenlöcher]
In der Innenfläche
sowie außerhalb des Grabensystems fand man sechs paarweise angeordnete
Pfostenlöcher, die einen deutlichen Bezug zueinander erkennen lassen und
jünger als die beiden Gräben, aber älter als die Bestattungen sind.
Offensichtlich wurde dieser Komplex durch die Anlage des jüngsten
Grabhügels so stark in Mitleidenschaft gezogen, daß sich nur noch
geringe Teile erhalten haben. Deutlich wird aber, daß die Pfosten in
drei parallelen Reihen stehen, deren gemeinsame Mittelachse nordsüdlich
orientiert ist. Es erhebt sich nun die Frage nach der Bedeutung des
Grabensystems. Es kann sich weder um einen Wohnkomplex noch um ein Grab
handeln. Da sowohl die Gräben als auch der durch die Pfostenstellung
rekonstruierbare Kreis annähernd konzentrisch zu den Steinkreisen der
Grabhügel angelegt sind, dürfte es einen Bezug der einzelnen Systeme
zueinander gegeben haben. Man wird wohl kaum fehlgehen, wenn man das
Grabensystem mit dem Bestattungsritus in Zusammenhang bringt, zumal die
Südsüd-west-Nordnordost-Achse der Gräben und die Süd-Nord-Achse des
Pfostensystems der Ausrichtung hallstattzeitlicher Gräber entsprechen.
Auch bei ihnen variiert die Abweichung von der Süd-Nord-Achse im
allgemeinen von Südsüdwest-Nordnordost bis Südsüdost-Nordnordwest.
[Ein Heiligtum für Bestattungszwecke?]
Obwohl es keinerlei
Hinweise auf kultische Handlungen gab, sieht man einmal von den
Keramikscherben in den Gräben ab, die auf ein absichtliches Zerscherben
von Gefäßen hindeuten mögen, scheint es sich hier um ein
Funeralheiligtum zu handeln. Da die Anlage offenbar aus der frühesten
Hallstattzeit stammt, mag man sie zur Einweihung des ältesten
Friedhofsteils errichtet haben. Ähnlich wie die Steinkreise oder
Kreisgräben der Grabhügel markierten auch diese beiden Gräben eine
Tabuzone, deren innersten Bereich wohl nur die Priesterschaft betreten
durfte. Der Zugang muß von Nordnordosten her über den l m breiten Steg
zwischen den Gräben der Westseite erfolgt sein, der nur hier die zum
Begehen notwendige Breite erreichte. Die sorgfältige Ausgrabung zeigte
deutlich, daß außer den beiden Gräben keinerlei weitere Bauelemente
existiert haben, sieht man einmal von an der Oberfläche aufgestellten
Steinen oder hölzernen Figuren ab, die sich archäologisch nicht
nachweisen lassen. Es handelt sich also bei unserem Heiligtum um eine
Anlage, die mit wenig Aufwand errichtet wurde, weil sie keine dauerhafte
Funktion zu erfüllen hatte, sondern lediglich für eine einmalige
kultische Handlung gedacht war. Das bestätigt auch die Verfüllung der
Gräben, die relativ rasch erfolgt sein muß, weil Keramikscherben unter
einer dünnen Einschwemmschicht an darüberliegende Stücke passen. Das
Grabensystem wurde mit größter Wahrscheinlichkeit nicht gereinigt und
kann demzufolge nur wenige Monate offen gelegen haben. Möglicherweise
wurde dieses Heiligtum durch die jüngere Pfostenanlage ersetzt.
Allerdings ist von ihr viel zuwenig erhalten, um ihren Aufbau auch nur
annähernd rekonstruieren zu können. [Abb.61]
[Zur zeitlichen Abfolge]
Aufgrund des
Ausgrabungsbefunds läßt sich die Abfolge in der Bebauung recht klar
erschließen: Wohl zu Beginn der Stufe Ha C legte man das Heiligtum an
und überbaute es nur wenig später mit der Pfostenkonstruktion. Dann
überzog man das Areal mit einer bis zu 30 cm starken Planierungsschicht
und errichtete darauf den älteren, frühhallstattzeitlichen Grabhügel mit
Steinkreis, in den man dann die Nachbestattungen eintiefte. Schließlich
wurde zu einem späteren Zeitpunkt, vielleicht in der Stufe Ha D, der
Grabhügel überhöht und mit einem größeren Steinkreis umschlossen.
Literatur
K. Schwarz, Die vor-
und frühgeschichtlichen Geländedenkmäler Oberfrankens. Materialh. Bayer.
Vorgesch. 5 (Kallmünz 1955) 48f. - B.-U. Abels, Archäologischer Führer
Oberfranken. Führer arch. Denkmäler Bayern. Franken 2 (Stuttgart 1986)
133 ff."
[B.-U. Abels in: Das
Archäologische Jahr in Bayern 1991, S. 86 ff]