Die Bamberger Götzen - 2 -
[Cornelia Lohwasser,
Götzen, Becher, Zehnerla: Flussfunde aus Regnitz und Main. In:
Regina Hanemann (Hrsg.), Im Fluss der Geschichte.
Bambergs Lebensader Regnitz, Bamberg 2009, 182-190]
"Die sogenannten „Bamberger Götzen"
wurden im Sommer 1858 bei der Anlage der Gaustadter Spinnerei ERBA
gefunden (Abb. 1). 20 Sie lagen zusammen mit Rannen 21
im Geröll unter mehr als drei Metern Schwemmsand. Darüber befanden sich
„in breiter Streulage" zwei Einbäume, die mit Steinplatten beladen
waren, dazu ein kreisrunder Eichentrog, ein Schwert, eine Sichel, zwei
kupferne Schilde, Hafteln und Scherben von Urnen, Krügen, Gläsern und
Ziegeln, allesamt Gegenstände jüngeren Datums. Leider sind diese Beifunde, die vielleicht eine Datierung erleichtert hätten, nicht mehr
vorhanden
[- das
Schwert ausgenommen (D. Sch.)].
[Die Bildsteine im einzelnen]
Die Figuren bestehen aus eisenhaltigem Keupersandstein, der im
Michaelsberger Wald, an der Altenburg und im ganzen Steigerwald bis nach
Würzburg ansteht. Aus dem gleichen Material bestehen auch der Bamberger
Reiter, der Dom und viele andere Gebäude.
Figur l
ist in der Mitte gebrochen, 1,44 m hoch und der Form nach eine platt
gedrückte Walze. Ein bärtiges Gesicht und die Arme mit übereinander
gelegten Händen sind als flaches Relief eingearbeitet, die Fingerspitzen
bilden eine senkrechte Reihe. In der Fußgegend verlaufen zwei dicke
Wülste. Auf der Rückseite ist ein Oval eingraviert, welches vier
horizontale Strichbündel zu je drei Strichen enthält.
Figur 2 misst 1,48 m und ist quer in drei Teile zerbrochen. Der Stein ist nur
im oberen Teil eine platt gedrückte Walze, ab der Mitte bis unten auf
der Rückseite geradezu ausgehöhlt. Der Stein hatte im unteren Bereich
einen „Stich", ein Bruch in diesem Bereich war also schon
„vorprogrammiert". In „Kniehöhe" verläuft ein flacher Wulst, auf dem
Rücken findet sich wieder ein Oval mit zehn horizontalen Linien.
Figur 3
ist eher walzen- oder „bienenkorb"-förmig, vorne platt und 1,08 m hoch.
Ein Gesicht ist kaum erkennbar, Arme und Hände sind als flaches Relief
ausgebildet, die Hände übereinander gehalten, die rechte Hand hat vier
Finger. Die Figur zieht nach unten ein, um die Leibesmitte verläuft eine
schwache Kehle.
Von allen drei Götzen wurde zum Zweck
ihrer Reproduktion für die Prähistorische Staatssammlung ein digitales
Aufmaß erstellt 22 (Abb. 2), durch welches Formen und
Binnenstrukturen sehr deutlich zu erkennen sind. Seitdem die Götzen ans
Tageslicht kamen, sind sie Gegenstand kontroverser Diskussionen und, was
Identität, Herkunft und Alter betrifft, schwer einzuordnen. Viele
Heimatforscher, Historiker und Archäologen haben sich eingehend mit den
Figuren befasst. Genannt werden müssen in erster Linie Johann Joseph
Morper, Hans Jakob und Hermann Födisch. 23
[Wie kamen die Götzen in den Fluss?]
Wie sind die Götzen in den Fluss
gekommen? Eine gängige Meinung ist, dass sie „gewaltsam" dorthin
verbracht wurden.24 Zu solchen Vorfällen gibt es mehrere
mittelalterliche Quellen, welche die Vernichtung von Götzenbildern im
Zuge der Christianisierung schildern (Gregor von Touirs, Vita des hl.
Gallus). Dahinter steht der Gedanke, dass ein Ertränken der Götzen
deren Machtlosigkeit aufzeigt. Daneben gibt es die Meinung, dass die
Götzen Opfer eines Hochwassers wurden und, weil sie ufernah standen, in
den Fluss stürzten. Als möglicher Zeitpunkt wird jene kleine Eiszeit im
14. Jahrhundert angegeben.
In Bamberg und Umgebung soll es einst
weitere solche Steinmänner gegeben haben. 25 Neben den noch
existierenden drei aus Bamberg/Gaustadt und einem aus Ebrach können
mehrere verschollene angeführt werden. Auf „alten Karten" verzeichnet
wären drei Figuren aus Prölsdorf im Steigerwald, drei im Wald bei
Zentbechhofen und drei in Lichteneiche am Ausgang zur Bamberger Straße.
Auch aus Würzburg ist ein derartiger Flussfund bekannt. Bei
Ausschachtungen für einen Brückenpfeiler im Main stieß man um 1480 auf
drei Steinbilder mit „heidnischem Charakter". Sie wurden in der Nähe des
Domstiftes öffentlich aufgestellt und sind heute verschollen. 26
Werden die noch vorhandenen vier und die verschwundenen zwölf
zusammengezählt, macht das insgesamt 16 Exemplare.
[Was stellen die Götzen dar? Wie alt
sind sie?]
Die Frage nach Identitität und Herkunft
der Götzen wirft größte Probleme auf. In Verbindung mit der
Identifizierung steht natürlich auch ihre Datierung. Es gibt zwei
Grundthesen: Entweder sind es: vorgeschichtliche Bildsteine oder
Skulpturen des ersten Jahrtausends n. Chr. Die ältere Forschung
datierte die Götzen weit in die Vorgeschichte. Diese Annahme hielt sich
noch bis in die jüngste Zeit, wo sie zuletzt als östliche Ausläufer
hallstattzeitlicher Grabstelen angesprochen wurden. 27 Die
neuere Forschung setzt ihre Entstehung nach Christi Geburt. 28
Dabei reichen die Deutungen von karolingischen Grenzsteinen bis zu
Grabsteinen eines attilazeitlichen Fürstengrabes. Eine andere Theorie
setzt die Bamberger Götzen mit Abbildern von Ungarnkriegern gleich.
Damit fiele ihre Entstehung in die Zeit der Ungarneinfälle Mitte des 10.
Jahrhunderts.
Allgemein werden die Götzen
inzwischen für frühmittelalterliche heidnische oder christliche
Kultbilder gehalten, wobei die Meinungen zwischen iroschottischer,
germanischer, slawischer, 29 hunnischer und sogar gotischer
Herkunft schwanken.
In jüngster Zeit wird die Meinung
vertreten, die Skulpturen hätten einen christlichen Hintergrund. 30
Sie seien steinerne Bilder von Glaubensboten des 9. und 10. Jahrhunderts
im Laufe der Christianisierung nahe der Regnitz an einem germanischen
Quellheiligtum aufgestellt, um dort das heidnische Gedankengut zu tilgen
und das Gelände gleichsam einer Katharsis zu unterziehen. So soll
allgemein mit germanischen Quellheiligtümern verfahren worden sein. Zur
Bekräftigung wird dazu auf den kleinen Ebracher Götzen Bezug genommen,
der aus dem Ebracher Forst vom so genannten „Dreimännerbrunnen" stammen
soll. Dabei kommt der Ebracher Götze gar nicht von dort, sondern von
einem Grundstück am Rand von Ebrach. 31 Und somit war er
auch nicht einer von dreien, wie durch die Bezeichnung
„Dreimännerbrunnen" des vermeintlichen Fundorts suggeriert wird; der Ort
heißt richtig ‚Der drei Herren Brunnen’ und bezeichnet offenbar drei
Besitzer.
[Statuen mit Bechern oder anderen
Gefäßen]
Bei der Identifizierung der Bamberger
Götzen sind Ikonographie und Machart von entscheidender Bedeutung. Wegen
der nicht einschätzbaren Fundumstände und der verschwundenen Beifunde
muss eine Annäherung über den typologischen Vergleich erfolgen. Die
Götzen können zu den so genannten Becherstatuen gezählt werden,
wenn ihnen auch der eponyme Becher fehlt. Charakteristisch ist ihre Arm-
und Handhaltung. Allen drei Figuren und auch dem Ebracher Götzen gleich
sind die an der Körperachse übereinander gelegten Hände, die ein Gefäß,
einen Kelch oder ein Trinkhorn halten. Dieses Gefäß war mit hoher
Wahrscheinlichkeit aufgemalt; ein Bamberger Steinbildhauer konnte Reste
einer Bemalung feststellen 32. Becherstatuen waren im 19.
Jahrhundert Forschungsgegenstand von Ethnologen und Historikern, die
auf Reisen und durch akribische Aufzeichnungen zu heute nicht mehr
wahrgenommenen, aber noch lange nicht obsoleten Erkenntnissen kamen.
Gefäße, seien sie kelch- oder hornförmig,
drücken sehr wahrscheinlich eine religiöse Idee aus. 33 Etwas
weit hergeholt scheint eine Deutung als Symbol der Trauer im Sinne
einer Tränenvase 34 oder einer Totenurne 35.
Vielleicht enthält das Gefäß aber auch die Trankbeigabe bei der
Beerdigung, also den Trank im Jenseits.36 Dazu müssen stets
auch stilistische Parallelen zu Gebrauchsgefäßen, etwa Milchkannen der
autochthonen Bevölkerung, in Betracht gezogen werden. 37
Dem Gefäß als Universalbehälter kommt
eine vielfältige Symbolik zu. 38 Im Christentum steht der
Kelch als Symbol für die Erlösung, er enthält das Blut Christi, welches
Unsterblichkeit bedeutet. Daneben verbindet er die, die zusammen aus
ihm trinken. Auch in vielen vor- und frühgeschichtlichen Kulturen
erscheint die Kelchsymbolik als Sinnbild für das Leben. Im Kelch ist das
Wasser des Lebens enthalten, er ist der fons vitae. Er ist als Behälter
ein weibliches Prinzip, in Form und Gestalt oft ein männliches. Er kann
sinnbildlich stehen für die Gebärmutter oder auch für den Kopf, also
Leben und Stärke beinhalten, aber auch Unheil und Tod (Pandora, Geist
im Glas) bedeuten. In ihm kann Wandlung und Wiedergeburt stattfinden.
Und obendrein heißen auch die Adern, in denen das Blut als der
„Lebenssaft" kreist, „Gefäße".
39
[Unterschiedliche
Gesichter]
Ist die Armhaltung auch das zentrale
Merkmal der Becherstatuen, so sind doch auch die Gesichter sehr
charakteristisch. Signifikant sind bei den männlichen Figuren vor allem
der Spitzbart, dazu oft ein an den Seiten herunterhängender
Oberlippenbart. Diese Barttracht ist vor allen Dingen in Südosteuropa
und im Osten schlechthin geläufig. Oberlippenbart, Nase und
Augenbrauen, also die erhabenen Teile des Gesichtes, sind bei vielen
Becherstatuen zusammenhängend aus dem Stein herausgearbeitet, so auch
bei Figur l (siehe Abb. 2). An Figur 2 fehlt der Bart völlig, nur die
Nase ist stark herausgearbeitet und hängt wieder mit den kurzen, aber
breiten Augenbrauen zusammen, der Mund ist eine kleine ovale Höhle.
40
Die Augen sind bei den drei Figuren aus
Bamberg im Stein nicht erkennbar, vielleicht waren sie ebenfalls
aufgemalt. Als eingetiefte Rillen sind die Gewandsäume an Figur 2 und
Figur 3 gearbeitet, dazu die ovalen „Schilde" auf dem Rücken der Figuren
l und 2 (Abb. 4). Arme und Hände sind wiederum erhaben, aber sehr flach
herausgearbeitet. Umrisse und Binnenstrukturen der Figuren sind
rudimentär gestaltet, was kennzeichnend für die Becherstatuen ist.
Insgesamt wirken die Figuren spärlich bearbeitet.
[Gedächtnisbilder von
Toten? Balbals oder Stein-Babas]
Becherstatuen kommen im gesamten
eurasischen Bereich vor. Ein Verbreitungsschwerpunkt liegt in
Südrussland; sie streuen locker in den Westen nach Ost- und Westpreußen
über Polen und Ungarn bis zum Schwarzen Meer. Es gibt Belege bis in die
Mongolei und nach Ostturkestan (was etwa dem Territorium des
osttürkischen Kaganats zur Zeit seiner größten Ausbreitung in der Mitte
des 8. Jahrhunderts entspricht). Im Gebiet ihres hauptsächlichen
Vorkommens werden sie als Baby, Balbals oder Stein-Babas bezeichnet.
41 Es gibt sie sowohl männlich als auch weiblich, manchmal
sogar mit langen Zöpfen am Rücken. Sie sind Gedächtnisbilder von Toten
oder Darstellungen von hervorragenden Menschen. Götterfiguren sind sie
nicht, denn diese wurden wahrscheinlich während der Christianisierung
zerschlagen. 42 Die Bilder Verstorbener aber erregten keinen
Anstoß und wurden deshalb nicht zerstört, auch nicht in islamischen
russischen Gegenden. Babas stehen auf Kurganen in Südrussland und
Turkestan, dazu auch in der Nähe von Grabmälern
43 und sogar an Straßen.
44
[Fremde Kulturformen -
Zur Datierung]
Wie gerät nun eine derart fremde östliche
Kulturform nach Oberfranken? Vielleicht über Reiternomaden aus dem
osteuropäischen Raum, die ihrerseits kulturell aus dem
zentralasiatischen Raum gespeist werden. 45 Diese
Reiternomaden vom Stamm der Hunnen waren sicher keine versprengten
Haufen von einem halbem Dutzend Männer. Sie hatten ihre Frauen, Kinder,
Schamanen und Handwerker im Rücken und waren vielleicht zu Hunderten
unterwegs. 46 Möglicherweise hielten die Hunnen sich lange
genug hier auf, um sich kulturell zu verewigen. Ob sie von den
Einheimischen gelitten waren oder ob ihre Figuren gleich nach ihrem
Abzug umgestürzt wurden, kann keiner sagen. Möglicherweise war
Oberfranken einer der westlichsten Punkte ihrer Reise. Immerhin
verwendeten sie hier Zeit und Mühe, ihre Kulte auszuführen. Nach
Einschätzung eines Bamberger Steinbildhauers 47 brauchte der
Handwerker, der die Götzen anfertigte, pro Figur etwa eine Woche. Er
verwendete Werkzeuge, die zur Bearbeitung des Keupersandsteins
[eigentlich] nicht
geeignet waren.
Die Frage der Datierung steht mit der
Identifizierung der Gestalten in engem Zusammenhang. Allen genannten
Deutungen gemein ist ein Zeitraum nach 400 bis zum Hochmittelalter. Eine
hunnisch-awarisch-slawische Herkunft läge eher im 6. bis 8. Jahrhundert,
48 eine christliche in der Karolingerzeit, eine
ungarnzeitliche schließlich im 10. Jahrhundert. Immerhin existiert ein
naturwissenschaftliches Indiz, welches einen terminus ante quem vorgibt:
Die Bamberger Götzen lagen unter der so genannten Staffelbacher
Terrasse, die zwischen 1350 und 1750 entstand. 49
"
[Leseprobe aus: Cornelia Lohwasser,
Götzen, Becher, Zehnerla: Flussfunde aus Regnitz und Main.
In: Regina Hanemann (Hrsg.), Im Fluss der Geschichte. Bambergs
Lebensader Regnitz, Bamberg 2009, 182-190 ); für 22 € erhältlich beim
Tourismus und Kongress Service der Stadt Bamberg - Zwischenüberschriften:
D. Sch.] |
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Abb.1
Fundort der Bamberger Götzen auf dem Flurplan von Gaustadt 1872,
NW LXXXV-22, Vermessungsamt Bamberg
(nach Hans Jakob, Die Bamberger Götzen. Relikte eines attilazeitlichen
Fürstengrabes, in: BHVB 103,
1967, 290-291,
Abb. 1 und 2, Fundort von
Abb. 2 in den Plan Abb. 1 montiert
Abb.2
Bamberger Götzen Figuren 1, 2 und 3 (3D-Scan,
erstellt von der Professur für Restaurierungswissenschaft
der 0tto-Friedrich-Universität Bamberg unter der Leitung
von Dr. Paul Bellendorf)
Abb. 3
Ebracher Götze, (3D-Scan, erstellt von der Professur für
Restaurierungswissenschaft der Otto-Friedrich-Universität Bamberg unter
der Leitung von Dr. Paul Bellendorf)
HM, Inv. Nr. Pl. 2/43
Abb. 4
Bamberger Götzen Figuren 1 und 2, Rückenansicht
(3D-Scan, erstellt von der Professur für Restaurierungs- Wissenschaft
der 0tto-Friedrich-Universität Bamberg
unter der Leitung von Dr. Paul Bellendorf)
Abb. 5
Kopien der 'Bamberger Götzen' im ArchäologieMuseum
Oberfranken in Forchheim =>
Zum Picasa-Webalbum
Die Sandsteinfiguren
wurden 1858 beim Bau der Gaustadter Spinnerei
in etwa 4,5 m Tiefe am alten Regnitzufer entdeckt
(Höhe 1,44 m;
1,48 m und 1,07 m). Sie erinnern an 'Baba-Figuren' östlicher
Reitervölker.
Abb. 6
Originale der 'Bamberger Götzen'
im Historischen Museum
in der Alten Hofhaltung in Bamberg
[Bild von der alten Aufstellung: Foto aus
dem Katalog zur Heinrichs-Ausstellung von 2002 - Foto: Emil Bauer,
Bamberg].
Abb. 7
Originale der 'Bamberger Götzen'
im Historischen Museum
in der Alten Hofhaltung in Bamberg. Vor zwei Jahren wurde bei der
Inventarisation von Altbeständen auch eine 1858 gefundene
Spatha bekannt.
[Neue Aufstellung - Bild: Wikipedia}
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Bildsteinen
von
Bamberg-Gaustadt [J. Haberstroh]
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