Schmetterlinge, Käfer und Spinnen aus aller Welt

Leben für die Naturwissenschaft

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Johannes Kaulfuß - ein anerkannter Insektenforscher
Im Landschaftsmuseum Obermain auf der Plassenburg ist ein großer Raum allein dem Kulmbacher Naturforscher Johannes Kaulfuß (1859-1947) und seiner einzigartigen Sammlung insbesondere von Schmetterlingen, Spinnen, Skorpionen und Käfern aus aller Welt gewidmet. Die Besucher sind beeindruckt von dieser sehenswerten Exhibition, die von der Kulmbacher Wissenschaftlerin Dr. Eleonore Hohenberger vorbereitet und aufgebaut wurde. ...
„Die älteren Bürger erinnern sich noch des spitzbärtigen alten Herrn mit den klugen, lebhaften Augen und dem energischen Gesicht, das kaum ahnen ließ, was für ein unendlich gütiger Mensch Johannes Kaulfuß sein konnte." Mit diesen Worten beschrieb der frühere Heimatforscher, Kulturreferent und Oberstadt-schulrat Max Hundt den Wissenschaftler, der 1928 seiner Vaterstadt eine inner-halb von 50 Jahren bei Expeditionen rund um den Erdball zusammengetragene, aus 27 000 Schauobjekten bestehende Sammlung vermacht und damit den Grundstein für ein Naturwissenschaftliches Museum auf der Plassenburg gelegt hatte.

Kindheit und karge Jugend
Geboren wurde Johann Simon Kaulfuß am 17. Juli 1859 in Culmbach im Haus mit der Nummer 210 (Festungsberg 11) als Sohn des Tünchers Karl Philipp Kaulfuß und seiner Ehefrau Johanna Rosina, geborene Felbinger. Die Kaulfuß stammten aus der Rheinpfalz. Georg Philipp Kaulfuß, der Großvater von Johann, musste als Pfälzer unter Napoleon 1. den Feldzug nach Russland mitmachen und ließ sich dann 1816 in Kulmbach nieder, wo er als Drechsler tätig war. Sein Sohn Karl Philipp war kein einfacher Tüncher, sondern ein gelernter Dekorationsmaler, der Arbeiten in den Schlössern Thurnau, Wernstein und Guttenberg ausführte. Er starb schon 1868, so dass der gerade neun Jahre alte Johann zu seinen Großeltern kam.

In dem aufgeweckten Jungen waren inzwischen bereits die Freude an der Natur und ein gewisser Forschungsdrang erwacht. Schon in seinen Kinderjahren bat er seine Mutter immer wieder, mit ihm auf die Wiesen zu gehen, wo er Blumen pflückte und von seiner Mutter deren Namen wissen wollte. Als er 1866 in die Volksschule kam, waren Naturkunde und Geographie seine Lieblingsfächer. Im 9. Lebensjahr sammelte und präparierte er bereits Pflanzen aus seiner Umgebung und legte sich ein Herbarium an. Von den wenigen ersparten Groschen kaufte er sich das Buch „Führer in der Pflanzenwelt", so dass er seine Funde bald auch mit den wissenschaftlichen, lateinischen Namen bezeichnen konnte.

Laufbursche und Schustergeselle
Nach der Schulentlassung 1873 entschied seine Großmutter, dass er nun selbst sein Brot verdienen müsse. Zunächst kam er als Laufbursche in die damalige Pulvermühle, obwohl er selbst am liebsten Förster oder Lehrer geworden wäre. Nach einem Unfall in der Pulvermühle, als er der dortigen Transmission zu nahe gekommen war, wollte er seinen eigenen Berufswunsch in die Tat umsetzen, doch die Großmutter erklärte ihm, dass eine Handwerkslehre das beste für ihn wäre. Solche Versuche scheiterten jedoch sowohl bei einem Schreiner - als auch bei einem Schlossermeister, weil das von diesen verlangte Lehrgeld nicht bezahlt werden konnte. Darauf verschaffte ihm die Großmutter eine Stelle im damaligen Gasthof „Zum Hirschen" (Langgasse), jedoch war der oft bis drei Uhr früh dauernde Dienst so anstrengend, dass der Junge vor Schwäche sogar umfiel. Seine Mutter vermittelte ihm dann endlich eine Lehrstelle bei einem Onkel, und zwar dem Schuhmachermeister Hans Müller in der Oberen Stadt. Obwohl er den Beruf des Schusters eigentlich gar nicht mochte, wurde aus Johannes ein sehr brauchbarer Geselle, der es besonders gut verstand, „Pariser Absätze" für die Frauenschuhe zu fertigen, so dass ihn die weibliche Kundschaft ganz besonders bevorzugte. Trotz der langen Arbeitszeit, die oft schon früh um 4 Uhr begann und bis in die späten Nachtstunden dauerte und auch den Sonntagvormittag umfasste,
setzte Kaulfuß seine Beobachtungen und Forschungen in der Pflanzenwelt fort.

Erste Forschungen in der Pflanzenwelt: Farne und Moose
Die von ihm gepressten Blumen und Pflanzen wurden ihm häufig von Präparandenschülern abgekauft, bis ein Lehrer diesen Handel mit der Begründung verbot: „Ich verbiete euch, dass ihr mit Schuster und Schneider verkehrt."
Der junge Schustergeselle sah sich bald in die Lage versetzt, eine botanische Zeitschrift zu abonnieren. Darin fand er mehrmals Inserate, durch die Lehrmittel oder Herbarien gesucht wurden. Das brachte ihn auf die Idee, selbst Angebote zu veröffentlichen. Und in der Tat gingen Bestellungen ein, so dass er fortan Lehrmittelhandlungen, später sogar Museen und Universitäten, mit präparierten Gräsern und Farnen belieferte. Vom 18. Lebensjahr an spezialisierte er sich auf die schwierigeren Pflanzenfamilien, verlegte seinen Lerneifer auf die Gefäß-kryptogamen (Farne). Sein Steckenpferd wurde schließlich das Gebiet der Byrologie (Mooskunde), das ihm weltweite Berühmtheit bringen sollte. Im Laufe der Jahrzehnte trug er eine Sammlung von etwa 10000 verschiedenen Moosen zusammen, 32 von ihm entdeckte Moosarten wurden von der Wissenschaft nach Kaulfuß benannt. Darüber hinaus eignete er sich die Fertigkeit an, Schmetterlinge, Käfer und andere Insekten zu präparieren und die gesammelten Stücke nach Arten zu bestimmen. Soweit ihm das nicht möglich war, wandte er sich an Universitätsinstitute, die ihm bereitwillig Auskunft gaben.

Verkauf von Schuhen und naturkundlichem Anschauungsmaterial
Der Militärdienst, den er von 1879 bis 1882 in Bayreuth ableistete, unterbrach Sammlertätigkeit und Selbststudium. Das Angebot, bei den Soldaten zu bleiben, lehnte er aber ab, weil er fortan noch mehr wissenschaftlich arbeiten wollte. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich durch einen Schuhhandel, den er in Michelau aufzog, sowie durch den Verkauf naturkundlichen Anschauungs-materials. Letzterer entwickelte sich nicht nur bestens, sondern machte ihn auch weit über Deutschland hinaus bekannt. So hatte er bald Kontakt zu den natur-wissenschaftlichen Instituten in Stockholm, Washington, Tokio, Sydney und Melbourne, und auch namhafte Gelehrte im In- und Ausland wurden auf ihn aufmerksam.
1885 heiratete er in Michelau Kunigunda Knab aus Limmersdorf und verzog mit ihr wenig später nach Nürnberg, wo er durch seinen Handel mit verschiedenen Sammlern, vor allem aber durch seine Kontakte mit der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, vielfältige Beziehungen aufbaute. Durch die Bekanntschaft mit namhaften Persönlichkeiten wurde er am städtischen Schlachthof als Trichinen-beschauer angestellt, wodurch er seine wirtschaftliche Grundlage erheblich verbessern konnte. 1903 gründete er den Botanischen Tauschverein Nürnberg, der mit ihm als Geschäftsführer bald 400 Mitglieder in aller Welt zählte.

Lang ersehnte Forschungsreisen
In diesen Jahren konnte er auch an die Verwirklichung der schon längst ersehnten großen Forschungsreisen denken, weil seine Frau unterdessen den Tauschhandel weiterführte. Die erste Reise führte ihn nach Österreich-Ungarn und Sieben-bürgen, dann in die Karpaten und nach Griechenland, wo er hauptsächlich auf dem Taygetes wertvolles Material fand. Bei der zweiten im Jahre 1884 suchte er gemeinsam mit einem Freund, dem Liebhaber-Sammler Sintenis aus Breslau, das transkaspische Gebiet auf. Schlimme Zeiten erlebten die beiden unter den wilden Kurdenstämmen. So verließen sie diese ungastliche Gegend und wanderten ins südliche Nordpersien. Solch ein Gebiet hatte sich Kaulfuß gewünscht: Die botanische Ausbeute war glänzend. Über Syrien, Nordafrika, die Kanarischen Inseln und die Pyrenäen kehrte er wieder in die Heimat zurück.
Hatte Kaulfuß diese Reisen aus dem Verkauf der Funde selbst finanziert, so erhielt er für seine weiteren Expeditionen Zuschüsse, u. a. von den Universitäten Washington, Sydney und Melbourne. Die nächste große Reise ging über den Ozean ins obere Amazonasgebiet, die „grüne Hölle". Dieses Unternehmen war, wie aus einer im Jahre 1937 erfolgten Veröffentlichung hervorgeht, mit ungeheuren Strapazen verbunden: „Von Pernambuco aus drang Kaulfuß in den Urwald ein. Unter unsäglichen Schwierigkeiten oblag er seiner Sammlertätigkeit. Blumen, Farne, Moose - meist noch unbekannte Arten - und Kleintiere, unter ihnen Tausende herrlicher Tropenschmetterlinge, wurden gleichermaßen zusammengetragen. In einer Hitze von 40 bis 45 Grad, von wilden Tieren und unheimlichen Schlangen umlauert, von Affen belästigt, umtost vom Radau der Zykaden, dem Geschrei der Brüllaffen, dem Gekreisch der Papageien und dem Gequake der Sumpffrösche, vollbrachte Kaulfuß sein Tagewerk. Er streifte von Siedlung zu Siedlung, lag sechs Wochen mit zerbrochener Kniescheibe in einem Indianerwigwam, ließ sich von den Indianern pflegen und heilen und stürzte sich dann wieder von neuem mit wahrem Fanatismus in die Arbeit..." Seine weiteren Expeditionen führten den Forscher in viele andere Länder, so unter anderem nach Ost-Java, Mexiko, Tibet, Indien, Ägypten, Australien und Vorderasien. Mit zeitweiligen Unterbrechungen dauerten diese Reisen bis zum Jahre 1911. Während dieser Zeit brachte Kaulfuß auch für sich selbst so ungeheure Mengen an Pflanzen und Insekten aus allen Erdteilen mit, dass er sich eine Sammlung anlegen konnte, wie sie - nach dem Urteil von Experten - „in solcher Vollständigkeit selten anzutreffen ist".

Zwischen den großen Forschungsreisen war Kaulfuß nicht müßig. Er benützte diese Zeiten zur Auswertung des neuen Materials. In Fachkreisen sicherte man sich bald die Mitarbeit dieses Mannes, der sich als Autodidakt ein enormes Wissen angeeignet hatte. Bereits 1888 berief ihn die Naturhistorische Gesellschaft Nürnberg als Mitglied und übertrug ihm den Posten des Kustos für die Krypto-gamischen Sammlungen. Mit den bedeutendsten Forschern stand Kaulfuß in Briefwechsel, Material- und Wissensaustausch pflegte er mit Museen und Universitäten in aller Welt. Zudem war er an der Herausgabe berühmter botanischer Werke beteiligt.

Rückkehr nach Kulmbach
Am 12. Oktober 1899 verlor Kaulfuß seine Frau Kunigunda. Die fünf aus dieser Verbindung stammenden Kinder waren der Mutter im Tod schon frühzeitig vor-ausgegangen. Am 24. November 1900 heiratete er zum zweiten Mal, diesmal Margareta Faatz aus Erlau bei Bamberg. Diese Ehe blieb kinderlos, seine zweite Frau verstarb am 11. März 1938 in Kulmbach. Inzwischen war Johannes Kaulfuß in den Ruhestand getreten und lebte sechs Jahre in Bayreuth, bevor er 1928 wieder nach Kulmbach zurückkehrte. Er machte seine naturwissenschaftliche Sammlung mit rund 27000 Schauobjekten vom kleinsten heimatlichen Kerbtier bis zum herrlichsten Tropenschmetterling sowie zahlreiche Zeichnungen, auf denen er Hunderte von Pflanzen und Tieren in naturgetreuen Aquarellen festgehalten hatte, seiner Vaterstadt zum Geschenk, die sie auf der Plassenburg zur Ausstellung brachte. Mit hingebungsvoller Liebe führte der Wissenschaftler selbst dort rund 15 Jahre lang die Freunde der Natur in die geheimnisvolle Schönheit ein, die aus jedem seiner Schaustücke sprach.

Zerstörung seines Lebenswerkes
Die Sammlung auf der Plassenburg wurde nach Kriegsende 1945 von dort ein-quartierten und von den Amerikanern befreiten polnischen Zwangsarbeitern in einer Mischung aus Rachedurst und Siegestaumel weitgehend zerstört. Beherzten Kulmbachern gelang es zwar, 98 Schaukästen zu retten, doch brach die Vernichtung seines Lebenswerkes Kaulfuß das Herz. „Tief bedrückt von der Not, in die unser Vaterland geraten war", so schrieb Max Hundt, starb Kaulfuß am 15. Februar 1947 im Alter von 87 Jahren im Kulmbacher Bürgerspital.

Die neue Kaulfußsammlung
Aus den Resten wurde 1957 eine neue Kaulfußsammlung aufgebaut, die nach langwierigen und umfangreichen Restaurierungsarbeiten jetzt im Landschafts-museum Obermain in neuem Glanz entstanden ist. Die Wissenschaftlerin Dr. Eleonore Hohenberger tat dies nicht nur mit großer Sachkenntnis, sondern auch mit Engagement und viel Liebe im Detail, wobei sie freilich nur etwa ein Fünftel der noch vorhandenen Stücke unterbringen konnte, die restlichen Kästen lagern im Depot. Dr. Hohenberger will diese Ausstellung nicht nur als alltägliche Exposition, sondern auch als Reminiszenz an den Forscher Kaulfuß („Seine größte Stärke war seine geradezu penible Genauigkeit") verstanden wissen, dessen Exponate heute noch in einer Reihe von Museen, unter anderem in Melbourne, Sydney und Nordamerika, zu sehen sind. Max Hundt urteilte über Johannes Kaulfuß: „Er hätte die Zierde jedes Lehrstuhls einer Universität sein können ..." Und weiter: „Wer Gelegenheit hatte, mit diesem großartigen Menschen, Forscher und Kameraden besinnliche Stunden im Gespräch zu verbringen, wird bestätigen, dass er zu den bedeutendsten Söhnen dieser Stadt gehörte."
[Nach Ottmar Schmidt in (1), S. 235 bis 237]

Quellen 
(1) O. Schmidt, Wegmarken. Chronik einer Region, Kulmbach 2000.
(2)W. Protzner, Ein Ausflug in lebendige Geschichte, Kleiner Museumsführer (Faltblatt), Stadt Kulmbach o. J.
 

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          Abb. 1

      Johannes Kaulfuß (1859-1947)
      Pastellzcichnung Joh. Tillak 1930

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

   2

Eine beeindruckende Vielfalt von Formen und Farben

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

                  Abb. 3


 

    Tropische Schmetterlinge

 



         Abb. 4



 

 

 

        Abb. 5

Vogelspinnen, Skorpione, Zikaden und Heuschrecken

 

 

  6

Ein immer noch stattlicher Rest der Kaulfußsammlung

 

 

   Abb. 7

 

 

 

 

   Abb. 8

 

 

 

 

   Abb. 9

Ein wahrhaft 'gigantischer' Käfer


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