Archäologisches Lexikon

Kunst der späten Eiszeit 

aus Gönnersdorf im Neuwieder Becken


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Eine über 10.000 Jahre alte Siedlung
Von den alten Orten im Stadtgebiet Neuwied kann Gönnersdorf den Ruhm für sich in Anspruch nehmen, mit weitem Abstand vor allen anderen die älteste Siedlungstradition zu besitzen. Es kam einer archäologischen Sensation gleich, was Fachwissenschaftler unter Leitung von Professor G. Bosinski vom Institut für Vor- und Frühgeschichte der Universität Köln seit 1968 dank der Aufmerksamkeit des Architekten nach dem Aushub einer Neubaugrube an der Eduard-Mörike-Straße in mehrjähriger, minutiöser Forschungsarbeit unter unberührten Bimsschichten zu Tage förderten und untersuchten: nämlich eine späteiszeitliche Dauersiedlung von 30 bis 60 Nomadenjägern, fünfzig Meter über dem Rhein nahe bei einer kleinen Bachmulde auf dem klimagünstigen Südhang am Nordrand des Neuwieder Beckens, nachgewiesenermaßen aus der Zeit um 10.500 v. Chr. - tausend Jahre vor dem letzten Ausbruch des Laacher-See Vulkans (nach 1). 

Fellgedeckte Behausungen
Soweit die Bebauungsverhältnisse es zuließen, konnten die Spuren von zwei kleineren Rundzelten und drei größeren, fellgedeckten Behausungen von breitovaler Form, ähnlich einer Jurte, der Zelthütte asiatischer Nomaden, mit einem Durchmesser von 6-10 m, aufgedeckt werden (s. Abb 2). Sie waren im Inneren rot eingefärbt und samt der äußeren Umgebung mit Schieferplatten gepflastert. In dem systematisch ergrabenen Siedlungsbereich von 650 qm Umfang fanden sich Knochen von jagdbarem Wild wie Mammut, Wildpferd, Wisent, Ur, Ren, Hirsch und Eisfuchs, auch von Vögeln; ferner Werkzeuge aus verschiedenem Gestein wie Messer, Bohrer, Kratzer und Stichel; Geräte aus Elfenbein und Knochen wie Nähnadeln und Pfeilspitzen; Schmucksachen wie Ketten und Kleiderbesätze aus Zähnen, Hirschgrandeln, Schneckenhäuschen; Perlen aus versteinertem Holz (Gagat) sowie weibliche Kleinfiguren aus Geweih und Elfenbein (nach 1). 

Gravierte Schieferplatten
Die größte Bereicherung für unser Wissen von späteiszeitlicher Kunst stellen mehr als tausend aufgefundene Schieferplättchen mit eingeritzten Zeichnungen dar Die Gravierungen zeigen in der Hauptsache entweder die oben genannten Jagdtiere oder - vornehmlich weibliche - Figuren im Profil, meist schreitend, einzelne vielleicht auch tanzend. Die obere Abb. 1 zeigt als Montage in der Mitte die Rekonstruktion einer Felljurte, links davon vier schreitende Frauen in Schiefer geritzt (s. a. Abb. 4 u. 6), die dritte vielleicht mit einem Kind auf dem Rücken, rechts eine Mammut-Gravierung. Auf der Schieferplatte rechts (Abb. 4) ist oben der Kopf eines Wildpferdes eingraviert, darunter zwei weibliche, stark auf das Wesentliche reduzierte weibliche Körper, daneben zwei aus Elfenbein geschnitze 'Idole' (Abb. 5).

Ein Fundplatz der ausgehenden Altsteinzeit
Zahlreiche Fundgegenstände und Anschauungsmaterial von diesem einmaligem Magdalénien-Fundplatz, (das Magdalénien, benannt nach der französischen Fundstelle La Madeleine in der Dordogne, ist die letzte, späteiszeitliche Epoche der Altsteinzeit), sind im Eiszeitmuseum in Monrepos bei Neuwied zu besichtigen. Dieses Museum hat mit weiteren Funden aus der näheren Umgebung eine anschauliche Reise in die Ur-Vergangenheit unseres Raumes zusammengestellt und ist auch für Nicht-Archäologen einen Besuch wert (1).

Quellen
(
1) http://www.knuts-neuwied.de - Die Seite existiert leider nicht mehr, dafür aber eine neue Seite unter archaelot: http://archaeolet.de/themen/palaolithikum/spatmagdalenienzeitliche-siedlungsplatz-gonnersdorf/

(2) Spuren der Jahrtausende, Archäologie und Geschichte in Deutschland
2. Auflage 2003 (= Lit. 36),  Theiss-Verlag Stuttgart

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   Abb. 7

Schieferplatte von Gönnersdorf (Rheinland-Pfalz)
mit eingravierten stilisierten Frauengestalten, magdalénienzeitlich.
[(2) Spuren der Jahrtausende, S. 88 Abb. 149]

   Abb. 1

Links und rechts: Gravierungen auf Schieferplatten
Mitte: rekonstruierte Rundhütte (Montage)
[http://www.knuts-neuwied.de - Die Seite existiert leider nicht mehr]

 

 

   Abb. 2

Lebensbild aus der Magdalénien-Siedlung
im Neuwieder Becken bei Gönnersdorf: 10500 v. Chr. 
[Sonderausstellung im RGZM Mainz 1975]

 

   Abb. 3

Rekonstruktion eines fellbedeckten Rundzeltes in der
Ausstellung: "Eiszeit - Kunst und Kultur" (Stuttgart 2009)
 

  Abb. 4

Schieferplatten mit der Darstellung von Mammuts
und eines Vogels
aus der Magdalénien-Siedlung im
Neuwieder Becken bei Gönnersdorf (Rheinland-Pfalz):
10500 v. Chr. [Sonderausstellung im RGZM 1975] 

 

   5                     6

Gravierte Schieferplatte                         Plastische Frauenfiguren,
von Gönnersdorf, Neuwieder Becken:      von Nebra (ST), Höhe (rechts):
12800 Jahre v. Chr. mit Kopf eines           6,6 cm                             
Wildpferdes, zwei Frauen  [aus der
Sonderausstellung des RGZM 1975]        [(2) Lit. 36, S. 88, Abb.150]
                       


     nach oben         [home]                         Fotos 2 - 5: D. Sch.            Dieter Schmudlach (D. Sch.): 5.02.2005/27.05.2014