Archäologisches Lexikon

Römische Kaiserzeit im freien Germanien

 


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Germanische Siedlungen und Friedhöfe

Die ersten Zeugnisse germanischer Besiedlung in den zuvor keltisch geprägten Gebieten südlich der Mittelgebirge stammen aus frühaugusteischer Zeit, dem dritten und zweiten Jahrzehnt vor Chr. Wie dieser germanische Vorstoß verlief und ob die germanischen Verbände überhaupt noch keltische Siedler antrafen, ist nach wie vor nur schwer zu beantworten. Allerdings zeigt sich im unterfränkischen Gräberfeld von Aubstadt, Lkr. Rhön-Grabfeld, eine enge Verzahnung keltischer und elbgermanischer Elemente.
Römische Quellen berichten für das heutige Nordbayern von der Übersiedlung der Markomannen nach Böhmen in den Jahren 8-3 v. Chr. oder vom Feldzug des Sentius Saturninus 6 n. Chr. Wichtigster archäologischer Beleg für das Interesse Roms am Maingebiet während der Okkupationszeit ist das Legionslager von Marktbreit, Lkr. Würzburg. Nur in Nordbayern finden sich bisher größere germanische Grabgruppen aus dieser Zeit, während im Donaugebiet erst einzelne Gräber Hinweise auf germanische Siedler liefern. Im Verlauf des ersten und zweiten Jahrhunderts dringen über die Wetterau Merkmale rhein-weser-germanischer Kultur nach Nordbayern ein.
In den an Main, Regnitz und Tauber vor dem Limes liegenden Siedlungs-gebieten sammeln sich dann seit der Zeit der Markomannenkriege (160/170 n. Chr.) elbgermanische Gruppen in größerem Umfang. Mit dem endgültigen Limesfall spätestens 270 n. Chr. gewinnt dieser Zuzug weiter an Bedeutung. Mehrere größere Gräberfelder werden in dieser Zeit erstmals und für mehrere Generationen belegt (Forchheim, Lkr. Neumarkt/Opf., Kleinlangheim, Lkr. Kitzingen). Gleichzeitig lässt sich eine stärkere soziale Differenzierung in der germanischen Bevölkerung beobachten. Reiche Einzelgräber (Gerlachsheim, Lkr. Würzburg) und Einzelfunde (Altendorf, Lkr. Bamberg) deuten die Entwicklung eines Stammesadels an, ähnlich den Verhältnissen an Saale und Unstrut.
Bis in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts nimmt nun auch der Anteil römischer Gegenstände im Fundstoff zu, die als Handels- oder Beutegut in die germanischen Siedlungskammern gelangen. Dabei bezeugen die Siedlungsgrabungen oft große Ähnlichkeit mit aus dem Elbgebiet bekannten Haus- und Hofformen (Treuchtlingen-Schambach, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen).

Völkerwanderungszeit und Merowingerzeit 
Einschneidende Veränderungen bringt der Zeitraum der Völkerwanderung (ca. 375-450 n. Chr.). Ausgelöst durch die hunnische Westexpansion werden in ganz Bayern günstig gelegene Höhen zur Besiedlung genutzt und vielleicht befestigt (Wettenburg b. Kreuzwertheim, Lkr. Main-Spessart). Der anhaltende Bevölkerungszuwachs speist sich nun aus vielen Teilen der Germania magna. Im archäologischen Fundmaterial treten vor allem ostgermanische Merkmale deutlich hinzu. Neue Allianzen werden geschmiedet und der Dauerkonflikt mit Rom tritt in den Hintergrund. Zahlreiche germanische Söldner erscheinen nun als Teil der spätrömischen Grenzsicherung (Neuburg/D.). Die germanischen Höhensiedlungen in Nordbayern werden bis über die Niederlage Attilas (451) hinaus genutzt (Reisberg b. Scheßlitz, Lkr. Bamberg, Gelbe Bürg bei Dittenheim, Lkr. Weißenburg-Gunzenhausen). Dagegen spiegelt sich im Abbruch der alten Gräberfelder und dem gleichzeitigen Belegungsbeginn neuer Nekropolen in der Mitte des 5. Jahrhunderts ein tiefgreifender Wandel, der den Ansatz zur neuen Ordnung im Frühmittelalter birgt.

© 2006 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege

Literatur
(1) Abels Björn-Uwe, Sage Walter, Züchner Christian, Oberfranken in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, Bamberg, 1996 (= Lit. 1)  
(2) Abels B.-U., Archäolog. Führer Oberfranken, Konrad Theiss Verlag, 1986 (= Lit. 2
(3a) Haberstroh Jochen, Germanische Funde der Kaiser- und Völkerwanderungszeit aus Oberfranken. Kallmünz 2000 (= Lit. 15)
(3b) Haberstroh, Jochen, Der Reisberg bei Scheßlitz-Burgellern in der Völkerwanderungszeit. Überlegungen zum 5. Jhdt. n. Chr. in Nordbayern. Germania 81-1, 201-262, 2003.


 

   Abb. 1        => Zeichnung [(3a), Tafel 92]

 Spätrömische Gürtelgarnitur                
 aus Bronze von der Ehrenbürg, Lkr. Forchheim;                 
 Breite: etwa 13,6 cm [(1), S. 155]                    
                               
 

 

 

       Abb. 2  => Zeichnung [(3a), Tafel 12, 2]

    Knochenkamm mit Hirschdarstellung 
    aus dem Körpergrab 74 von Altendorf; Länge: 16,5 cm 

 

 

 

       Abb. 3

=>  Karte des Römerreiches und der Germania Liber [Wikipedia]
 

 

 

   4

Karte zur Völkerwanderungszeit [Wikipedia]

=> Handwerker - Krieger - Stammesfürsten
      Sonderausstellung 2010 im Fränkische Schweiz-Museum Tüchersfeld

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