Zwei frühbronzezeitliche Dolchklingen aus Oberfranken
"Im vergangenen Jahr fanden zwei Mitarbeiter des
Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege in der Nähe von
Hollfeld-Schönfeld (Lkr. Bayreuth) zwei bronzezeitliche
Dolchklingen. Beide Fundplätze liegen 1000 m voneinander
entfernt, so daß man die Waffen - unabhängig von ihrer
zeitlichen Distanz - nicht miteinander in Zusammenhang bringen
kann. Leider fehlen im unmittelbaren Umfeld weitere einschlägige
Artefakte, denen man die beiden Klingen hätte zuordnen können.
Die ältere Dolchklinge, deren Spitze abgebrochen
ist, hatte ursprünglich eine Länge von etwa 6cm (Abb. 1,1; 3; 5,2).
Ihre dreiviertelkreisförmige Griffplatte weist eine leichte
Beschädigung auf. Die beiden seitlichen Kerben sind deutlich
ausgeprägt. Der Klingenquerschnitt ist spitzoval bis leicht
rhombisch. Die Dolchklinge wurde am Lehrstuhl
Werkstoffwissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg
untersucht, wofür ich Prof. Dr. R. F. Singer und N. Nigge
herzlich danke. Leider gestattete der Eigentümer (R. König) keine
Metallentnahme, so daß nur die stark oxidierte Oberfläche
analysiert werden konnte: »Der Zinngehalt wurde zusammen mit dem
Kupfer herausgerechnet und ergab ca. 12,7 % Zinn. Der wahre
Zinngehalt der ursprünglichen Legierung war vermutlich
niedriger, da ein Teil des Kupfers bei
der Oxidation im feuchten Erdreich in Anwesenheit von Schwefel
sich zu CuSCU (Kupfersulfat) umwandelt und ausgewaschen wird.
Dabei reichert sich der Zinngehalt oberflächlich an.«
Die zweite, jüngere Dolchklinge hat eine Länge
von 6,2 cm (Abb. 1,2; 5,3).
Sie besitzt einen halbkreisförmigen Griffbogen mit zwei
Nietlöchern, von denen eines ausgebrochen ist. Die Bronzeklinge
hat einen spitzovalen Querschnitt und weist Nachschlifffacetten
auf.
Bei den beiden Dolchklingen handelt es sich um
die ältesten Waffen dieser Art in Oberfranken. Das jüngere Stück
mit seinem gleichmäßig gerundeten Griffbogen und den zwei
Nietlöchern läßt sich einem Dolchtyp zuordnen, wie er in den
frühbronzezeitlichen Gräberfeldern von Singen (Kr. Konstanz)
oder Straubing vorkommt. Neben der strichverzierten
Scheibennadel aus Strullendorf und dem Salezer Beil aus
Litzendorf-Melkendorf (beide Lkr. Bamberg) ist unsere
Dolchklinge der dritte Fund der in Oberfranken so spärlich
vertretenen frühbronzezeitlichen Stufe A1.
Die ältere Dolchklinge kann man aufgrund ihrer
Form an den Übergang vom Endneolithikum zur frühen Bronzezeit
stellen. Vor allem in der Glockenbecher-kultur West-, Süd- und
Mitteleuropas gibt es zahlreiche Belege für entsprechende Waffen
aus Silex (Abb. 2, 1-3). Ihre Form mit den seitlichen Kerben und
der sorgfältig herausgearbeiteten Griffplatte erinnert an
indianische Dolchklingen. Neben den endneolithischen
Silexdolchen treten, besonders in Frankreich, im Umriß
identische Waffen aus Kupfer und etwas später auch aus Bronze
auf
(Abb. 2, 5-6). Ob bei dieser Entwicklung der Silexdolch Vorbild
für den Kupferdolch war oder umgekehrt, muß offenbleiben, zumal
beide in französischen Gräbern gelegentlich miteinander
vergesellschaftet sind. Da indianische Kulturen jedoch nur
Silexdolche kannten, könnte es sich analog bei unseren
Silexdolchklingen auch um die ursprüngliche Form handeln. Die
seitlichen Kerben dienten nicht zur Aufnahme von Nieten, sondern
zum Festbinden der hölzernen Griffschalen. Auch die Kerben der
Kupfer- und Bronzedolchklingen dürften eine ähnliche Funktion
gehabt haben. Neben zwei kupfernen Flachbeilen aus Staffelstein
(Lkr. Lichtenfels) und Untersiemau-Weißenbrunn a. Forst (Lkr.
Coburg) gehört unsere Dolchklinge zu den ältesten Metallfunden
Oberfrankens.
Die Dolche fügen sich in eine Entwicklung ein,
die sich nun für diesen Waffentyp vom Endneolithikum bis zum
Ende der mittleren Bronzezeit nachvollziehen läßt.
Beide Neufunde stellen eine wesentliche Bereicherung des
frühesten bronze-zeitlichen Fundmaterials in Nordostbayern dar.
Literatur
R. A. Maier, Die jüngere Steinzeit in Bayern. Jahresberichte
Bayerische Bodendenkmalpflege 5, 1964, 9 ff. bes. 104 ff. - A.
Berger, Die Bronzezeit in Ober- und Mittelfranken. Materialh.
Bayer. Vorgesch. A 52 (Kallmünz 1984).
R. Krause, Die
endneolithischen und frühbronzezeitlichen Grabfunde auf der
Nordstadtterrasse von Singen am Hohentwiel. Forschungen und
Berichte
Vor- u. Frühgeschichte Baden-Württemberg 32 (Stuttgart 1988)."
Ausgrabungen und Funde 10 - 1997/98, S. 18, 19; Abb. 6. 1,2
Johannes Müller, Franken als Kommunikationsraum - von der Zeit
des Gletschermannes bis zum Beginn der Bronzezeit.
Ausstellungskatalog des Fränkische Schweiz-Museum Band 8, S. 17
ff, dort auch weitere Aufsätze.
[B.-U. Abels, Das Archäologische Jahr in
Bayern, 1996 S. 53 ff.,
Theiss Verlag]
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=> Ein weiterer Dolch
aus der frühen Bronzezeit
von Schwarzach, Lkr. Kulmbach
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Schwert und Dolch
Abb. 1
1
2
1
2
Hollfeld-Schönfeld. Dolchklingen (Foto und Zeichnung)
1 Hollfeld-Schönfeld (Lkr. Bayreuth), Endneolithikum/Bz A1, Länge: ca. 6
cm; 2 Hollfeld-Schönfeld, BZ A1; L.: 6,2 cm
Verbleib von 1: R. König; 2: Archäologiemuseum Bayreuth
[Das Archäologische Jahr in Bayern, 1996
S. 53, 54]
Abb.
2
Abb.3
Dolchklingen:
Umrißzeichnungen Dolchklinge
mit Kerben
1-3 Silexdolche aus Trient (Italien), von
Hollfeld-Schönfeld
Konstanz und Kriechwil (Schweiz);
(siehe oben Abb. 1, 1)
4-6 Kupfer- bzw. Bronzedolche
Jüngere Glockenbecher-
aus Hollfeld-Schönfeld, St. Leons
kultur (um 2400 v. Chr.)
und Laissac (letztere beide Frankreich) Foto: D. Sch.
Abb.4
Rekonstruktionsversuch des Dolches von Schönfeld [Roland König]
Abb. 5: Entwicklung der Dolche in
Oberfranken
l Thierstein-Birkenbühl (Lkr. Wunsiedel i. Fichtelgebirge),
Endneolithikum (nach L. F. Zotz); 2 Hollfeld-Schönfeld
(Lkr. Bayreuth), Endneolithikum/Bz A1; 3 Hollfeld-Schönfeld,
BZ A1; 4 Litzendorf-Tiefenellern (Lkr. Bamberg),
Bz A2; 5 Staffelstein-Frauendorf (Lkr. Lichtenfels), Bz B;
6 Weißenbrunn-Wildenberg (Lkr. Kronach), Bz C1;
7 Wiesenthau-Schlaifhausen (Lkr. Forchheim), Bz C2.
[Das Archäologische Jahr in Bayern, 1996 S. 54]
=> Ein
weiterer Dolch aus der frühen Bronzezeit
von Schwarzach, Lkr. Kulmbach
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