Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld von
Grundfeld/Reundorf
"Im Obermaintal erstreckt sich zwischen den Gemeinden Grundfeld und
Reundorf ein Südwest-Nordost orientierter Kiesrücken von etwa 400 m
Länge und 250 m Breite, der bis zu 10 m aus dem umgebenden Talgrund
herausragt. Seit dem 19. Jahrhundert wurden im südwestlichen Drittel
dieser, Geländeerhebung bei verschiedenen Bodenaufschlüssen oder infolge
von landwirtschaftlicher Tätigkeit immer wieder urnenfelderzeitliche
Gräber entdeckt. Zuletzt gelang es dem Bayerischen Landesamt für
Denkmalpflege 1983/84, in diesem Bereich fast 40 Gräber vor der
Zerstörung durch den massiv vorangetriebenen Kiesabbau zu retten. Damit
zählte der Friedhof über 80 Grabanlagen. Begrenzte Untersuchungen in den
nordöstlich anschließenden Teilflächen des Höhenrückens ergaben damals
kaum Befunde. 2001 erforderte der geplante Ausbau der A 73 jedoch erneut
Sondagen in diesem Geländeabschnitt, welche überraschenderweise zur
Entdeckung weiterer urnenfelderzeitlicher Gräber führten. Um
Planungssicherheit zu erreichen, erklärte sich die Autobahndirektion
Nordbayern dankenswerterweise bereit, die Finanzierung einer
bauvorgreifenden Flächenuntersuchung zu übernehmen. Diese wurde von
August 2002 bis Mai 2003 auf einem fast 6 ha großen Areal durchgeführt.
Insgesamt erfassten wir dabei neben etwa 300 Siedlungsbefunden, die
überwiegend in die Frühlatenezeit datieren, nochmals 77
urnenfelderzeitliche Bestattungen.
Die einzelnen Grabfunde bildeten klar abgegrenzte Konzentrationen aus.
Die umfangreichste dieser Gruppen bestand aus über 50 Anlagen und
erstreckte sich vom Zentrum des Kieshügels bis zur im Nordosten
gelegenen Spornspitze (Abb. 36). Verschiedene Grab- und
Bestattungsformen mischten sich hier ohne erkennbares Muster. Neben
Körperbestattungen kamen Urnengräber sowohl mit als auch ohne
Steinschutz sowie einfache Brandschüttungsgräber vor. Da man die
Brandbestattungen generell weitaus geringer als die Körpergräber in den
anstehenden Boden eingetieft hatte, waren sie in der Regel bereits vom
Pflug erfasst. Dies lässt den Schluss zu, dass ursprünglich eine
erheblich höhere Zahl von Vertretern dieser Bestattungsart vorhanden
war, obwohl das heutige Zahlenverhältnis zwischen Brand- und
Körperbestattungen ausgeglichen erscheint. Nur drei Brandgräber waren
vorzüglich erhalten, darunter ein Urnengrab (Befund 131) mit einem
Steinschutz aus drei jeweils über 100 kg schweren Kalksteinfindlingen
(Abb. 37). Um das Ossuar, auf dessen Rand- und Schulterpartie noch Reste
einer Deckschüssel in situ anhafteten, positionierte man fünf Beigefäße
unterschiedlicher Sorten. Dieses Ensemble könnte sich im Laufe der
Restaurierungsarbeiten noch erweitern, sollten im Urneninneren noch
weitere Gefäße enthalten sein. Ganz ungewöhnlich war die Entdeckung von
zwei aneinander gelegten Mahlsteinrohlingen aus importiertem Material
(Granit und Grauwacke [?]: Bestimmung W. Scharff), welche man wie die
Kalksteine der Grabeinfassung an die Grubenwand gelehnt hatte.
Die kaum gestörten Körpergräber waren meist als Steinsetzungsgräber von
langrechteckiger Form angelegt. Boden und Wände der bis zu 0,8 m tiefen
Grabgruben legte man mehr oder weniger sorgfältig mit Kalk- oder
Sandsteinplatten aus. Anschließend wurden die vielfach indirekt
nachweisbaren hölzernen Grababdeckungen zusätzlich mit Steinmaterial
überschüttet. Die Größe der Gräber hing dabei eindeutig von der
Körpergröße der oder des Toten ab, das heißt Kindergräber kommen mit
0,60 m Breite und 1,20 m Länge aus, während Grabgruben von Erwachsenen
bei einer Breite von 1,20-1,40 m bis zu 2,45 m Länge erreichen können.
Hingegen variierte der Umfang des herantransportierten und verbauten
Steinmaterials beträchtlich und korrelierte nicht mit der Größe der
Grabanlagen. Nur wenige Gräber dieses Typs waren gut bis sehr gut
ausgestattet. Selbst großflächige Kammergräber von erwachsenen
Individuen enthielten häufig nur ein bis zwei Gefäße. Umso mehr
überrascht es, wenn Kinder mit einem Höchstalter von zwei bis drei
Jahren überdurchschnittlich mit Bronzen versehen wurden, z. B. ein
Kindergrab mit Halsring, Armring, Ringchen und Spiralröllchen.
Neben Nadeln waren Ringe,
entweder einzeln oder paarig, sehr häufig als Schmuckbeigabe vertreten.
Außergewöhnlich erscheint deshalb ein sorgfältig errichtetes
Steinsetzungsgrab (Befund 165), das vier Bronzeringe aufwies (Abb. 38).
Aufgrund der Position lassen diese Stücke sich eindeutig als Arm- und
Fußringpaar interpretieren, obwohl sich vom Skelett der hier
wahrscheinlich beerdigten Frau keinerlei Reste erhalten hatten. Aus den
ansonsten vorgefundenen Bestattungen ragt dieses Grab jedoch vor allem
wegen der Beigabe eines Gürtels heraus. Vier bronzene Knöpfe fanden sich
nämlich auf Höhe der Armringe innerhalb einer dunkelbraun verfärbten
Auflage, die nur als Rest organischen Materials zu interpretieren ist.
Für eine genauere Untersuchung wurde der gesamte Bereich im Block
geborgen, doch darf schon jetzt vermutet werden, dass die Knöpfe den
Gürtel ursprünglich als Zierrat schmückten. Eine etwa auf Höhe der
rechten Schulter liegende Kolbenkopfnadel und ein im Fußbereich
deponierter Geschirrsatz aus einem Etagengefäß, einem Becher und einem
auf der Mündung stehenden Krug vervollständigen das Beigabenensemble.
Von exquisiter Ausstattung kann dennoch nur bei dem Kammergrab Befund 94
gesprochen werden, dem Grab einer etwa 40-jährigen Frau (vorläufige
Bestimmung B.-U. Abels). Dieses Grab enthielt als erstes in Grundfeld
überhaupt die Beigabe von zwei formgleichen überlangen Nadeln, woraus
allerdings nicht geschlossen werden darf, dass es sich um den Beleg
einer paarigen Nadeltracht handelt. Beide Exemplare lagen auf deutlich
unterschiedlichem Niveau im Kopf- bzw. Oberkörperbereich, die eine
eindeutig oberhalb, die andere wahrscheinlich unterhalb der
Knochenreste. Herausragend ist aber in jedem Fall der Kopfputz aus einem
von geflochtenen Bändern gehaltenen Bronzeblech (Abb. 39), das formal
den bereits bekannten aus Grundfeld und Schönbrunn entspricht. Da sich
bis auf wenige Zähne kaum Reste des Schädelbereichs erhalten hatten, ist
eine exakte Rekonstruktion der Tragweise wohl nicht mehr möglich. Es
fällt aber auf, dass die Anzahl der Bänderbesatzstücke, z. B.
Spiralröllchen, Ringchen, Doppelringe, Glas- und Bernsteinperlen,
diejenige der bekannten Hauben um ein Vielfaches übertrifft.
Interessanterweise datieren die einzelnen Friedhöfe bzw.
Friedhofsbereiche einheitlich. So erfolgte die Belegung in den
verschiedenen Gräbergruppen gleichzeitig, etwa vom Ende von Bz D bis zum
Übergang Ha A2-B1. Dies gilt auch für die neu entdeckten Gräbergruppen,
selbst wenn sich diese Datierung bislang erst auf eine grobe Durchsicht
stützt und Präzisierungen noch zu erwarten sind. Grabbau und
Bestattungssitte verknüpfen sämtliche Areale eng miteinander. Auch bei
den Tracht- und Schmuckformen ergeben sich keine eklatanten
Abweichungen. Besonders deutlich wird dies wiederum an dem Haubengrab
(Befund 94), da mit dem dritten Exemplar aus der Nekropole nun für weit
voneinander entfernte Friedhofsbereiche die Bestattung einer mit
gleichem Kopfputz ausgestatteten Frau vorliegt."
[Markus Ullrich, (2)]
Literatur
(1) B.-U. Abels, Das Archäologische Jahr in Bayern 2001, 55 ff.
(2)
Das Archäologische Jahr in Bayern 2003, S. 41 ff.
(3) M. Ullrich, Das urnenfelderzeitliche Gräberfeld von Grundfeld-Reundorf,
Lkr. Lichtenfels, Oberfranken.
Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte Heft 86, Verlag M.
Lassleben, Kallmünz/Opf. 2004
(4) Kurzbericht von M. Ullrich in Archäologie in Deutschland, Heft 5
2003
Technische Grabungsleitung/Grabungsdokumentation:
M. Ullrich und Ch. Schilz, Firma ReVe, Bamberg.
Restaurierung: A. Bartel und H. Voß, Bayerisches
Landesamt für Denkmalpflege.
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36 Grundfeld. Ausschnitt der Grabungsfläche
2002/03
mit urnenfelderzeitlichen Gräbern (schwarz) und
vorgeschicht-
lichen Siedlungsbefunden (dunkelgrau).
[(2), S. 41, Abb. 36]
37 Grundfeld. Befund 131, Planum 2. Urnengrab mit
Beigefäßen.
An der Grabgrubenwand sind mächtige Kalksteinfindlinge und
zwei Mahlsteine aus ortsfremdem Gestein gelehnt.
[linke Abb. aus (2), S. 42, Abb. 37, rechts: (4),
S. 39]
Zusammengesetzte und teilweise restaurierte Gefäße aus
einem Urnengrab, wohl aus Befund 131 [Foto: BLfD]
38 Grundfeld. Befund 165, Planum 2.
Körperbestattung in Steinsetzung mit bronzenem
Trachtschmuck und Gefäßbeigaben.
1 Kolbenkopfnadel; 2 Armringe; 3 Knöpfe;
4 tordierte Fußringe;
5 Becher; 6 auf der Mündung
stehender Krug; 7 Etagengefäß.
[(2), S. 42, Abb. 38]
39
Grundfeld. Befund 94.
Geschwungenes Bronzeblech aus dem
Kopfbereich des Körpergrabes.
Breite maximal 6,6 cm [(2), S. 43, Abb. 39]
Foto: D. Sch.
Frauengrab 23: Lage der Funde beim Schädel,
rechts
ein zerdrücktes Gefäß.
Bei der dunklen Substanz beim Halsring dürfte es sich
um die Reste von
Lederstreifen handeln, auf welcher
kleine Bronzeringe und Bernsteinperlen
montiert waren.
Urnenfelderzeitliche Hauben aus Bronzedraht bzw.
Bronzeblechbändern aus dem Obermaingebiet:
1. Grundfeld/Reundorf FSt. Ba 1; 2. Memmelsdorf 'Grab 10';
3. Grundfeld FSt Ra 13; 4. Grundfeld FSt. 23; 5. Schönbrunn Fst. 1. (FSt.
= Fundstelle) [aus (3), S. 58, Abb. 16].
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