Eine kleine Einführung
in die vor- und frühgeschichtliche
Altertumskunde
25 Jahre
Ausgrabungen und Funde
im Thurnauer Land
1988
Begleitheft zur Ausstellung
von
Axel Gelbhaar, M. A.
(überarbeitet und ergänzt von Dieter Schmudlach 2003)
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I N H A L T
Einleitung
S. 1
Die Altsteinzeit
S. 2
Die Mittelsteinzeit
S. 3
Die Jungsteinzeit
S. 4
Steingeräteherstellung
im Neolithikum
S. 4
Neolithische Keramik
S. 5
Das schnurkeramische Hockergrab
von Neudorf
S. 5
Die Bronzezeit
S. 6
Die Urnenfelderzeit
S. 7
Die Hallstattzeit
S. 8
Die früheisenzeitlichen Gräberfelder
von Berndorf und Tannfeld
S. 9
Die Latènezeit
S. 10
Die römische Kaiserzeit, Völker-
wanderungszeit und Merowingerzeit
S. 11
Das frühe Mittelalter
S. 11
Das Reihengräberfeld von Alladorf
S. 12
Silberne Schläfenringe
S. 12
Vorgeschichtliche Töpferei
S. 13
Oberflächenbehandlungen, Verzierungen
S. 13
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Die Sonderausstellung zeigte 1988 vor- und frühgeschichtliche
Bodenfunde aus dem Thurnauer Land. Ihr Zweck war es, die
Hinterlassenschaft früher Kulturen für ein breites Publikum verständlich
darzustellen.
Vor- und frühgeschichtliche Altertumskunde ist eine
kulturhistorische Wissenschaft. Sie erhellt mit archäologischen
Methoden die schriftlosen oder zumindest weitgehend schriftarmen
Stadien der menschlichen Entwicklungsgeschichte.
Dieses historische Dunkel reicht in Mitteleuropa, im
Gegensatz zu den frühen Hochkulturen des Orients und der
Mittelmeerwelt, bis in den Beginn des christlichen Mittelalters.
Obwohl seit dem 5. vorchristlichen Jahrhundert griechische und römische
Schriftsteller von den Völker- schaften und Kulturzuständen des
Gebietes nördlich der Alpen berichten und der Westen und Süden
Deutschlands über Jahrhunderte hinweg Anteil an der römischen
Hochkultur hatte, sind die schriftlichen Überlieferungen bis in die
Zeit Karls des Großen hinein so spärlich, dass allein die Archäologie
in der Lage ist, ein verständliches Bild jener Epochen zu
vermitteln.
Die Methoden der Archäologie sind im Wesentlichen die
wissenschaftliche Ausgrabung sowie die Auswertung von Funden und
Befunden durch die Einordnung in ein System von Vergleichs- stücken,
um so Anhaltspunkte für die Zeitstellung und
kulturgeschichtliche Bedeutung des Fundgutes zu finden. Ein
großes Problem besteht in der völligen Unkenntnis auch der
Fachwelt über gesellschaftlich oder politische Strukturen in
vorgeschichtlicher Zeit. Wir wissen weder die Namen der Völker,
noch ihre Sprachen, Gebräuche, Religionen usw. Daher benutzt man
hilfsweise Bezeichnungen, die spezifische Eigenheiten einer Periode
oder Kultur wiedergeben. Zur Grobunterteilung dient die Benennung
nach dem in einer Zeitstufe hauptsächlich zur Werkzeug- und
Geräteherstellung verwendeten Material. So spricht man von Stein-,
Bronze- und Eisenzeit.
Jede dieser Stufen ist nun in sich mehrfach
untergliedert, so dass schließlich ein Raster entsteht, mit dessen
Hilfe man in der Lage ist, jeden vorgeschichtlichen Fund zumindest
auf das Jahrhundert genau zu datieren. Dabei helfen auch neuartige
naturwissenschaftliche Methoden weiter, z. B. die Dendrochronologie,
die durch das Auszählen von Jahrringen an Holzfunden und den
Vergleich mit einer Kurve bereits gespeicherter Daten in der Lage
ist, jedes gefundene Stück Holz exakt auf das Jahr genau zu
datieren, sofern die Rindenkante erhalten ist.
Fundplätze für chronologisch auswertbares Kulturgut sind
neben Siedlungen, Burgen und "Horten" (Verstecke, Händlerdepots,
religiös motivierte Niederlegungen usw.) vor allem die Friedhöfe
vergangener Epochen, da in vorchristlicher Zeit in fast allen
Kulturen der Brauch herrschte, den Verstorbenen ihr Hab und Gut,
oftmals auch noch Speise und Trank, auf den Weg ins Jenseits
mitzugeben. So besteht die Grabausstattung einer Frau oft aus
Schmuck, Trachtzubehör und Haushaltsgegenständen, die des Kriegers
aus seinen Waffen, die des Handwerkers aus seinen Werkzeugen. Diese
Gegenstände, vor allem Schmucksachen, Waffen und Keramik - letztere
wurde besonders häufig mit ins Grab gegeben - bieten nun die Ansatzpunkte für die zeitliche und kulturelle
Einordnung des Friedhofs.
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-
Generell besteht das Hauptanliegen der Archäologie
nicht darin, möglichst interessantes oder gar wertvolles Fundgut zu
bergen, sondern in dem Bestreben, über die Lebenumstände und die
Kultur vergangener Zeiten so viel Information wie möglich zu
sammeln. Dabei sagen die in den Boden eingetieften Pfostenlöcher
eines längst verfallenen Hauses oft mehr aus, als ein Edel-
metallfund von vielleicht hohem Geldeswert. Deshalb achtet man bei
modernen Ausgrabungen auf jede unscheinbare Verfärbung im Boden und
auf jede Keramikscherbe.
Die Altsteinzeit (ca. 500 000 - 8000 v. Chr.)
Altsteinzeit (griechisch: Paläolithikum) heißt der
früheste und längste Abschnitt der Menschheitsgeschichte. In
dieser Zeit haben sich Klima und Umweltbedingungen mehrfach radikal
verändert. Mindestens vier größere Eiszeiten (Günz, Mindel, Riss
und Würm) wechseln mit jeweils einer kürzeren Warmzeit ab. Aus dem
Klimawechsel ergaben sich zwangsläufig Veränderungen der Tier- und
Pflanzenwelt, von denen der altsteinzeitliche Mensch, der als Jäger
und Sammler lebte, weitgehend abhängig war. Als Wohnplätze dienten
häufig Felsüberhänge, seltener Höhlen, im Freiland auch Zelte
und primitive Hütten. Die Verwendung des Feuers war weitgehend
bekannt.
Werkzeuge und Geräte waren fast ausschließlich aus
Stein hergestellt. Die ältesten mitteleuropäischen
Steinartefakte wurden aus Geröllen gefertigt und erhielten durch
Abschläge scharfe Schneiden und funktionsgerechte Gestalt. Schleif-
und Bohrtechnik waren noch unbekannt.
Durch gezieltes Zurechtschlagen eines Rohstückes
entstand ein sogenanntes "Kerngerät", welches häufig auf
beiden Seiten flächig überarbeitet wurde. Das bekannteste Beispiel
eines "Zweiseiters" stellt der Faustkeil dar.
Solche Kerngeräte sind typisch für das ältere Paläolithikum, die
Zeit des Homo erectus (bis ca. 300 000 v. Chr.). Im mittleren Paläolithikum,
der Zeit des Homo präsapiens und des Neanderthalers (bis ca. 40 000
v. Chr.), wurden die Kernsteine so zugerichtet, daß auch die Abschläge
eine gewollte Form erhielten. Durch eine zusätzliche Bearbeitung
("Retuschieren") der Kanten entstanden
Schaber, Kratzer, Spitzen u. a. Werkzeugtypen. Das Jungpaläolithikum
(bis ca. 8000 v. Chr.) ist durch besonders lange, schmale Abschläge
mit paralellen Kanten (Klingen) gekennzeichnet. Nun treten vermehrt
auch Gerätschaften aus Knochen und Geweih auf. In dieser Zeit
erscheint erstmals die Menschenform, zu der wir selbst uns rechnen:
der Homo sapiens.
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Die
Mittelsteinzeit (8000 - 6000 v. Chr.)
In der mittleren Steinzeit (griech. : Mesolithikum)
veränderte sich allmählich mit dem Rückzug der Gletscher der
letzten Eiszeit das Klima und damit auch Pflanzen- und Tierwelt in
Mitteleuropa.
Die mesolithischen Kulturen stellen immer noch
ein Forschungsproblem dar, es ist recht wenig über sie bekannt.
Fest steht, daß Jagd, Fischfang und das Sammeln von Wildpflanzen
auch weiterhin die Lebensgrundlage bildeten. Typisch für das
Spektrum mesolithischer Steinwerkzeuge sind die
"geometrischen" Mikrolithen, sehr kleine, drei- und
viereckige oder kreissegmentförmige Abschläge mit äußerst
scharfen Kanten.
Indem man die einzelnen Stücke miteinander
kombiniert in Halterungen aus Holz oder Knochen einsetzte, konnte
man vielfältige Werkzeugtypen erzeugen. Häufig dienten die
Mikrolithen auch als Pfeilspitzen, man verkittete sie unter
Verwendung von Pech oder Harz mit dem hölzernen Schaft.
Mit dem Ausgang des Mesolithikums endet in Europa
auch die Zeit der Jäger und Sammler. Es scheint jedoch sicher, daß
auch im älteren Neolithikum noch Rückzugsgebiete abseits der
fruchtbaren Landschaften bestanden, in denen mesolithische Gruppen
auf der jägerischen Wirtschaftsstufe verharrten.
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Die
Jungsteinzeit (ca. 6000 - 1800 v. Chr.)
In der Jungsteinzeit (griechisch: Neolithikum) vollzieht
sich ein tiefgreifender Wandel der Ernährungsgrundlage. Im
Gegensatz zum Jäger- und Sammlertum alt- und mittelsteinzeitlicher
Kulturen bilden nun Ackerbau und Viehzucht die Hauptquellen für die
Ernährung einer bäuerlich geprägten, neolithischen Bevölkerung.
Diese neue Kultur wird dokumentiert von Sesshaftigkeit und Hausbau,
Vorratswirtschaft und neuen Technologien in der Werkzeugherstellung.
Erstmals taucht die Keramik auf. Die dörfliche Gemeinschaft wird
zur wesentlichen wirtschaftlichen und sozialen Organisationsform.
Der Übergang zur bäuerlichen Lebensweise ist nicht
das Ergebnis eigenständiger Entwicklungen in Mitteleuropa. Vielmehr
weisen archäologische Indizien auf ein langsames, allmähliches
Vordringen der wirtschaftlichen und handwerklichen Kenntnisse aus
den frühen Hochkulturen des vorderen Orients über den Balkanraum
bis nach Mittel- und Westeuropa hin. Wichtige Indizien für die frühen,
Ackerbau treibenden Kulturen sind Töpferei, Weberei und Waffen und
Gerätschaften aus geschliffenem Stein.
Spezifische Keramiken, Geräte und Hausformen
sind typisch für verschiedene,
chronologisch und geographisch differenzierbare
Kulturgruppen.
Steingeräteherstellung
im Neolithikum
Nach wie vor blieb der Stein ein wichtiger Werkstoff.
Jedoch zeigt sich ein wesentlicher technologischer Fortschritt gegenüber
den vorangegangenen Perioden durch Schliff und Politur von Geräten
aus Feuerstein (Silex) und verschiedenen Felsgesteinen.
Ein grob zugerichtetes Rohstück wurde mit Hilfe von Wasser
und einem Grus aus feinkörnigem, hartem Quarzit geschliffen und häufig
sogar fein poliert. Felsgesteine konnten auch gebohrt werden. An
neolithischen Äxten sind sowohl Voll- als auch Hohlbohrungen mit
Hilfe eines hölzernen oder beinernen Drillbohrers nachweisbar.
Oft sind Halbfabrikate und Bohrkerne erhalten, die genaue Auskunft
über die jeweils angewendete Technik geben.
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Neolithische
Keramik
Töpferei ist eine der wichtigsten, entscheidensten Neuerungen
der Jungsteinzeit. Die Gefäße werden aus der freien Hand, noch
ohne die Töpferscheibe, geformt und haben dementsprechend
unregelmäßige, oft recht grobe Formen. Der Brand ist ausgesprochen weich. Frühe Gefäßformen (Flaschen, Schalen, kürbisförmige
Gefäße und sogenannte "Kümpfe") haben meist kugelige Böden.
Eine der frühesten neolithischen Kulturgruppen, die Bandkeramik,
zeigt als typische Gefäßverzierung eingeritzte, bandförmige
Ornamente, anfangs als zusammenhängende Linien (Linearbandkeramik),
später in einzelnen Einstichen ausgeführt (Stichbandkeramik).
Eine Vielzahl mittel- und spätneolithischer
Kulturgruppen (beispielsweise Rössen, Altheim, Cham, Michelsberg
und viele andere) lassen sich zeitlich und räumlich vor allem nach
ihren keramischen Erzeugnissen unterscheiden. Die
unterschiedlichsten Gefäßformen (Tassen, Becher, Amphoren, Krüge
u.a.) treten auf und zeigen ihre verschiedensten lokalen Ausprägungen.
Zwei der wichtigsten endneolithischen Kulturen, die
Glockenbecherkultur und die Schnurkeramik, beide um 2000 v. Chr.,
tragen die Bezeichnung ihrer "Leitgefäße" als Namen.
Glockenbecher sind meist völlig mit teppichartigen Verzierungen
bedeckte, becherartige Gefäße von der Gestalt einer mit der Öffnung
nach oben gekehrten Glocke. Die Schnurkeramik trägt ihren
Namen von der für sie typischen Ziertechnik, bei der im noch
feuchten Ton des halbfertigen Gefäßes durch Schnureindrücke
Muster erzeugt wurden. Beide Kulturen gehören bereits in den Übergangshorizont
von der Stein- zur Bronzezeit.
Das
schnurkeramische Hockergrab von Neudorf
Bereits 1932 entdeckte M. Hundt bei Neudorf,
in der Flur "Roseneckgarten" unter bereits zerstörten
eisenzeitlichen Bestattungen ein Männergrab der Schnurkeramik. Der
Mann war in einer für die schnurkeramischen Gräber typischen Weise
beigesetzt worden. Er war in gehockter Stellung, mit angezogenen
Beinen, halb auf der rechten Seite liegend, in O - W - Ausrichtung
bestattet.
Viele vorgeschichtliche Kulturen bestatteten ihre
Toten in Hockerstellung. Dieser Brauch war schon der Anlaß
zahlreicher wissenschaftlicher Kontroversen. Möglich wäre z. B.,
daß die Hockerlage die natürliche Schlafstellung oder die Lage
eines Kindes im Mutterleib wiedergeben sollte. Aber auch eine
magische Fesselung des Toten aus Furcht vor Wiedergängertum ist
denkbar. Manchen Toten wurden, sicherlich aus diesem Grund, die
Beine gebrochen, man zerstörte die mit ins Grab gelegten Waffen und
bedeckte den Verstorbenen mit schweren Steinen.
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Der Neudorfer Schnurkeramiker hatte seine steinerne Streitaxt
mit im Grab. Diese geschliffene, zur Schäftung durchbohrte und
facettierte Waffe ist aus schwarzem Amphibolit gefertigt. Sie gehört
zum Typus der sogenannten "A - Äxte", die eine Leitform für
den älteren Horizont der Schnurkeramik darstellen. Die Knochennadel
mit Ringkopf, die wohl einst das Gewand zusammen hielt, stellt eine
besonders im benachbarten Böhmen weit verbreitete Form dar. Eine
Spitzklinge aus stark patiniertem Hornstein wurde von Hundt als
Dolch bezeichnet. Ihre tatsächliche Funktion ist ungewiß, jedoch
sind aus der annähernd zeitgleichen Glockenbecherkultur kleine
Kupferdolche ähnlicher Form bekannt. Bei der Ausgrabung befand sich
auch noch eine kugelförmige Amphore, die einst wohl Speise
oder Trank enthielt, mit im Grab. Sie wurde vor ca. 10 Jahren im
Depot des Münchner Stadtmuseums aufgefunden, an das sie noch zu Max
Hundt’s Zeiten ausgeliehen worden war.
Die Bronzezeit
(ca. 1800 - 800 v. Chr.)
Bereits die endneolithischen Kulturen, vor allem die
Glockenbecherkultur, kannten schon das Kupfer als neuen, leicht
formbaren und doch festen Werkstoff, verwendeten es aber noch äußerst
selten, hauptsächlich, sicher des goldfarbenen Glanzes wegen, für
Schmucksachen und kleine Dolche. Wohl auf Einflüsse aus dem
Donauraum geht die Kenntnis der Verarbeitung von Bronze,
einer Kupfer - Zinn - Legierung im Idealverhältnis 9 : 1, zurück.
Um 1800 v. Chr. veränderte die Bronze die wirtschaftlichen Verhältnisse
der vorgeschichtlichen Kulturen Mitteleuropas.
Rohstoffgewinnung, Bronzeherstellung und Guß setzen
ein spezialisiertes Handwerk voraus. Der Besitz von Erzgruben und
die Kontrolle des Rohstoff und Endprodukthandels erzeugt Abhängigkeitsverhältnisse,
die wirtschaftlich bedingt sind. Durch die für die Verarbeitung benötigten
Spezialkenntnisse und die dadurch bedingte Arbeitsteilung änderte
sich die bäuerliche, auf Selbstversorgung ausgerichtete
Gesellschaftsordnung.
In den Bestattungsbräuchen werden soziale
Abstufungen erkennbar. In der mittleren Bronzezeit beginnt man,
reichen und mächtigen Verstorbenen einen Grabhügel zu errichten
und sie mit oft recht prunkvollen Beigaben auszustatten. Diesem
Brauch verdankt jene Epoche den Namen "Hügelgräberbronzezeit"
(ca. 1600 - 1200 v. Chr.). In der späten Bronzezeit ändert sich
das Totenbrauchtum radikal. Die Toten werden verbrannt und in Urnen
auf großen Friedhöfen beigesetzt. Deshalb nennt man die Zeit etwa
ab 1200 bis 800 v. Chr. die "Urnenfelderkultur".
Sie leitet bereits in die frühe Eisenzeit über.
Die mannigfaltigen Bronzeprodukte,
Schmucksachen, Werkzeuge, Gebrauchsgegenstände und vor allem
Waffen, sowie typische Keramikformen ermöglichen eine sehr
differenzierte chronologische und geographische Untergliederung der
Bronzezeit. Man unterscheidet in Mitteleuropa vier, im nordischen
Kreis fünf verschiedene Stufen, die wiederum in sich weiter
untergliedert sind. In jeder Periode zeigen sich die verschiedensten
lokalen Ausprägungen, vor allem in der Gestaltung von Schmuck,
Trachtzubehör und Waffen. Bestimmte Schwert-, Beil- und
Lanzenspitzen- formen zeigen hingegen eine allgemeineuropäische
Verbreitung und können deshalb als Leitfunde für gewisse Stufen
verwendet werden.
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Die
Urnenfelderzeit (ca. 1200 - 800 v. Chr.)
Die im 13. Jhdt. v. Chr. aufkommende Sitte der
Brandbestattung und der Anlage großer Urnenfriedhöfe stellt ein
gesamteuropäisches Phänomen dar. Sie erfaßt Europa von Südrußland
bis zur französischen Atlantikküste und von Spanien und Italien
bis nach Holland. Nur Nord- deutschland und Skandinavien bleiben von
dieser Bewegung und ihren Folgen weitgehend unberührt. Die neue
Sitte der Brandbestattung überlagert eine Vielzahl bronzezeitlicher
Kulturen. Obwohl das Fundbild durchaus nicht einheitlich, sondern
durch lokale Ausprägungen bestimmt ist, treten verschiedene Typen
von Bronzegerät und Waffen im gesamten Verbreitungsgebiet
auffallend einheitlich auf.
Die Bronzen der Urnenfelderzeit sind kompliziert und
aufwendig gearbeitet. Guß in verlorener oder in mehrschaliger Form,
Treibarbeit, Ziselierung und Punzierung waren allgemein übliche
Techniken. Auch Hohl- und Überfanggüsse wurden bereits gefertigt.
Erstmals treten in Mitteleuropa auch bronzene Defensivwaffen, Helme,
Schilde und Harnische auf. Man deutet sie als Hinterlassenschaft
einer kriegerischen Oberschicht, die in ihren Sitten die
Lebensgewohnheiten mediterraner Nachbargesellschaften nachahmte.
Die Keramik der Urnenfelderkultur ist, obwohl noch immer
handgefertigt, wesentlich feiner gearbeitet als ihre Vorgänger.
Manchmal sind die Gefäße mit einer dünnen Graphitschicht überzogen
und erscheinen so metallisch glänzend. Typisch urnenfelderzeitlich
sind die Gefäßfragmente aus Alladorf (Wölfel 1964), sowie die
Funde vom Kasendorfer "Prelitz" und "Flur". Das
"Etagengefäß" vom "Flur" bei Kasendorf
stellt eine nur in der Oberpfalz, Oberfranken und dem benachbarten Böhmen
vorkommende Sonderform dar.
Die
Hallstattzeit (ca. 700 - 450 v. Chr.)
Bedingt durch ethnische Veränderungen im Donauraum,
Zuwanderung und Überlagerung der urnenfelderzeitlichen Gesellschaft
durch fremdstämmige Elemente und veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
entstand in Mitteleuropa die sogenannte Hallstattkultur. Sie ist
nach einem großen Gräberfeld am Hallstätter See im Salzkammergut
benannt, wo erstmals Funde aus dieser Epoche beobachtet wurden.
Die Hallstattkultur bringt als wichtigste kulturelle
Neuerung das Eisen. Zuerst wird das neue und wertvolle
Material nur für Schmucksachen und Verzierungen auf Waffen
verwendet, mit der Zeit verdrängt das Eisen jedoch die Bronze als
Werkstoff des täglichen Bedarfs immer mehr. Die fortgeschrittene
Technologie der frühen Eisenzeit zeigt sich in einer
hochentwickelten Metallverarbeitung und der spezialisierten
Keramikproduktion. Die Töpfereien versorgen größere Regionen mit
bemalter, graphitierter und inkrustrierter Ware. Die feinsten
Tonwaren wurden, wohl speziell für die Begräbnisfeierlichkeiten
hergestellt, in den Grabkammern niedergelegt und bezeugen die in die
Jenseitsvorstellungen übertragenen Lebensgewohnheiten der
Hallstattzeit.
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In der Spätphase der Hallstattzeit nimmt der Einfluß
der antiken Hochkulturen spürbar zu. Besonders im westlichen
Hallstattkreis finden sich häufig griechische und etruskische Importwaren,
vor allem Luxusgegenstände für eine prachtliebende Oberschicht,
die in direktem Kontakt mit der griechischen Welt zu stehen scheint.
Viele dieser Importe werden in den Gräbern niedergelegt, die
teilweise derart reich ausgestattet sind, dass man mit einigem Recht
von Fürstenbestattungen sprechen kann.
Gängige einheimische Grabbeigaben für die
Oberschicht sind Waffen aus Bronze und Eisen, reiche Keramiksätze,
die oftmals ein ganzes Trink- und Speiseservice umfassen, und häufig
symbolisch beigegebenes Pferdegeschirr und Teile von großen, vierrädrigen
Wagen. Seltener sind die Beispiele einer echten Wagenbestattung. In
diesen meist besonders reichen Gräbern ruhte der Verstorbene auf
einem voll- ständigen Fahrzeug, das auch die Beigaben aufnahm. Die
Hallstattzeit ist die erste vorgeschichtliche Epoche, die man mit
ziemlicher Sicherheit einer bestimmten Volksgruppe zuweisen kann, nämlich
den in späterer Zeit so berühmt gewordenen Kelten. Daher
wird in der neueren Forschung die Hallstattzeit auch oft als frühkeltische
Periode bezeichnet.
Die früheisenzeitlichen Gräberfelder von Berndorf und Tannfeld
Bei Berndorf und Tannfeld im Thurnauer Land konnten
zwei Friedhöfe der Hallstattkultur entdeckt und in jahrelanger
Arbeit ausgegraben werden. Beide Gräberfelder zeigten sowohl Körperbestattungen
unter Hügeln, als auch kleinere Urnenflachgräber, was in
Oberfranken den Übergang von Ha C nach Ha D zu dokumentieren
scheint. Aus den verschiedenen Beigaben konnte auf eine erhebliche
soziale Differenzierung geschlossen werden. Die Ausstattungsunterschiede zwischen den reichsten und den ärmsten Gräbern waren
beträchtlich. So hatte der im Berndorfer Grab 4 bestattete Mann,
der offensichtlich ein Mitglied der lokalen Oberschicht war,
ein Eisenschwert, eine bronzene Gewandnadel mit Schälchenkopf und
einen reichen Geschirrsatz als Beigaben, während die ärmsten Gräber
nur ein Gefäß mit dem Leichenbrand enthielten.
Berndorf
Im Jahre 1971 wurde bei landwirtschaftlichen Arbeiten
zufällig das erste Grab des Berndorfer Hallstattfriedhofs entdeckt.
Ein Satz aus sechs Halsringen und steigbügelförmiger
Armreife konnten in die Spätphase der Hallstattzeit (Ha D, 5. Jhdt.
v. Chr.) datiert werden.
Bis einschließlich 1975 legten ehrenamtliche
Mitarbeiter des CHW unter der Leitung des Kreisheimatpflegers Dieter
Schmudlach im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege
insgesamt 47 Bestattungen frei. Die Belegungsabfolge zieht sich
durch die ganze Hallstattzeit. In zwei Kindergräbern fanden sich
bereits Beigaben im sogenannten "Latènestil", der
typisch keltischen Kunstperiode, die etwa ab 450 v. Chr. beginnt.
Die Gräber enthalten in der Hauptsache Keramikbeigaben, aber auch
Schmuck, Gewandnadeln und Fibeln, Toilettebesteck (Ohrlöffelchen,
Pinzette, Nagelschneider), Rasiermesser und anderes.
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Nur einmal, im Grab 4, ließ sich eine Waffenbeigabe
beobachten. Das über einen Meter lange eiserne Schwert mit
maximal 4 cm breiter Klinge ist eine typische Reiterwaffe der frühen
Hallstattzeit um 650 v. Chr. Derart große Schwerter sind zum Fußkampf
denkbar ungeeignet. Sie lassen sich sinnvoll nur vom Pferd oder
Streitwagen herab handhaben und mögen von einer Art Kriegeradel geführt
worden sein. Das Berndorfer Schwert gehört dem Typ Mindelheim,
Variante Bubesheim an. Die nächsten vergleichbaren Parallelen
finden sich in der Tschechoslowakei (Jarosovice).
Tannfeld
Auf der Flur "Atschenrain" wurde bereits
1935 ein späthallstättisches Grab bei landwirtschaftlichen
Arbeiten angeschnitten und zerstört. Durch Zufall bekam der
Kulmbacher Heimatforscher und damalige Leiter der vorgeschichtlichen
Abteilung des Luitpoldmuseums, M. Hundt, einige Bronzen in die Hand.
In einer sofort durchgeführten Nachgrabung konnte er aus dem fast völlig
zerstörten Grab noch einige Keramikreste bergen. Den Hauptteil des
einst reichen Geschirrsatzes soll der Bauer bei der Entdeckung
weggeworfen haben. 1977 erfolgte dann unter der Leitung von Dr. B.-U.
Abels eine wissenschaftliche Ausgrabung durch das Bayerische
Landesamt für Denkmalpflege. In mehreren Grabungskampagnen wurden
bis 1979 insgesamt 23 Bestattungen freigelegt. Sie enthielten in der
Hauptsache Keramikbeigaben und nur wenige Bronzen. Das Tannfelder Gräberfeld
datiert in die Stufen Ha C und D, zwischen ca. 700 und 500 v. Chr.
Die Latènezeit
(ca. 450 v. Chr. - Christi Geburt)
Die Latènezeit geht unmittelbar aus der mitteleuropäischen
Hallstattkultur hervor. Es gibt keine Bruch in der Bevölkerungskontinuität,
keine Zuwanderungen und Überlagerungen, nur der Kunststil wandelt
sich. Starke etruskisch-griechische Elemente werden in einer Weise
umgesetzt, wie es allein für die Kelten, die Träger der Latènekultur,
typisch ist. Der Name dieser Epoche ist von einem Fundort in der
Westschweiz, La Tène am Neuenburger See, entlehnt.
Man unterteilt die Latènezeit in eine Früh-,
Mittel- und Spätphase bzw. in die Stufen a - d. Die Frühphase
endet etwa um 400 v. Chr. mit den historisch überlieferten
Eroberungs- zügen der Kelten gegen Italien und Griechenland. Zur
damaligen Zeit scheint die gesamte keltische Bevölkerung
Oberfrankens auszuwandern. Auf dem Kasendorfer Turmberg, der in der
Frühphase eine mächtige keltische Burg trug, findet sich kein
einziges Stück der mittleren Periode.
Erst in der Spätphase, im letzten vorchristlichen
Jahrhundert, nach den verheerenden Niederlagen der Kelten gegen die
Völker der antiken Welt, vor alle gegen die Römer, belegen einige
wenige Keramikfragmente eine Neubesiedelung des Turmbergs.
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Die Latènezivilisation war hochentwickelt. Es
entstanden große Städte nach antikem Muster, meist befestigt, mit
straffer Innengliederung, Handwerkerzentrum und Viertel für die
Oberschicht. Eine große keltische Stadt, wohl das historische 'Menosgada', lag auf dem Staffelberg bei Staffelstein. Die
Kelten waren meisterliche Handwerker. Bronzeguß und Schmiedekunst standen ebenso wie die Bearbeitung von
Edelmetallen auf hohem Niveau. Berühmt waren die keltischen
Eisenschmiede, besonders die Waffenschmiede. Die Kelten waren die
Erfinder des Kettenpanzers. Fast die gesamte spätere Ausrüstung
der berühmten
römischen Legionen ist keltischen Ursprungs. Man
begann, scheibengedrehte Keramik herzustellen. Erstmals verdrängte
in Mitteleuropa das Geld die Naturalwirtschaft.
Die Latènezivilisation fand ihr Ende durch Cäsars
Eroberungen in Gallien und den Alpenfeldzug unter Kaiser Augustus im
Jahre 15 v. Chr. Letzte keltische Refugien bestanden noch für kurze
Zeit in Thüringen und Böhmen, bis die Kelten schließlich den
Germanen unterlagen. In Gallien lebte das Keltentum, allerdings in
romanisierter Form, lange Zeit fort, in Irland hat es sich in
seiner ganz eigenen Ausprägung bis heute erhalten.
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Die römische
Kaiserzeit, Völkerwanderungszeit
und Merowingerzeit (Christi
Geburt - ca. 800)
In diesen drei Epochen erscheint das oberfränkische
Gebiet weitgehend fundarm, was aber nicht unbedingt auf eine
Siedlungsleere deuten muß. Manches spricht dafür, dass germanische
Gruppen hier nicht auf auf Dauer seßhaft wurden, sondern in jenen
unruhigen Zeiten bald weiter zogen. Aus dem 4. Jhdt. sind einige
Funde aus Höhensiedlungen bekannt: von der Ehrenbürg eine spätrömische
Gürtelgarnitur, vom Kasendorfer Turmberg eine elbgermanische Fibel
und zahlreiche Funde vom Reißberg bei Schlappenreuth . Auf dem
Gipfelplateau des Staffelbergs konnte eine germanische Wehranlage
nachgewiesen werden.
Auf dem Kasendorfer Turmberg wurde 1986
dasBruchstück einer germanischen Eisenfibel des 3. Jhdts. entdeckt.
Die noch bestehenden scheinbaren Siedlungslücken könnten also
durchaus Lücken im Forschungsstand sein. Bodenfunde aus der
Merowingerzeit sind bis jetzt nur aus Staffelstein, Hirschaid und
vom Schlappenreuther Berg bekannt. Nach Ansicht des Bamberger
Mittelalterarchäologen Prof. Dr. W. Sage wäre es aber denkbar, dass
sich einige Beigaben aus Reihengräbern, die bis jetzt als
karolingisch-ottonisch angesprochen werden, als jünger-merowingerzeitlich
erweisen und in das 7. Jhdt. gehören.
Das frühe Mittelalter (8. - 10. Jhdt.)
In karolingischer Zeit, etwa im 8. Jhdt., setzt auch
in Oberfranken die fränkische Landnahme und damit verbunden, stärkere
Siedlungsaktivität ein. Erstmals gibt es nun auch schriftlich überlieferte
Nachrichten über politisch wichtige Örtlichkeiten, zum Beispiel über
die Königshöfe oder Pfalzen zu Hallstadt, Forchheim und Königsfeld.
Über die kleineren Ansiedlungen geben jedoch auch in dieser Epoche
fast ausschließlich nur archäologische Bodenfunde Auskunft.
Wichtigste Bodendenkmäler aus dieser Zeit sind die sogenannten
"Reihengräberfriedhöfe", die, der merowingischen
Tradition folgend, alle in mehr oder weniger geordneten Reihen
angelegt und annähernd westöstlich ausgerichtet sind. In der
Beigabensitte macht sich nun der christliche Einfluß geltend. Viele
Bestattungen sind völlig beigabenlos, die meisten anderen enthalten
nur noch sehr wenige Trachtbestandteile, Gürtel- und andere
Schnallen, Nadeln, die wohl das Totenhemd zusammen hielten und etwas
Schmuck.
Häufig sind dagegen sogenannte "Schläfenringe",
die wohl zur Haartracht gehörten und kleine Messer. Die Beigabe von
Waffen erlischt fast völlig. Eine Ausnahme bilden die zwei
Schwertgräber von Weismain, LIF, sie dokumentieren den hohen
sozialen Rang der Bestatteten. Auch die Beigabe von Sporen, wie sie
in einigen Gräbern von Grafendobrach und Alladorf vorkommt, ist als
Indiz für einen hohen gesellschaftlichen Rang des Verstorbenen zu
werten. Die zu den Friedhöfen gehörenden Siedlungen sind nicht
gefunden, sie mögen von den modernen Ortschaften überbaut sein.
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In ottonischer Zeit, im 10. Jhdt., wird das
obere Plateau des Kasendorfer Turmbergs noch einmal stark
befestigt und militärisch besetzt, vermutlich, um der Bedrohung
durch magyarische Reiternomaden zu begegnen. Die Keramik dieser Zeit
ist scheibengedreht, dünnwandig und hartgebrannt. Häufig treten
Wellenlinienmuster auf.
Das Reihengräberfeld
von Alladorf
Bei verschiedenen Grabungskampagnen wurden zwischen
1955 und 1984 insgesamt 244 Gräber des karolingisch-ottonischen
Ortsfriedhofs freigelegt. Damit ist das Gräberfeld von Alladorf der
größte Friedhof des 8./9. Jhdts. in Oberfranken. Die Gräber sind,
der topographischen Situation folgend, in N/S-Richtung ausgerichtet.
Die aufwendigeren Bestattungen sind in das anstehende Juragestein
eingetieft. Grabgruppen lassen auf familiäre Zusammengehörigkeit
der dort Bestatteten schließen. Einzelne Nachbestattungen innerhalb
dieser Gruppen beweisen eine längere Belegungszeit des Friedhofs.
Die ausgegrabenen Funde liegen fast alle im für
diese Zeit üblichen Spektrum: Glasperlen, silberne Schläfenringe,
Trachtbestandteile, Eisenmesser und Bronzenadeln, die wohl das
Leichentuch zusammen hielten. Außergewöhnlich erscheint die
seltene Beigabe von Pfeil- und Wurfspeerspitzen sowie ein Tongefäß.
Im Gegensatz zur Oberpfalz war bisher in Oberfranken noch kein
Keramikgefäß in einem frühmittelalterlichen Grab beobachtet
worden. In Oberfranken waren statt dessen hölzerne Eimer üblich.
Die Beigabe von Reitersporen ist als Indiz für eine höhere
soziale Stellung des Verstorbenen zu werten.
Silberne Schläfenringe
"Schläfenringe" sind zumeist aus dünnem
Silber-, seltener aus Bronzedraht, manchmal auch aus Eisen
gefertigt. Oft haben sie S-hakenförmig ausgeschmiedete Enden. Sie
kommen fast ausschließlich in Frauengräbern vor. Die Fundlage der
Stücke am Kopf der Skelette weist darauf hin, daß sie zur
Haartracht gehört haben. Sie könnten z. B. an einem Stirnband oder
an einer Haube getragen worden sein.
Früher deuteten einige Forscher die Schläfenringe
als Indiz für slawischen Einfluß, wenn nicht sogar für slawische
Volkszugehörigkeit ihrer Träger. Diese Meinung gilt heute
allgemein als überholt. Zwar gibt es solche Ringe in rein
slawischen Siedlungsgebieten (bspw. in Berlin - Spandauer Burgwall),
sie kommen jedoch auch sehr häufig im rein fränkisch besiedelten
Rheinland vor. Eine gegenseitige Beeinflussung beider Kulturkreise
erscheint zwar recht wahrscheinlich; jedoch kann es heute als
verfehlt betrachtet werden, Schläfenringe als rein slawischen
Schmucktyp anzusprechen.
-
13 -
Vorgeschichtliche
Töpferei
Die Keramik ist vermutlich eine Erfindung der frühen
vorderasiatischen Hochkulturen. In Mitteleuropa tauchen keramische
Erzeugnisse erstmals im frühen Neolithikum, ab ca. 5000 v. Chr.,
auf. Es handelt sich dabei um die sogenannte Bandkeramik, die mit
eingeritzten, kurvenlinearen "Bändern" verziert ist. Die
frühesten Tongefäße erinnern in der Form noch an ihre aus
organischen Stoffen (Leder, Holz, Korbgeflecht, Kürbisschalen)
bestehenden Vorgänger. Bald tauchen jedoch neue Formen auf, die
sich teilweise bis heute erhalten haben, z. B. Schalen, Tassen, Krüge
u.v.a.
Die vorgeschichtlichen Töpfer Mitteleuropas
kannten noch nicht die Töpferscheibe, die im
Zweistromland bereits um die Mitte des 4. Jtds. v. Chr. belegt ist.
Sie stellten ihre Gefäße im sogenannten Tonwulstverfahren her.
Dabei wurde das Gefäß aus vielen ringförmigen, übereinander
gelegten Tonwülsten zusammengesetzt, die man dann sorgfältig
verstrich. Der Gefäßrand und der Boden wurden gesondert
gearbeitet.
Eine andere Technik bestand im zonenweisen
Aufbau des Gefäßes aus Tonfladen. Dies läßt sich anhand einiger
zerbrochener Gefäße gut belegen. Man erkennt deutlich, wie die über-
einander gesetzten Fladen außen und innen miteinander verstrichen
wurden. Boden und Randzone sind auch hier gesondert gearbeitet und
dann angesetzt.
Für stark gewölbte, bauchige Gefäßformen, bspw.
der Urnenfelderzeit, verwendete man einfache Erdformen, in welche
man die Gefäße hineintöpferte. Flache Schüsseln und Schalen
formte man umgekehrt über einem feuchten Erdhaufen. Die
vorgeschichtlichen Töpferwaren sind meist nur mittelhart gebrannt,
da sich mit den damals verwendeten Brennöfen noch nicht die für
einen harten Brand nötigen, hohen Temperaturen erzielen ließen.
Wirklich hartgebrannte Keramik führten erst die Römer ein.
Um 450 v. Chr. tritt in Mitteleuropa erstmals die Töpferscheibe
auf und wird bei den Kelten allgemein gebräuchlich. Damit werden
neue Gefäßformen ermöglicht, z. B. bauchige
"Linsenflaschen" (wie z. B. aus dem "Stöckig"
bei Thurnau), die mit den beschriebenen Verfahren nicht hergestellt
werden konnten. Da sich die Gefäßproduktion vereinfacht hatte und
nun beschleunigt durchgeführt werden konnte, entstanden in dieser
Zeit erstmals große Manufakturen, die den Bedarf ganzer Regionen
decken konnten. Keltische Keramik enthält häufig einen hohen
Graphitanteil und ist deshalb schwarz gefärbt. Graphittongefäße
waren besonders feuerfest. Römische Tonwaren, meist die ziegelrote,
dünnwandige und oft reichverzierte "Terra sigillata",
tauchen in nachchristlicher Zeit immer häufiger im romanisierten
Germanien, besonders im Rheinland, auf.
- 14 -
Oberflächenbehandlungen, Verzierungen
Gerade die Art der Oberflächengestaltung und
Dekoration prähistorischer Keramik ist wichtig für chronologische
und geographische Einordnung des betreffenden Stückes. Neolithische
Gefäße haben anfangs meist rauhe oder flüchtig geglättete Oberflächen.
Erdfarben (Brauntöne, Ocker) dominieren. Spätere Stücke sind
bereits gut geglättet, seltener sogar poliert, weiße
Inkrustrationen tauchen erstmals auf. das fortgeschrittene
Neolithikum (Walternienburg- Bernburger Gruppe) kennt bereits
teppichartig flächendeckende Tiefstichzier mit Inkrustration.
Glockenbecher sind zumeist in umlaufenden Zonen
dekoriert, die Schnurkeramik trägt ihr typisches, namengebendes
Schnurmuster. Bronzezeitliche Keramik ist zumeist dunkel- bis
mittelbraun und gut geglättet oder poliert. An
Verzierungsstechniken sind Kerbschnitt, Tiefstichornamentik oder
Stempelzier am häufigsten vertreten. Graphitierte, schwärzlich-
metallisch glänzende Oberflächen treten erstmals in der
Urnenfelderzeit auf, um dann in der Hallstattkultur ihre Blüte zu
erleben.
Über die Hälfte der hallstattzeitlichen
Grabkeramiken sind graphitiert. Es gibt aber auch
kirschrot-polierte, bemalte, geglättete und sogar rauh belassene
Gefäße. Häufig sind ziegelrote Henkeltassen, während sonst
dunklere Farben überwiegen. Sehr häufig tauchen geometrische
Muster auf, die meist in Kamm- und Haarstrichtechnik ausgeführt
wurden. Beliebt als Zierornamente sind Dreiecke, Zickzacklinien,
Sterne, Kurvenlinien und vieles mehr.
Latènezeitliche Tonwaren sind sehr vielgestaltig.
Sie können rauh belassen, geglättet, poliert oder bemalt sein, es
treten fast alle Tonfarben auf. Typisch für die späte Latènekultur
ist die schwarze Graphittonware. Sie ist häufig
kammstrichverziert. Die keltischen Keramiken sind größtenteils
scheibengedreht.
Die provinzialrömische Töpferei folgt stark den
italischen Vorbildern. Schwarze arretinische Ware, ziegelrote Terra
sigillata mit Reliefdekor, graue Gebrauchskeramik und bemalte
"Vasen" nach griechisch-hellenistischem Vorbild kommen
vor. Kaiserzeitlich römische Tonwaren sind bereits fabrikmäßig
hergestellte Massenware. Bei großen gallisch-römischen
Keramikfabriken muß mit einer Gefäßproduktion von rund ein Million
Stück im Jahr gerechnet werden.
Nach Axel Gelbhaar M A.: Begleittext zur Sonderausstellung
"25 Jahre Ausgrabungen und Funde im Kulmbacher Land"
(März bis September 1988)
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