Zur Sonderausstellung in Tüchersfeld 2010: -1-

"Handwerker - Krieger - Stammesfürsten"

Funde aus der germanischen Höhensiedlung auf dem Reisberg


 

 

[Zurück zur Übersicht]

Eine einzigartige Bronzefigur
Bei dieser plastischen Arbeit handelt es sich um eine von einem germanischen Handwerker gefertigte Imitation einer römischen Figur. Dargestellt werden sollte ein Doppelflötenspieler (Aulet). Dieses Instrument, eigentlich eher eine Doppeloboe, wurde bei einer Vielzahl religiöser Kulte in der römischen Welt begleitend zu Opferhandlungen gespielt. Der Hand-werker nutzte bei der Fertigung der Figur für den unteren Teil eine römische weibliche Gewandfigur. Den Oberteil formte er hingegen offenbar frei nach den Vorstellungen seines Auftraggebers – offenbar stand ihm hierfür kein Vorbild zur Verfügung.

Die Figur diente ursprünglich wohl als Bekrönung eines Pfostens. Wie deutliche Hiebspuren an den Flötenresten zeigen, wurde sie absichtlich zerschlagen. Dabei wurde auch der rechte Flötenteil verdrückt. Bei genauer Betrachtung der Figur sieht man deutlich, dass das rechte Rohr des Instruments ursprünglich zur rechten Hand führte. Mehrere Hiebe, deren Spuren noch eindeutig auf dem linken Rohr zu erkennen sind, ließen das Instrument zerbrechen; die Rohre wurden verdrückt. Die Computeranimation läßt das ursprüngliche Aussehen der Figur deutlich erkennen.  

Unterteil römisch - Oberteil germanisch
Die knapp 10 cm hohe Bronzefigur vom Reisberg ist einzigartig. Bei genauer Betrachtung lässt sich jedoch innerhalb der Figur deutlich ein Qualitätsunterschied ausmachen: Die Qualität der Darstellung fällt am Oberkörper und im Kopfbereich stark ab. Das Aussehen der Figur zeigt römische Anklänge. Besonders im unteren Bereich der Figur ist ein sorgfältig gearbeitetes Gewand auffallend. Dieses entspricht eindeutig dem einer Frau mit Hemd und Mantel, obwohl die Figur eindeutig männlich ist. Offenbar lag dem Handwerker beim Erstellen der Gussform für das Unterteil als Tonvorlage eine weibliche römische Figur vor. Das Oberteil wurde von ihm hingegen wohl frei mit männlichen Merkmalen modelliert. In der Mitte der Figur ist deshalb deutlich die römische Arbeit von der germanischen Imitation zu unterscheiden.

Ursprünglich hielt die Figur wohl eine Art Doppelflöte mit zwei langen Rohren in der Hand. Dieses wegen seines Blattes eigentlich einer Klarinette mehr entsprechende Instrument, Aulos genannt, wurde fast immer bei kultischen Opferhandlungen gespielt. Den Auleten kam dabei die Aufgabe zu, mit ihrem Spiel das Opfer feierlich zu gestalten und gleichzeitig Störungen fernzuhalten.

Wie deutliche Hiebspuren auf einem Flötenansatz zeigen, wurde die Figur absichtlich unbrauchbar gemacht. Hierbei wurden die Flöten verdrückt, Teile davon brachen ab. Die Figur dürfte in das 1. oder 2. Jahrhundert datieren. Ihre Funktion ist unbekannt. Möglicherweise diente sie als Möbelverzierung. Eine Funktion als Begleitfigur in einem Hausaltar ist aber auch denkbar. Die Germanen kannten keine Altäre mit Bronzefiguren. Ihren Göttern huldigten sie in Hainen und Mooren, in denen sie hölzerne Stelen und besonders geformte Astgabeln aufstellten.

[Nach dem Tafeltext von Jens Kraus]


=>  Bilder von der Sonderausstellung:
       Handwerker - Krieger -Stammesfürsten" im Fränkische Schweiz-Museum Tüchersfeld 
                                                                            in einem PICASA-Webalbum

=>  [Zurück zur Übersicht]

  Abb. 1       Abb. 2

Figur eines Aulosspieler              So sah die wohl Figur ursprünglich aus.
vom Reisberg Bronze:                     © ArcTron 3D GmbH, Altenthann 2010
ca. 9,5 cm hoch, 2/3. Jhdt.

 

  Abb. 3 + 4

 

  Abb. 5

Musikanten: Szene auf einem Fresko aus Herkulaneum,
in der Mitte ein Aulosspieler (Aulet).


     nach oben      [home]                                                                                                                                   Dieter Schmudlach (D. Sch.): 14.06./3.08.2010