Geschichtliche
Entwicklung der Herrschaft Thurnau
Die
Anfänge der Thurnauer Herrschaft liegen im 13. Jhdt., als die Förtsche
von Menchau, ein andechs-meranisches Ministerialengeschlecht, hier
Eigengut erwarben und ein Turmhaus am Aubach erbauten, das "huz uf
dem Stein, die Keimzelle der sich später immer mehr erweiternden
Burganlage. 1239
wird erstmalig ein ein Eberhard Forsco (Förtsch) von Turnowe (Thurnau)
urkundlich erwähnt
Durch
Rodung bezw. Kauf von Gütern bauen die Förtsche bis zum Ende des 13.
Jhdts. eine ziemlich geschlossene aber doch winzige Adelsherrschaft auf,
die neben Streubesitz 10 Dörfer und Weiler umfaßte. Das Überleben
dieser kleinen Herrschaft gelang nur durch ein Ausnutzen seiner Lage
zwischen "Tür und Angel zweier mächtiger Fürstentümer" (Chr.
C. von Giech), nämlich dem Bistum Bamberg und dem Fürstentum
Kulmbach-Bayreuth.
Um
1290 bereits ein Bamberger Lehen (Das Bistum Bamberg hatte einen
Burghut- und Öffnungsvertrag durchgesetzt, nachdem Theoderich der
Berner, 1240 aus einer Nebenlinie der Förtsch abgezweigt, seinen Teil am
"huz uf dem Stein" an den Bischof Arnold von Bamberg
verkauft hatte), verhinderte dieser den Tausch Thurnaus gegen die
zollernsche Burg "den (Alten) Berg" (Lkr. Fürth), woran
Burggraf Friedrich IV von Nürnberg interessiert war.
Wahrscheinlich
ging bei diesem mißglückten Handel das benachbarte Kasendorf an die
Zollern verloren. Um über die hohe Gerichtsbarkeit das Recht auf die
Landeshoheit abzuleiten, errichteten sie dort das landesherrliche
Halsgericht und Kastenamt Kasendorf.
Streit
um Halsgerichtsbarkeit - Fraisch - Blutbann und Landesherrlichkeit
Hatte
der Bamberger Bischof Lamprecht bereits 1392 die Hochgerichtsbarkeit der Förtsche anerkannt, so wurde das Halsgericht noch einmal 1397 durch König
Wenzel
ausdrücklich
bestätigt.
Hiergegen
richtete sich der Widerstand der Burggrafen von Nürnberg, die nun auch im
Besitz der ehemals meranischen Herrschaften Bayreuth, Plassenberg und
Zwernitz waren. Die Auseinandersetzungen um die hohe Gerichtsbarkeit
dauerten auch nach dem Aussterben der Förtsch (Wolf F. +1551) bei den
nachfolgenden Geschlechtern Giech und Künßberg an.
Die
Rangeleien während des Condominats (= gemeinsame Herrschaft) dieser beiden Familien brauchen hier
nicht dargestellt zu werden. An die Zeit ihrer gemeinsamen Herrschaft
erinnern heute noch (die wohl um 1600 aufgestellten) noch in ansehnlicher
Zahl vorhandenen kleineren Grenzsteine, etwa 40 Stück mit vorkragendem
Satteldach und ca. 15 etwas größere mit segmentbogenförmigem Abschluß,
alle mit dem Künßberg-Wappen auf der Thurnauer Seite (aufsteigende
Spitze) und dem viergeteilten Hohenzollernschild auf der Außenseite.
Nachdem
Kaiser Friedrich III bei der Erneuerung des Lehensbriefes von 1475 den Förtschen
die Fraisch nur soweit zugestanden hatte als das Halsgericht von Thurnau
den Rechten des Markgrafen von Brandenburg nicht abträglich war, konnten
die Zollern eine weitere Ausbreitung ihrer Blutsgerichtsbarkeit wagen,
indem sie im 1531 erneuerten "Landbuch der Herrschaft Plassenberg"
die hohe Gerichtsbarkeit auf den Markt Thurnau beschränkten ("soweit
des Marktes trüpf reicht ...").
Der
'Crailsheimer Rezeß'
Um
wenigstens die hohe Gerichtsbarkeit für den Markt Thurnau zu retten, ging
Wolf Förtsch 1539 den Crailsheimer Rezeß ein, welcher 1540 von Kaiser
Karl V bestätigt wurde. Hierin nahmen die Förtsche das Halsgericht zu
Thurnau ".. bis an die an und zu den vier Creutz- oder Martersäulen"
(von denen noch diese am Wege nach Limmersdorf vorhanden ist) vom
Markgrafen als "Reichsafterlehen" in Empfang.
[Teil
II: hinter Felkendorf zwischen Homann Nr. 6: "An den Saas, wo zwei
kleine Marcksteine nebeneinander stehen" und Nr. 7: "An dem Blähöfer
Wildzaun Thor"]
Bereits
vor dem Aussterben der Förtsche (Georg Förtsch zu Peesten +1564) hatte
H. G. von Giech gemeinsam mit seinem Schwager H. Freiherrn von Künßberg
(von Wernstein) die "Erbgerechtigkeit am Markt Thurnau samt
Halsgericht" 1558 für 2000 fl frk erworben. In der Folge rundeten
sie ihren Besitz ab, indem sie zahlreiche brandenburgische Mann- bezw.
Afterlehen aufkauften. Ein Lehensbrief von 1566 bestätigte auch die
Belehnung mit dem Blutbann zu Thurnau, welcher nach dem
Crailsheimer Rezeß von 1539 aber eigentlich dem Markgrafen zustand.
So
wundert es nicht, daß es in der Folgezeit, insbesondere mit dem markgräflichen
Nachbarort Kasendorf, zu einer Fülle von Streitigkeiten über die Zuständigkeit
bei Fraischfällen kam.
So
ließ z. B. Markgraf Georg Friedrich im Jahre 1566 in Thurnau Galgen und
Fraischsteine ausgraben und nach Kulmbach verbringen!
1680
wurden die Giechs
in den Reichsfreiherrnstand erhoben, 1695 in den Reichsgrafenstand.
Erst
wegen der prekären finanzielle Situation des Bayreuther Markgrafen Christian
Ernst, welcher dringend Geld für Rückzahlung seiner Schulden an den
Grafen von Hohenlohe benötigte, wurde über eine Überlassung der hohen
Gerichtsbarkeit um und zu Thurnau sowie Peesten gegen eine Zahlung von
45.000 bis 50.000 fl rh. verhandelt.
Der
Hauptrezeß von 1699
Schließlich
kam es am 26. Mai 1699 in Bayreuth zur Unterzeichnung eines Hauptrezesses,
welcher den Grafen von Giech die "hohe und fraischliche Obrigkeit,
Cent und Blutbann cum omnimoda jurisdictione et jure territoriali in und
umb Thurnau, sodan Peesten und deren Zugehör ..." als Reichsafterlehen
zusprach.
Ein
am 30. Mai 1699 in Himmelkron unterzeichneter Nebenrezeß regelte
noch einige als umstritten geltenden Fragen. So verpflichteten sich die
Grafen Giech, als Bayreuther Vasallen persönlich "bei vorfallenden
Hochfürstlichen Beylagern und anderen dergleichen solennen Festivitäten"
zu erscheinen.
Auch
wurde es den Heubschern freigestellt, ihr Bier nach Gutdünken in
Kasendorf oder in giechischen Orten zu holen. Auch versicherte der
Markgraf den Untertanen von Heubsch und Döllnitz, daß sie auf
"ewige Zeiten" ungestört der Augsburgischen Konfession anhangen
sollten (Es waren nämlich Eheverhandlungen zwischen dem Erbprinzen Georg
Wilhelm und der katholischen polnischen Prinzessin Lubomirsky im Gange).
Abgesehen
von dem verbesserten Verhältnis Thurnaus zu Bayreuth brachte der Rezeß
von 1699 den Grafen von Giech die Territorial- und Malefizgerechtigkeit über
340 Haushaltungen. Eine 1709 auf Verlangen von Carl Gottfried von Giech
vom Nürnberger Kartographen Johann Baptist Homann gefertigte Karte seines
Territoriums spiegelt den Stolz über die endlich erreichte hohe
Gerichtsbarkeit wieder. Auch unterstreicht sie den Anspruch auf Giech'sche
Landesobrigkeit in den Künßberg'schen Orten.
Mit
dem Vollzug der beiden Rezesse ließ man sich in Bayreuth jedoch Zeit.
Erst als aus Würzburg und Saalfeld erwartete Kredite ausblieben, erteilte
Markgraf Christian Ernst den dringenden Befehl, die Einweisung schleunigst
vorzunehmen, "indem wir nun des Gelts ohne allen Verzugs benötigt
sind".
Bereits
am 6. und 7. November 1699 erfolgte der Umgrenzungsritt. Am folgenden Tag
wurden in Thurnau allen giech'schen und künßbergischen Untertanen die
Grafen von Giech als neue "Territorial-Fraisch-Cent- und Blutbanns
Herren" bekannt gegeben. Den endgültigen Abschluß der
Centeinsetzung bildete am 14. September 1700 die Setzung von 45 fast
mannshohen Centsteinen, deren Standort in der bereits genannten
Homann'schen Karte festgehalten wurde. Auch ist hier zum Limmersdorfer
Forst hin "Der Brandenburgischer Wildzaun" eingezeichnet.
Von
den ursprünglich vorhandenen 45 Centsäulen sind heute noch 28 (teilweise
in einem sehr guten Zustand, z. B. im Wald, teilweise stark verwittert)
vorhanden.
Anläßlich einer Arbeitsbeschaffungs-maßnahme (Helmut Meisel - LRA Kulmbach) wurden 1984/85 die
noch zahlreich vorhandenen Grenzsteine dokumentiert und in die Flurkarten
1 : 5000 eingetragen.
Dabei
wurden auch versunkene Steine (mit Unterstützung von
Gemeindearbeitern aus Kasendorf, Mainleus, Thurnau) wieder neu aufgestellt
bezw. gerichtet und zerbrochene Steine wieder zusammengefügt bezw.
sichergestellt (Bauhof Thurnau).
Streitigkeiten
um die Jagd - Jagdgrenzsteine
Der
Gefährdung durch Waldarbeiten aber auch durch intensive
landwirtschaftliche
Nutzung
sind auch die noch zahlreich vorhandenen Jagdgrenzsteine
ausgesetzt, die nach immer noch längeren, fortgesetzten Streitigkeiten
mit mehreren Rezessen (1772) und der Setzung von zahlreichen
Jagdgrenzsteinen (insgesamt 82) ihr Ende fanden. Teilweise wurden dabei
"Eichene Hegsäulen" ersetzt.
1758
Vermessung der Jagdgrenze zwischen "Tannfeldt" und "Casendorff".
Teilweise
ohne JZ (wohl um 1700), 1718 (bei Buchloch), 1768, 1772 und 1773.
Ende
der Standesherrschaft Thurnau
Nachdem
auch die Standesherrschaft Thurnau 1796 an Preußen gelangt war und 1810
zu Bayern gekommen war, wurde 1848 das Patrimonialgericht Thurnau
aufgelöst.
Bei
der 1850 erfolgten Abmarkung des Privatbesitzes der Giech wurden
zahlreiche Grenzsteine (mit nurmehr einer Schafschere) gesetzt, von denen
bei der ABM 1.057 Stück in den Flurkarten vermerkt wurden.
Zusammenfassung
Bei
der ABM von 1984/85, welche dankenswerterweise vom Lkr. Kulmbach
mitfinanziert wurde (wie vorher auch schon eine umfangreiche
Fotodokumentation der Baudenkmäler und mehrere Ausgrabungen in
Zusammenarbeit mir der Archäologischen Außenstelle für Oberfranken)
konnten 166 alte Steine und 1.057 Stück von 1850, insgesamt also 1.223
Grenzsteine erfaßt werden.
Es
könnten auch noch einige mehr sein, da im Zuge der ABM die Maßnahme
nicht vollständig abgeschlossen werden konnte.
Der
Schutz dieser
bescheidenen
aber aussagekräftigen Denkmäler, in denen sich beispielhaft die
Geschichte einer winzigen Adelsherrschaft widerspiegelt, ist unser aller
Aufgabe.
Verwendete
Literatur
1)
Karl Dill, Flurdenkmäler im Landkreis Kulmbach, herausgegeben vom Landkr.
Kulmbach 1984
2)
Uta von Pezold, Die Herrschaft Thurnau im 18. Jahrhundert,
Die Plassenburg, Band 27,
Kulmbach 1968
3)
dto., Thurnau, ein kleiner Führer
durch seine Geschichte, Thurnau 1987
4)
versch. Verfasser, THURNAU 1239-1989, herausgegeben anläßlich der
850-Jahrfeier
vom Markt Thurnau 1989
Kreuzstein
"BUTZENSTEIN" in der Nähe des alten Forsthauses (Dill # 155
/ S.111)
65 cm hoch, 40 cm breit und 35 cm stark
Vorderseite (Westen): lateinisches Kreuz - Rückseite: springender Hirsch,
1615
"1611
DEN ZO./ NOVEMBER / Wart ALDA / PAVLVS / SEU / DELMAIER / ERSCHOSSEN / E
... GGG IST VON / DEM FOER / STER JOHAN / KOPP WIEDER / UMB
RENOVIERT / WORDEN / 16. AP. ANNO 1711"
1615
wohl das Jahr der Errichtung des Kreuzsteines - 4 Jahre nach dem Mord
"Paulus Settelmmeyer, Butzförster zu Limmersdorf, im Wald von einem
Wildschütz
erschossen, allhier auf sein Begehr begraben, 24. November."
(Neudrossenfelder Sterbematrikel von 1611 - Nr. 62)
[Dieter Schmudlach - 4/2002]
Grenzsteine
der Herrschaft Thurnau
Arbeitsergebnisse der
Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von Helmut Meisel 1984/85
und Ergänzung / Berichtigung zu Karl Dill, Flurdenkmäler im
Landkreis Kulmbach, 1984
Jahr
Lfd. Nr. Beschreibung
(Dieter Schmudlach – 04/2002)
vor
1600
einige verhältnimäßig roh geformte Steinsäulen
ohne Wappen und Jahreszahl
=
O
z. B. oberhalb von Neuwirtshaus oder links der Straße nach Neustädtlein
um
1600
Nr.
1 - 56: kleine
Grenzsteine verschiedener Art mit Künßberg-Wappen
mit aufsteigender Spitze, teilweise auch erhöht;
= I
meist mit überkragendem Satteldach, 15 mit Segmentbogen
1699
Nr. 57 - 81a: von ehemals 45
Centsäulen noch 28 vorhanden
(Dill: ursprünglich 21 Stück - H. Meisel
+ 3 - D. Schmudlach + 4)
sehr hohe (bis 1,30 m über der Erde) Rechtecksäulen mit flachem
oder
= I I
segmentbogenförmigem Abschluß;
auf der Thurnauer Seite: über Eck 2 Schwäne (Sinnbild des
Mutes),
sowie 2 Schafsscheren (Symbol des Reichtums) -
auf der Außenseite der gevierteilte Hohenzollernschild
mit vertieften bzw. erhöhten Feldern
1772
Nr. 82 - 164 = 82 Stück: Jagdgrenzsteine
anstelle ehemaliger
"Eichener Heg-Säulen" (Uta von Pezold, S.215, Anm. 65)
1758 Vermessung der Jagdgrenze (Plan des Landfeldmessers
=
= I I I
Johann Friedrich Weiß - Hinweis Karl Dill)
=> mittelgroße Steine mit segmentförmigem Abschluß (nicht
"kreisförmig",
wie von Herrn Meisel teilweise fälschlich angegeben), => ohne
JZ: um 1700,
sonst meist mit Jahreszahl: =>1718 (bei Buchloch) - 1768 - 1772
- 1773
Vorderseite:
" G G P J "
= Gräflich Giech'sche
Privat-Jagd,
Rückseite:
" B C
" =
Brandenburg Culmbach
(nicht wie bei Dill S.153f.: P J = 'Patrimonium Judicium')
1850
wurde der Privatbesitz der Giech mit recht kleinen Steinen mit
nur
einer
Schafsschere abgemarkt, darunter bezeichnet "1850".
=
I V
Hiervon wurden 105 Stück in die Flurkarten 1 : 5000 eingetragen.
Es wurden also insgesamt
inventarisiert: 166 + 1.057 = 1.223 Grenzsteine.
Verwendete Literatur
1) Karl Dill, Flurdenkmäler im
Landkreis Kulmbach, Landkreis Kulmbach 1984
2) Uta von Pezold, Die Herrschaft
Thurnau im 18. Jahrhundert; Plassenburg, Band 27, Kulmbach 1968
3) dto., Thurnau, ein kleiner Führer
durch seine Geschichte, Thurnau 1987
4) versch. Verfasser, THURNAU
1239-1989, herausgegeben anläßlich der 850-Jahrfeier
vom Markt
Thurnau 1989
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